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Große Namen, große Träumen. Trainer Winfried Schäfer sollte TeBe in die Bundesliga führen.

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Alte Bekannte im Berliner Fußball (11): Tennis Borussia: Die Bescheidenheit nach dem Größenwahn

Um die Jahrtausendwende wollte TeBe ganz hoch hinaus. Mit dem Geld der Göttinger Gruppe wollte der Klub bis in die Champions League. Inzwischen spielt er in der sechtklassigen Berlin-Liga - und hat Spaß dabei

Also gut, haben sie bei Tennis Borussia gedacht, wenn Hertha nicht mitmachen will, machen wir es eben alleine. Im Nachhinein war das natürlich eine glänzende Entscheidung. 4:2 besiegte der aufstrebende Zweitligist TeBe den aufstrebenden Bundesligisten Hertha BSC im Achtelfinale des DFB-Pokals. Eine echte Sensation war das im Oktober 1998, und als krönenden Abschluss gab es auch noch ein schönes Feuerwerk über dem Olympiastadion. Finanziert allein von Tennis Borussia. 75.000 Mark hat das Rahmenprogramm zum Pokalderby, mit Feuerwerk und Sambatruppe, damals gekostet. Andreas Voigt muss lachen, wenn er an diese Zeit denkt. „Davon könnten wir heute fast unseren halben Jahresetat bestreiten“, sagt der 47-Jährige, der seit Juli 2010 Vorsitzender des Traditionsvereins aus Charlottenburg ist.

Es ist ein ziemlich böser Spaß, den sich das Schicksal gerade mit Tennis Borussia erlaubt. Rund um die Jahrtausendwende musste sich bei TeBe niemand Sorgen ums Geld machen. Die Göttinger Gruppe, ein Finanzdienstleister, verfolgte mit dem Verein große Ziele und stellte die nötigen Mittel dafür zur Verfügung. 80 Millionen Mark soll sie innerhalb von fünf Jahren in TeBe investiert haben. Was kostet die Welt? Egal!

Heute, zwei Insolvenzen und ein paar Abstiege später, muss der Klub jeden Cent dreimal umdrehen. Auf seiner Internetseite hat der Klub die Mitglieder Anfang des Jahres daran erinnert, möglichst bald die Beiträge für 2013 zu überweisen („Liquidität und Zukunft sichern – Mitgliedsbeiträge leisten!“). Immerhin ein gutes Viertel seines Etats von knapp 100.000 Euro bestreitet der Klub damit. Selbst in der sechstklassigen Berlin-Liga ist das Überleben für den ehemaligen Bundesligisten ein ewiger Kampf: Ein Trikotsponsor für die laufende Saison ist immer noch nicht gefunden, dabei wäre die Brust auf den lila-weißen Hemden schon für 20.000 Euro zu haben.

Im Grunde leidet der Verein immer noch unter dem einstigen Größenwahn. TeBe hat damals seine Seele verkauft – an einen zwielichtigen Finanzdienstleister, der den Verein regelrecht usurpiert, dessen Ruf nachhaltig geschädigt und ihn schließlich hat fallen lassen. Der einst honorige Klub von Hans Rosenthal und Wolfgang Gruner wurde plötzlich als Großkotz wahrgenommen, die von Trainer Winfried Schäfer weitgehend sinnfrei zusammengestellte Mannschaft als seelenlose Söldnertruppe. „Durch dieses Image haben wir es bei Sponsoren immer noch unheimlich schwer“, sagt Andreas Voigt. Dass TeBe seit der Insolvenz vor einem Jahr schuldenfrei ist, auch unter erschwerten Bedingungen seriös wirtschaftet und die Spieler eher für die Ehre spielen als für das große Geld – das ist bisher weitgehend unbemerkt geblieben.

Im Schnitt kommen heute knapp 400 Zuschauer zu den Heimspielen

„Die Berlin-Liga kann auch Spaß machen“, sagt Voigt. Trotzdem denkt er mit Wohlwollen an die Zeit vor 15 Jahren zurück, als die Gegner nicht BSV Hürtürkel, SC Staaken und Eintracht Mahlsdorf hießen, sondern Borussia Mönchengladbach, 1. FC Köln und 1. FC Nürnberg: „Tennis Borussia in der Zweiten Liga – das war schon was Besonderes.“ Und es sollte ja nur der Anfang sein. Bei TeBe dachte man groß, von der Champions League war als langfristiger Perspektive die Rede; man reiste zum Wintertrainingslager nach La Manga an der Costa del Sol, wo zur selben Zeit auch die Bayern und Spaniens Nationalmannschaft logierten. Voigt hat in dieser Zeit bei TeBe die Merchandising-Abteilung geleitet, und dass die Aufbruchstimmung völlig an ihm vorbeigegangen wäre, kann er nicht behaupten. Von einigen Fanartikeln, Autobannern und Anstecknadeln, gibt es heute noch Restbestände. Voigts Kalkulation war etwas zu großzügig ausgefallen.

Heute denkt TeBe in deutlich kleineren Dimensionen. Im Schnitt kommen knapp 400 Zuschauer zu den Heimspielen ins Mommsenstadion, was für die Berlin-Liga immer noch ein Spitzenwert ist. Es ist eine bunte Mischung aus Rentnern, die vermutlich schon zu Bundesligazeiten in den Siebzigern da waren, und jungen Ultras, für die TeBe nach all den Irrungen einfach nur ein entspannter Fußballverein ist. „Die Marke Tennis Borussia existiert noch“, sagt Roland Weißbarth, 57, der seit zwei Jahren dem Vorstand angehört. „Der Name öffnet durchaus Türen.“ Dass es auf hundert Anfragen an mögliche Sponsoren neunundneunzigeinhalb Absagen gibt – verwundert ihn als Marketingexperten trotzdem nicht. In der sechsten Liga spielt TeBe quasi unter Ausschluss der Öffentlichkeit und ohne mediale Präsenz.

Dafür profitiert der Klub in anderer Hinsicht von der Vergangenheit. Die Infrastruktur ist noch weitgehend zweitligatauglich, das lockt auch Spieler, die bei anderen Klubs vermutlich wesentlich mehr verdienen könnten. Im Mommsenstadion hat TeBe einen eigenen Trakt mit Sauna und Entmüdungsbecken; die Spieler bekommen die Trainingsklamotten gestellt und müssen ihre Trikots nicht selbst waschen. „Das sind die kleinen Dinge, die aus dem großen Fußball übrig geblieben sind“, sagt Weißbarth. Und auch wenn das für einen Sechstligisten komisch klingen mag: „TeBe ist immer noch ein Verein, der auf Leistungssport ausgerichtet ist.“ Die Nachwuchsabteilung hat im vergangenen Jahr vom Deutschen Fußball-Bund die Zertifizierung zum Leistungszentrum bekommen. Als einziger Amateurverein überhaupt.

Bisher erschienen: Viktoria 89, Spandauer SV, Türkiyemspor, Wacker 04, BFC Dynamo, VfB Einheit zu Pankow, SC Union 06, Blau-Weiß 90, Tasmania 1900 und Bergmann-Borsig. Hier finden Sie alle Folgen der Serie!

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