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Voller Einsatz für den Aufstieg: Hertha Zehlendorf gegen Tennis Borussia im August 2013.

© Ian Stenhouse/No Dice Magazine

Kolumne Berliner Fußball: Hertha 03 Zehlendorf straft alle Lügen

Von wegen „ewiger Aufstiegskandidat“: Hertha 03 Zehlendorf steht seit Jahren der Enttäuschung tatsächlich kurz vor der Rückkehr in den überregionalen Fußball. Doch eine schwere Hürde gibt es noch.

Ich glaube, dass alle Journalisten zitiert werden wollen. Das ist nämlich ein gutes Zeichen dafür, dass man schlaue und gut formulierte Ideen hat oder dass seine Meinung in irgendeiner Form wertvoll ist. Ich wurde, so weit ich weiß, noch nicht zitiert – bis jetzt. Deshalb werde ich mich selbst zitieren. Das mag ziemlich arrogant wirken, aber warten Sie erstmal kurz ab.

In September habe ich mit Timo Szumnarksi, Trainer von Berlin-Ligist Hertha 03 Zehlendorf, gesprochen und über seine Mannschaft anschließend folgendes geschrieben: „Da es wie gewohnt nur einen Aufstiegsplatz gibt, können also alle schon anfangen zu lachen, wieder mal. Hertha 03 wird dieses Jahr wahrscheinlich wieder nicht aufsteigen.” Lustig, oder? Sieben Monate später, in denen Hertha 03 nur acht Punkte liegengelassen hat, steht das Team aus dem Berliner Südwesten mit sieben Punkten Vorsprung an der Spitze der Berlin-Liga.

Szumnarski ist mehr als zufrieden mit der Leistung seiner Truppe. „Es gibt Spieler bei uns, die sich seit Dezember überraschend gut entwickelt haben. Das sind Jungs, mit denen man erst gar nicht gerechnet hat, die im momentan sogar teilweise in der Startelf stehen.“ Die größte Stärke seiner Mannschaft ist, dass er nicht nur zielstrebige Jungs zu Verfügung hat, sondern auch ältere und erfahrene Spieler. „Sie wissen wie schnell es gehen kann“, sagt Szumnarski. „Verlierst du ein Spiel und alles sieht schon anders aus. Man darf sich nicht ausruhen auf dem Erfolg – sonst sind die sieben Punkte schneller weg als man denkt. Das wissen die Jungs auch.“ Dieser Pragmatismus war zum Beispiel nötig, als Hertha 03 spektakuläre Siege über Füchse Berlin und Staaken feierte (8:0 und 9:0).

Hertha 03 Zehlendorf ist im Angriff und in der Abwehr gleich stark

Es ist selten, dass eine Mannschaft gleichzeitig stark im Angriff und in der Abwehr ist. Auf Hertha 03 trifft das zu, das Team hat die meisten Tore geschossen und am wenigsten kassiert. Szumnarskis Meinung zu den vielen deutlichen Siegen ist interessant. „Das Leben wird dadurch nicht einfacher für uns. Die Mannschaften, gegen die wir spielen, probieren natürlich permanent, uns das Leben schwer zu machen und man freut sich eigentlich mehr über einen knappen 1:0 Sieg als über ein 9:0.“

Man kann mit relativ großer Sicherheit sagen, dass es am Sonntag eher kein 9:0 für Hertha 03 geben wird. Der Tabellenzweite SV Tasmania kommt zu Besuch an den Siebenendenweg - die einzige Mannschaft der Liga neben den Zehlendorfern, die in der Rückrunde noch ungeschlagen ist. Szumnarski freut sich riesig auf das Spiel. „Wir marschieren und Tasmania marschiert, keiner lässt irgendwo Punkte liegen. Tasmania muss gegen uns gewinnen, um sich eine kleine Chance zu erhalten. Ich wäre mit einem Unentschieden nicht unzufrieden, aber wir gehen in das Spiel, um es zu gewinnen.“

Die A-Jugend von Hertha 03 Zehlendorf spielt in der zweithöchsten Liga

Wenn Hertha 03 am Sonntag gewinnt, wären nur maximal elf weitere Punkte aus den verbleibenden sieben Spielen nötig, um den Aufstieg in der Oberliga zu sichern. Für die Zehlendorfer wäre das viel mehr als nur ein sportlicher Erfolg. Die A- und B-Jugendmannschaften spielen in der Regionalliga, der zweithöchsten Klasse Deutschlands. Die Männermannschaft hinkt diesem Standard aber seit Jahren als Sechstligist hinterher, wodurch die talentierten Jungs beim Sprung in den Erwachsenenbereich oft lieber Angebote aus der Ober- oder Regionalliga annehmen statt in der Berlin-Liga bei Hertha 03 weiterzuspielen.

„Über die letzten Jahre war es immer schwer, unsere junge Spieler zu behalten“, erklärt Szumnarski. „Ich hoffe, wenn wir diesen Schritt in die Oberliga schaffen, dass es dann besser wird. Wir wollen, dass die Ausbildung, die sie bei uns bekommen, den Verein auch weiterbringt.“ Um dieses Ziel zu erreichen, arbeitet er eng mit den unterschiedlichen Jugendtrainern zusammen. „Der Kontakt zum A-Jugendtrainer David Krecidlo ist hervorragend. „Wir reden zweimal die Woche und sprechen permanent über die Spieler, die fürs nächste Jahr in Frage kommen. Mein Vertrauen in David ist so groß, dass ich mich zu hundert Prozent auf seine Empfehlungen verlassen kann“

Insgesamt sieht die Zukunft für Hertha 03 also sehr positiv aus – erst Recht, wenn sie am Sonntag gegen Tasmania gewinnen. Ich glaube, an dieser Stelle sollte ich noch eine unkluge Vorhersage machen, damit ich mich in sieben Monaten nochmals zitieren kann. Es wird am Sonntag einen knappen 1:0 Sieg für die Herthaner geben – und darüber werden sie sich viel mehr freuen als über ein 9:0 oder ein 8:0.

Der Autor: Stephen Glennon kommt aus Irland, lebt seit 2005 in Berlin und ist Mitgründer des englischsprachigen Berliner Fußballmagazins „No Dice.  Für den Tagesspiegel schreibt Glennon immer freitags über den Berliner Fußball. Aktuelle Fotos und Spielberichte aus dem unterklassigen Berliner Fußball gibt es auch unter: www.facebook.com/NoDiceMagazine

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