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Berlin: Sixdays: Lärm als Leidenschaft

Der 69-jährige Schrittmacher Bruno Walrave ist der älteste Sixdays-Teilnehmer. Mit 70 soll aber Schluss sein mit dem Radsport.

Der Alte fährt nur hinterher. Abgeschlagen knattert der 69-jährige Bruno Walrave auf seinem kleinen roten Motorrad durchs Velodrom, in seinem Windschatten folgen abwechselnd Danny Stam oder Christian Lademann. Der holländische Schrittmacher mit dem zerfurchten Gesicht scheint beim Dernyrennen, einer von den Fans heftig beklatschten Einlage des Sechstagerennens, chancenlos zu sein. Doch fünf Runden vor Schluss attackiert der älteste Teilnehmer der Sixdays plötzlich, rast sogar an Robert Bartko und dessen Schrittmacher vorbei auf den zweiten Platz. Am Ende wird Walrave Dritter. „Ich lasse immer erst mal die anderen fahren“, erzählt er, „das funktioniert meistens.“

Diese Taktik hat ihm zahlreiche Weltmeistertitel und Erfolge bei Derny- und Steherrennen in aller Welt beschert. Auch im Velodrom ist er als Steher im Einsatz: Dabei steht er auf den Fußrasten seiner Maschine, Rennfahrer Tim van der Zanden wird durch ein Metallgestänge, die Rolle, auf Abstand gehalten. Mit bis zu 80 Stundenkilometern jagen sie über die Bahn. „Ich gebe die Taktik vor, der Rennfahrer brüllt, wenn ich zu schnell oder zu langsam bin“, erklärt Walrave, der im Februar 70 wird. Dann ist endgültig Schluss mit dem Radsport.

Walrave wuchs in Amsterdam neben einer Radrennbahn auf, „die Motoren und der Lärm haben mich schon als Kind fasziniert“. Deshalb wollte er auch nie Radrennfahrer werden. Schon als 17-Jähriger startete er als Schrittmacher – seine Kollegen waren 50- und 60-Jährige, die den Burschen zunächst nicht ernst nahmen. „Sieben, acht Jahre habe ich gebraucht, bis ich ganz oben war. Weil ich nie Rennfahrer war, musste ich erst lernen, ein Rennen richtig zu lesen.“

Als er das beherrschte, war er nur noch schwer zu schlagen. Daran änderten auch die vielen Veränderungen im Laufe der Jahrzehnte nichts. „Früher sind wir mit schwereren Motoren auf großen Bahnen Rennen gefahren, die länger als eine Stunde gedauert haben“, erinnert sich der Holländer, der schon zu Zeiten der Deutschlandhalle in Berlin am Start war. „Jetzt wollen die Leute ein abwechslungsreiches, kürzeres Programm.“ Doch auch das war ohne Bruno Walrave bislang undenkbar.

Helen Ruwald

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