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Feuer unterm Dach. Bei den Eisbären-Fans werden große Fahnen geschwenkt und viele Werbespots eingeblendet.

© Fotoagentur Engler

Alba versus Eisbären: Kampf der Kulturen in Berlins Bierhalle

Intellektuelle Alba-Fans und hemdsärmlige Eisbären-Anhänger – an diesem Wochenende füllten sie die O2-World am Ostbahnhof. Doch so verschieden sind die Kulturen gar nicht. Zwei Besuche.

Das mit dem Bier stimmt schon mal nicht. Vor ein paar Wochen hat ein Caterer in der Arena am Ostbahnhof unter der Hand erzählt, er könne bei Basketballspielen auch Freibier anbieten, die Zuschauer würden doch nicht so viel konsumieren wie beim Eishockey. Das fügt sich in die These vom intellektuell geprägten Basketball-Publikum, nicht aber in die Wirklichkeit an diesem Samstagabend. Ohne Bier in der Hand ist man in der S-Bahn mittlerweile zu ziemlich jeder Tageszeit in der Minderheit, warum sollen die Fans von Alba Berlin da eine Ausnahme machen? Jedenfalls erfrischen sich im Zug Richtung Warschauer Straße auch die coolen Jungs mit den verkehrt herum aufgesetzten Basecaps ausgiebig mit Getränken jenseits des Jugendschutzes.

Vielleicht trinken sie sich auch nur Mut an. Heute kommt Bamberg, der Spitzenreiter, die seit Jahren die Liga dominierende Mannschaft. Das Hinspiel hat Alba verloren, in einer Größenordnung, die Stefan Mappus’ Wahlergebnis in Baden-Württemberg entspricht. Alba gegen Bamberg, das ist die Ouvertüre eines preußisch-bayerischen Wochenendes. Es folgt am Sonntag das Eishockey-Play-off zwischen den Eisbären und Ingolstadt, das schon seit Tagen ausverkauft ist und somit eine Premiere garantiert. Zum ersten Mal seit der Eröffnung im Herbst 2008 ist die Großarena an einem gemeinsamen Basketball-Eishockey-Wochenende zweimal komplett mit 14 500 Zuschauern gefüllt. Das selbstbewusst angekündigte Projekt von zwei Veranstaltungen an nur einem Tag hatte das Management der Mehrzweckhalle schon in der Anlaufphase für undurchführbar erklärt, weil die vom Eishockey-Publikum gewünschte Stehplatztribüne nicht schnell genug abzubauen sei. Als daraufhin der Tagesspiegel den schönen Begriff „Einzweckhalle“ erfand, war das nicht der Beginn einer wundervollen Freundschaft zwischen Zeitung und Management.

Alba ist den Andrang nicht gewohnt. Zum zweiten Mal in dieser Saison ist die Arena ausverkauft und überhaupt erst zum fünften Mal in der Bundesliga, seitdem der Klub vor zweieinhalb Jahren von Prenzlauer Berg nach Friedrichshain umgezogen ist. Bei der lokalen Konkurrenz vom Eishockey ist es auch gegen Iserlohn oder Straubing eher die Ausnahme, dass noch kurzfristig Tickets zu haben sind.

Vor dem Spiel gegen Bamberg nun macht das Basketball-Publikum so viel Lärm, dass die Hallenregie Mühe hat, ihrem Mix aus Rap und Hip Hop zu allgemeinem Gehör zu verhelfen (was den begleitenden Vätern der Jungs mit den verkehrt herum aufgesetzten Basecaps so unangenehm nicht ist). Verantwortlich für den Lärm sind vor allem die aus Bamberg angereisten Sportsfreunde. Es dürften knapp 2000 sein, sie versammeln sich im Oberring, alle tragen rote Trikots und auf ihrem riesigen Transparent steht: „Berlin leuchtet rot!“ Mit dieser Überschrift hat diese Zeitung vor ein paar Wochen den Sieg des 1. FC Union bei Hertha BSC gewürdigt, aber derartige Feinheiten haben die lauten Roten von der fränkischen Fraktion wohl nicht im Sinn.

