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Jetzt geht’s rund. Die Veranstalter der Berliner Sixdays wollen eine internationale Serie mit festen Teams etablieren.

© imago

Berliner Sechstagerennen: Formel-1 im Oval

Das Berliner Sechstagerennen ist noch populär. Trotz guter Besucherzahlen müssen sich der Bahnradsport und das Sechstagerennen aber neu erfinden. Die Veranstalter wollen eine internationale Serie mit festen Teams etablieren.

Theo Reinhardt zog sich die Kappe tief ins Gesicht und senkte seinen Kopf. Er wollte seine Tränen verstecken, aber das klappte nur bedingt. War ja auch nicht irgendein Fahrer, der an diesem letzten Abend des 103. Berliner Sechstagerennens verabschiedet wurde, sondern ein gewisser Robert Bartko, seines Zeichens Olympiasieger, Weltmeister, Lokalmatador und in erster Linie: Publikumsliebling. „Früher habe ich ihm von der Tribüne aus zugejubelt, er war mein Idol“, sagte Reinhardt später, „deshalb bin ich sehr stolz darauf, dass ich zu seinem Karriereende einen Anteil an dieser guten Platzierung habe.“ Wenngleich das Duo Andreas Müller/Kenny de Ketele das fünf Tage in Führung liegende Team Leif Lampater/Jasper de Buyst mit einer furiosen Aufholjagd im letzten Rennen vom ersten Platz verdrängt hatte, lag der Fokus natürlich auf der Personalie Bartko. Im Velodrom hatte er 1999 den WM-Titel gewonnen, 15 Jahre später beendete er seine Laufbahn nun an gleicher Stelle mit einem starken dritten Rang. „Ich hatte das Glück, mein Hobby 25 Jahre lang zum Beruf machen zu können“, sagte der 37-Jährige, „deshalb fällt es mir jetzt nicht schwer, Abschied zu nehmen, obwohl ich nachher ganz bestimmt ein paar Tränen ins Kissen weinen werde.“

Bis zum späten Dienstagabend hatte der emotionalste Moment der diesjährigen Veranstaltung noch Franco Marvulli gehört, dem Sieger von 2008 und mit 13 Teilnahmen einsamen Rekordstarter der Sixdays. Als der Schweizer am Montagabend zur Serienmelodie von „Heidi“ seine Ehrenrunde drehte, stieg der Geräuschpegel noch einmal spürbar an – und selbst Dieter Stein, der sonst etwas bärbeißig wirkende sportliche Leiter des Sechstagerennens, stand am Rand der Bahn und weinte. Es wird vermutlich nicht an der Musik gelegen haben. „Einmal im Jahr fühle ich mich als Berliner“, sagte Marvulli. „Hier gibt es das beste, sportlichste und fairste Publikum. Ich komme nächstes Jahr wieder, als Zuschauer.“

Die Frage, wie es 2015 und darüber hinaus weitergeht mit der traditionsreichen Veranstaltung und dem Bahnradsport überhaupt, stellt sich allerdings nicht erst seit dem Abschied der Ikonen Marvulli und Bartko. Daran ändert auch der nette Dankesbrief von Klaus Wowereit nichts, den Berlins Regierender Bürgermeister zum Finaltag aufgesetzt hatte. Im Gegensatz zu anderen Orten ist das Sechstagerennen zwar weiterhin fest verankert im Sportkalender der Hauptstadt, auch in diesem Jahr kamen die zuvor kalkulierten 75 000 Besucher in die Arena an der Landsberger Allee. Selbst zum Familientag am Sonntag, in den vergangenen Jahren stets etwas schlechter besucht, war die Halle voll. „Trotzdem müssen wir uns Gedanken machen, wie wir unsere Veranstaltung im Sinne der Wirtschaftlichkeit und des öffentlichen Interesses verbessern können“, sagt Geschäftsführer Reiner Schnorfeil. Mit den Karten ist das nämlich so eine Sache: Weniger als die Hälfte der Tickets sind über den freien Verkauf unters Volk gebracht worden, den überwiegenden Teil haben die großen Sponsoren zunächst erworben und anschließend selbstständig verteilt. „Es wäre schön, wenn jeder seinen Eintritt selbst bezahlen würde. Leider ist es nicht so“, sagt Schnorfeil.

Andererseits dürfte diese Statistik niemanden wirklich überraschen, sie ist gewissermaßen das Prinzip Sechstagerennen. „Wir waren, sind und werden immer eine kommerzielle Veranstaltung sein“, sagt Schnorfeil, „deshalb war es auch in diesem Jahr unser Ziel, die Ränge zum Teil mit Sponsorenkarten zu füllen.“

Immerhin gibt es erste Ideen für eine bessere Vermarktungsstrategie, obwohl Schnorfeil seine Vorstellungen im Moment explizit mit dem Begriff „Konjunktiv“ versieht. Dem Geschäftsführer schwebt eine Rennserie mit großen internationalen Standorten vor, bei dem feste Teams gegeneinander antreten. „Ähnlich wie in der Formel 1“, sagt Schnorfeil, „so könnten wir auch für weltweite Sponsoren attraktiv werden.“ Erste Gespräche mit dem Weltverband UCI haben bereits stattgefunden, auch ein finanzkräftiger Investor aus Großbritannien soll grundsätzliches Interesse signalisiert haben. „Für solch ein Vorhaben benötigt man allerdings eine Vorlaufzeit von einem bis eineinhalb Jahren“, sagt Schnorfeil.

Sollte es tatsächlich so weit kommen, kommt nur ein deutscher Standort in Frage, zumal Berlin mit Bremen lediglich einen einzigen Mitbewerber hat. „Wir können mit unserem Standort punkten und mit dem Publikum“, sagt Schnorfeil, „das hat so viel Ahnung von dem Sport, das gab es nicht in Bremen, nicht in München und auch nicht in Dortmund.“ Am Dienstagabend haben 8000 Besucher im Velodrom wieder einmal den Nachweis für ihr feines Gespür bewiesen. Robert Bartko und Theo Reinhardt stehen als Kronzeugen bereit.

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