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Die A-Jugend von Hertha 03 ist Dauergast in der Bundesliga.

© Miguel Leon

Fußball in Berlin: Große Zukunft dank kleiner Hertha

Immer montags wirft unser Autor Axel Gustke einen Blick auf den Berliner Fußball. Heute: Bei Hertha 03 Zehlendorf wird Jugendarbeit groß geschrieben - wovon auch Hertha BSC profitiert. Eine offizielle Kooperation der beiden Klubs gibt es allerdings nicht.

In der Jugend-Bundesliga spielen die größten Nachwuchshoffnungen des deutschen Fußballs, daher tummeln sich hier auch naturgemäß die namhaftesten deutschen Vereine. Neben dem Hamburger SV order Werder Bremen steht in der Staffel Nord der dreigleisigen Jugend-Bundesligen aber auch ein Name, der im Profibereich schon lange nicht mehr zu hören war: Hertha 03 Zehlendorf. Und das ist weit mehr als eine Momentaufnahme, erfolgreiche Jugendarbeit hat Tradition beim Verein aus dem Berliner Südwesten.

In sämtlichen Altersklassen haben die Zehlendorfer seit Jahrzehnten eine führende Rolle in Berlin und auch deutschlandweit. 1968 gewann die B-, 1970 die A-Jugend den deutschen Meistertitel, aktuell spielen bis auf die B-Jugend sämtliche Mannschaften in der jeweils höchstmöglichen Spielklasse. Dank dieses Rufs genießt der Klub eine hohe Anziehungskraft auf Berliner Nachwuchskicker und dient somit oft als Zwischenstation für talentierte Kinder aus Berlin, die für ihre kleinen Kiezvereine irgendwann zu gut werden.

Bei der "kleinen Hertha" reifen dann viele zu potenziellen Profis heran, die Liste der großen Namen ist entsprechend lang. Von Wolfgang Sühnholz über Pierre Littbarski und Christian Ziege bis hin zu aktuellen Bundesligaspielern wie Thorben Marx, Malik Fathi oder Sejad Salihovic, schafften schon viele aus dem Nachwuchs von Hertha 03 den Sprung zu gestandenen Bundesliga- oder sogar Nationalspielern. Auch im Damenbereich hat es mit der mehrfachen Welt- und Europameisterin Ariane Hingst ein Zehlendorfer Eigengewächs zur Weltklassespielerin gebracht. Ein Ende der Talenteflut ist auch nicht zu befürchten, laut Jugendleiter André Schindel stehen aktuell vier Jugendnationalspieler in den Reihen des Klubs.

Alle 125 Trainer und Betreuer sind ehrenamtlich tätig

Schwarze Zahlen schreibt der Verein trotz dieser hochklassigen und umfangreichen Jugendabteilung mit insgesamt 37 Mannschaften vor allem Dank der Beiträge der 1800 Mitglieder und des kräftigen Sponsorenpools. So kommt eine beachtliche Summe zusammen, die angesichts der vielen überregional spielenden Mannschaften auch dringend benötigt wird. Immerhin stehen hier regelmäßig Auswärtsspiele z. B. in Dresden oder Osnabrück an, wodurch einiges an Fahrt- und Übernachtungskosten zusammenkommt. Hertha Zehlendorf profitiert darüber hinaus vom großen freiwilligen Engagement der Mitarbeiter. Alle 125 Trainer und Betreuer sowie alle weiteren Mitarbeiter sind ehrenamtlich tätig. "Wir machen das alles aus Liebe zum Verein und zum Sport", so Jugendleiter Schindel. Einzig Geschäftsführer Michael Stüwe-Zimmer hat eine feste Anstellung in dem Verein, was laut Schindel auch gar nicht anders ginge.

Mehr als ein Sprungbrett auf dem Weg zum Profi-Fußball ist Hertha Zehlendorf dabei jedoch selbst nicht, was in erster Linie daran liegt, dass die Männermannschaft seit Jahren in der Fünft- bzw. Sechstklassigkeit feststeckt. Am Sonntag gelang ein mühsamer 2:0-Erfolg über Aufsteiger TSV Rudow - vor 78 zahlenden Zuschauern. Die letzte ruhmreiche Zeit gab es Anfang der 70er, als man in der Aufstiegsrunde zur Bundesliga stand. Doch längst kann die Erwachsenenabteilung nicht mehr mit der Jugend mithalten, auch die Damen spielen nur in der Berlin-Liga. Man hat sich jedoch längst darauf eingestellt und die Vereinsphilosophie entsprechend einfach formuliert: "Wir sind ein Jugendverein", sagt André Schindel. "Bei uns geht es zu allererst um die Ausbildung von jungen Fußballern und damit fahren wir auch sehr gut".

Die fehlende Perspektive macht es natürlich schwer, hochtalentierte Spieler zu halten, deshalb wechseln viele noch als A-Jugendliche oder spätestens danach zum großen Nachbarn Hertha BSC, wie eben Marx, Fathi, Salihovic, Shervin Radjabali-Fardi oder auch Niko Kovac.

Keine Kooperation mit Hertha BSC

Dies hat laut Schindel hauptsächlich pragmatische Gründe, da Hertha BSC nun mal die beste Adresse der Stadt ist und eine hervorragende Perspektive bietet. Eine entsprechende Kooperation gibt es mit dem Klub jedoch nicht, obwohl dies von Schindel angestrebt wurde. "Ich habe so gut wie jeden Profi-Verein in Deutschland angeschrieben und eine Zusammenarbeit vorgeschlagen, von Hertha BSC kam damals keine Reaktion". Interesse zeigte dagegen Felix Magath, seinerzeit Manager beim VfL Wolfsburg, woraus sich die nun angelaufene Kooperation zwischen den beiden Vereinen ergab. Durch rege Zusammenarbeit mit den Wolfsburger Jugendtrainern, Spieler-Austauschprogramme sowie durch regelmäßige Freundschaftsspiele sollen Kontakte hergestellt und die Strukturen bei Hertha Zehlendorf weiter professionalisiert werden.

Den nächsten Entwicklungsschritt hat der Klub auch schon fest anvisiert: Den Status als Leistungszentrum. Wer diverse Auflagen bezüglich Betreuung, Infrastruktur und Trainingsgelände erfüllt, erhält dieses begehrte Gütezeichen vom Deutschen Fußball-Bund und gilt dann offiziell als Profiverein. Erst dann dürfen auch für Jugendspieler Verträge vergeben und folglich auch Ablösesummen bei Vereinswechseln gefordert werden, was für den Jugendverein aus Zehlendorf ein sehr lohnendes Geschäft werden könnte.

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