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Sport: Berliner Kindl auf Bewährung

Eishockeyprofi Sven Felski von den Eisbären hat sein großes Talent bisher verschenkt – mit 28 Jahren fängt er jetzt bei der WM an, hart zu arbeiten

Von Sven Goldmann

und Claus Vetter

Helsinki. Die Besten sind immer die Letzten. Selbst schuld, der Mann, was schießt er auch zwei Tore, kein Wunder, dass er von Kamera zu Kamera gescheucht wird, während die Kollegen schon längst unter der Dusche stehen. Sven Felski war ein gefragter Mann nach dem 5:4-Sieg der deutschen Eishockey-Nationalmannschaft über Japan, diesem seltsamen ersten Vorrundenspiel bei der WM in Finnland. Felski hatte jedenfalls seinen Spaß, und als er sich für einen Augenblick unbeobachtet fühlte von den Kameras, streckte er kurz mal die Faust in die Höhe und verzog den Mund zu einer ironischen Grimasse. Sollte heißen: Da schieße ich mal zwei Tore in einem Spiel, und dann muss es ausgerechnet gegen Japan sein.

Es ist nämlich keineswegs so, dass der Stürmer der Berliner Eisbären allzu oft in die Verlegenheit kommt, über seine Qualitäten als Torjäger zu referieren. Vier Tore in 51 Länderspielen wies die Statistik vor der WM für Sven Felski aus, da bedeuten zwei Treffer gegen den international drittklassigen Asienmeister eine Steigerung um 50 Prozent.

Es passte ins Bild, dass ausgerechnet einer aus der zweiten Reihe die Deutschen vor einer möglichen Blamage bewahrte. Sven Felski spielte gegen Japan an seinem Limit, die Stars aus Köln, Krefeld oder Mannheim weit darunter. Hans Zach hat das sehr wohl gemerkt, und deswegen hat sich der Bundestrainer an diesem Sonntag in Helsinki bei Felski bedankt.

Vielleicht war dieses Spiel gegen Japan so etwas wie ein Wendepunkt im Verhältnis des strengen Bundestrainers zu dem launenhaften Berliner. Zach hat sich in den vergangenen Jahren selten, ja eigentlich nie, positiv über Felski geäußert. Wohl auch, weil er gesehen hat, wie fahrlässig da einer mit seinem großen Talent umgegangen ist. Schon vor vier Jahren hatte Zach moniert: „Es wird Zeit, dass aus dem Berliner Kindl ein Berliner Bursch wird.“ Denn der exzellente Schlittschuhläufer Felski hatte sich nach dem Geschmack des Bundestrainers allzu häufig versteckt, wenn es ernst wurde. Und weil Felski zudem ein häufig und gern gesehener Gast auf den Strafbänken der Deutschen Eishockey-Liga (DEL) war, schien seine Karriere in der Nationalmannschaft schon beendet, bevor sie so richtig begonnen hatte.

Sven Felski ist jetzt 28 Jahre alt. Den Zeitpunkt für einen Schub bringenden Vereinswechsel hat er verpasst. Sein Mut zum Neuanfang in einer unbekannten Umgebung erschöpfte sich in einem Flirt mit dem Berliner Stadtrivalen BSC Preussen, der dann wegen einer zu hohen Ablöseforderung nicht zu Stande kam. Sein ehemaliger Mitspieler Thomas Steen hat einmal gesagt: „Sven ist eine Ausnahmeerscheinung. Ich liebe sein Spiel. Ich wünschte, ich hätte ihn früher getroffen.“ Der Schwede Steen hat mehr als 1000 Spiele in der National Hockey League (NHL) absolviert, und er hätte auch Felski gern in der stärksten Liga der Welt gesehen. Der aber ging den vorgezeichneten, den leichten Weg des Publikumslieblings bei den Eisbären in Berlin-Hohenschönhausen.

Spät erst scheint Felski bei den Eisbären unter Trainer Pierre Pagé seine Rolle gefunden zu haben. Pagé redet gern über sein Ziel, aus Felski den besten Defensivstürmer Europas zu machen. Mancher hat darüber gelacht – Hans Zach nicht. In regelmäßigen Abständen hat der Bundestrainer bei Pagé angerufen, und die Frage war immer dieselbe: „Was ist mit Felski – arbeitet er richtig hart?“ Zuletzt hat Pagé diese Frage mit gutem Gewissen bejahen können. Unter ihm ist Felski ein anderer geworden: weniger leichtfertig und disziplinierter als früher. Felski scheint seine Rolle gefunden zu haben, und Zach ist zufrieden. Die Nominierung für die WM stand nie infrage, schon vor gut drei Wochen, beim Aus der Eisbären im Halbfinale der Deutschen Eishockey-Liga, beim letzten Spiel in Krefeld, hatte Zach den Berliner angesprochen. „Halt dich fit, ich brauche dich noch“, sagte der Bundestrainer. Felski hat sich an die Worte gehalten.

Das war nicht immer so. Vor zwei Jahren etwa, bei der WM in Deutschland, kam er erst beim letzten Spiel zum Einsatz. Felski wirkte wie ein untrainierter Eistourist, der fast froh schien, als die Deutschen gegen Finnland im Viertelfinale ausgeschieden waren. Ein knappes Jahr später war er für das olympische Turnier in Salt Lake City nicht mal auf Abruf nominiert, und auch die folgende WM in Schweden fand ohne Sven Felski statt. Das Turnier in Finnland ist so etwas wie seine letzte Bewährungschance. Felski hat sich viel vorgenommen, auch wenn der Auftakt der Deutschen trotz seiner zwei Tore nicht eben vielversprechend war. Heute steht in Helsinki das zweite Vorrundenspiel gegen die Ukraine an (15 Uhr, live auf Sat 1), und Felski warnt: „Wenn wir genauso wie gegen Japan spielen, dann können wir das vergessen. Die Ukrainer spielen die alte russische Schule, die hauen dir dann schnell mal ein paar Dinger rein.“

Felski glaubt, dass es anders kommt, und seine Zuversicht bezieht er auf einen Mann, den er früher kaum angeguckt hätte: „Der Hans Zach wird uns schon die passenden Worte sagen.“

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