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Berlins Bundesligist in der Krise: Herthas Trainer Luhukay kritisiert seine Mannschaft offen

Zum ersten Mal in dieser Saison kritisiert der Hertha-Trainer seine verunsicherte Mannschaft laut. Nach dem 1:1 in Freiburg sprach er Defizite unverblümt an - nur den Mannschaftsältesten nahm er aus.

Mit 36 Jahren ist Lewan Kobiaschwili immer noch für eine Überraschung gut. „Mensch Kobi, du kriegst ja graue Haare!“, stellte der Pressesprecher von Hertha BSC nach dem Training erstaunt fest und riet dem Mittelfeldspieler scherzhaft: „Da solltest du nachfärben.“

Nun ist es denkbar, dass Kobiaschwilis Silberschläfe deshalb noch nicht aufgefallen ist, weil sich die Haare vielleicht erst am Montagmorgen richtig weiß gefärbt hatten, während der Ansprache von Jos Luhukay. 17 quälende Minuten redete der Trainer wütend gestikulierend auf seine Profis ein, am Tag nach dem glücklichen 1:1 in Freiburg. Nach diesem Anpfiff und dem folgenden Auslaufen schlichen die Spieler ziemlich bedröppelt vom Platz. Den wenigsten war nach Reden zumute, ihre Stimmung war wie das Wetter: grau, ungemütlich, mit Aussicht auf Gewitter.

Kobiaschwili wurde auf dem Weg in die Kabine gestoppt, immerhin hatte er am Vorabend nach über 500 Tagen sein 337. Bundesliga-Spiel absolviert. Zunächst aber interessierten eher die Worte des Trainers. „Der Trainer hat die Defizite klar angesprochen“, sagte Kobiaschwili vage, „diese Kritik muss jeder einzelne Spieler mitnehmen.“

Es war jedoch ein wenig mehr als nur Manöverkritik, die Luhukay geäußert hatte. Was er genau sagte, verwehte der Wind, einige Zuhörer glaubten, folgenden Satzanfang verstanden zu haben: „Wenn ihr meint, von Platz fünf zu träumen...“

Der Trainer, das wurde auch an den offiziellen Äußerungen deutlich, war zum ersten Mal in dieser Bundesliga-Saison unzufrieden mit dem Auftritt seines Teams. Hatte er sein Team trotz zweier Niederlagen zuletzt gelobt, gab es diesmal Kritik. „Als Fußballliebhaber habe ich dieses Spiel nicht genossen“, sagte er kurz nach Spielende.

Auch wenn er das Wort umschiffte, als er mit grimmiger Miene vom Trainingsplatz gestapft kam, so bemängelte Luhukay zumindest indirekt die Einstellung seiner Mannschaft: „Ich kann mir nicht erklären, warum wir das Spiel total verunsichert beginnen“, sagte er. „Wir haben ohne Mut und Überzeugung angefangen, vom Spielaufbau bis zur letzten Flanke fehlten Genauigkeit und Sicherheit.“ Bisher hatte er stets gelobt, dass sein Team die Initiative ergreife und Fußball spielen wolle. Genau das vermisste Luhukay am Sonntag, als nur die Freiburger Unfähigkeit im Abschluss Hertha vor eine Niederlage in letzter Minute bewahrte. Die zwei Niederlagen zuletzt haben mental Spuren hinterlassen. „Man kann sagen, dass wir verunsichert sind“, sagte Luhukay auf Nachfrage, „die Ergebnisse wirken nach.“

Dabei scheint die Linie zwischen Verunsicherung und Übermut allerdings eine feine zu sein. Offenbar war der Anblick der Tabelle, der am Sonntagmorgen verhieß, bei einem Sieg auf Platz fünf zu klettern, zu viel für einige Spieler. „Das war eine Motivation und große Herausforderung“, sagte Luhukay, „bitter, das wir es nicht geschafft haben, sonst wäre unser Selbstvertrauen automatisch gestärkt. “

Dass es nicht so kam, hatte auch taktische Gründe. Vor allem van den Bergh, Ben-Hatira und Ronny diskutierten ständig. Der Matchplan war, dem im Passspiel unsicheren Freiburger Diagne den Spielaufbau zu überlassen. Ronny aber attackierte eigenmächtig den Verteidiger und störte so die eigene Ordnung . Vor dem 0:1 dann standen van den Bergh und Ben-Hatira falsch. „Die Spieler wussten, was wir uns vorgenommen haben“, sagte Luhukay, „halten sie sich daran, sind wir stabil, wenn nicht, haben wir Probleme.“ Der Ton wird rauer. Auch für John Anthony Brooks, der vor dem 0:1 schlecht gepasst hatte. „Er bezahlt Lehrgeld in der Bundesliga“, sagte Luhukay, „in sechs Wochen sind ihm mehr Fehler unterlaufen als in der ganzen vergangenen Saison.“ Nun fällt Brooks mit einem Muskeleinriss am Unterarm plus Anbruch der Speiche zwei bis drei Wochen aus, teilte Hertha mit.

Luhukay will das Spiel in Freiburg rasch „abschließen, in dieser Woche kommt alles schnell nacheinander“. Am Mittwoch Pokal in Kaiserslautern, Samstag daheim gegen Mainz. „Selbstvertrauen bekommen wir nur über Ergebnisse“, sagte er.

Und lobte doch noch, Lewan Kobiaschwili nämlich. Der habe nach seiner Einwechslung „Struktur und Fußball reingebracht“. Doch wenn der Trainer einen Grauhaarigen im ersten Saisoneinsatz gleich zum besten Mann erklärt, ist das für die anderen Spieler eine Kritik, die lauter klingen muss als eine Wutrede.

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