Albas Basketballer schmücken sich mit ihren Cheerleadern, die ihre Köpfe kunstvoll schwenken.
Albas Basketballer schmücken sich mit ihren Cheerleadern, die ihre Köpfe kunstvoll schwenken.

© dpa

Der Berliner Kotrainer verliest über den Videowürfel eine Botschaft, sie gipfelt in der Erklärung: „Wir sind bereit für den Kampf!“ Das Berliner Publikum nimmt den Kampf mit albagelben Luftballons und den unvermeidlichen Klatschpappen auf. Es ist eben nicht alles gut, was aus dem Osten kommt. Alba startet großartig, die Luftballons fliegen durch die Halle, aber der Hip-Hop aus den Lautsprechern gibt den Fans kaum eine Chance, ein akustisches Eigenleben zu führen. In den Auszeiten springen die Cheerleader aufs Parkett und die Regie blendet mit der Kamera auf die Prominenz. Der Schauspieler Oliver Korittke hat sich in ein Fantrikot gezwängt, seine Kollegin Simone Thomalla winkt. Nebenan sitzt ihr Freund, der Handballtorwart Silvio Heinevetter. Er stützt das Kinn auf die Hände und sieht so aus, als hätte er letzte Nacht ganz allein das Vorurteil von den abstinenten Basketballfans widerlegen wollen.

Das Spiel ist schön anzuschauen, aber für Alba reicht es nur zum zweiten Platz, das Publikum quittiert ihn mit stiller Demut. Die lauten Roten werden noch lauter und stimmen sich ein auf ein Berliner Wochenende unter mutmaßlich blauen Vorzeichen. Nach der Schlusssirene fallen sich Sieger und Verlierer um den Hals, der Hallensprecher gratuliert Bamberg und auch Berliner Hände rühren sich zum Beifall. Das ist sympathisch, aber nicht gerade ein Wettbewerbsvorteil. In Albas Management sagen sie, es sei ja schön und gut, dass alle Mannschaften so gern nach Berlin kommen zu den lieben fachkundigen Fans, aber zuweilen wäre ein bisschen rhetorische Aggressivität ganz schön.

Solche Probleme haben die Kollegen von der Sektion Eishockey nicht. Die Beziehung zum Gegner im Play-off-Viertelfinale ist ein wenig vergiftet, seitdem ein Spieler aus Ingolstadt gleich im ersten von maximal fünf Spielen eine schwere Gehirnerschütterung davon trug. Als am Sonntag ein Ingolstädter nach einem schwerem Check sichtlich benommen vom Eis schleicht, brüllen sie auf der Stehplatztribüne: „Ruf doch mal die Mutti an!“ Am Ende verlieren die Berliner knapp 2:3, was die Fans schwer schmerzt gegen einen Rivalen, den sie im Stakkato „Bauern! Tölpel!! Ingolstadt!!!“ nennen.

Es geht alles ein wenig hemdsärmliger zu als beim Basketball. Die weiblichen Fans tragen das Haar nahezu alle streichholzkurz, dunkelblond und mit hellblond eingezogenen Strähnen. Musikalisch hält es der Eishockeyfreund eher mit Bob Seger denn mit Kanye West. In den Pausen gibt es keine Cheerleader, aber von Sponsoren überfrachtete Spielchen und ein live übertragenes Auto-Wettputzen auf dem Arena-Parkplatz. Ohnehin wird jede freie Sekunde für Werbedurchsagen genutzt, eine späte Kompensation der antikapitalistischen Tradition des einst von Erich Mielke protegierten Klubs. Als Gäste werden allein die „lieben Freunde“ vom Hauptsponsor begrüßt. Irgendwo im Publikum soll Torsten Mattuschka sein, aber die Kamera findet den Kapitän vom 1. FC Union nicht oder will ihn nicht finden. Berlin hat am Samstag schon rot genug geleuchtet.

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