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Kampf um den Klassenerhalt. Hertha BSC II, hier ein Bild aus dem Spiel gegen die Reserve des FC St. Pauli im Februar 2014.

© Ian Stenhouse/No Dice Magazine

Kolumne Berliner Fußball: Hertha BSC II und der Abstiegskrimi in der Regionalliga

In der Regionalliga Nordost kommt es an diesem Wochenende zu einem großen Abstiegskampf-Finale - mittendrin die Reservemannschaft von Hertha BSC und Babelsberg 03. Unser Kolumnist holt schon mal den Taschenrechner raus.

Ich liebe es, wenn Fußball sich mit anderen Fachrichtungen überschneidet. Fußball und Religion passen beispielsweise sehr gut zusammen. So wie Fußball und Philosophie. Und am kommenden Wochenende wird in der Regionalliga Nordost vor allem Mathematik gefragt sein.

Der Abstiegskampf wird an diesem letzten Spieltag äußerst spannend werden. Nur Optik Rathenow ist schon abgestiegen, aber es gibt noch vier weitere Mannschaften, die absteigen können – darunter auch die zweite Mannschaft von Hertha BSC. Und diese vier spielen am Samstag alle gegeneinander, wodurch jeder der bedrohten Klubs die Chance hat, sich mit einem Sieg aus eigener Kraft zu retten. Lok Leipzig, der Auswärts beim Hertha-Nachwuchs spielt, sind die einzigen, die gewinnen müssen. Gewinnen die Leipziger nicht, ist Hertha II gerettet und auch Babelsberg und Meuselwitz sind beide sicher, egal was in deren Spiel passiert.

Eine komplizierte Rechnung

Für Hertha II wird es vor allem dann gefährlich, wenn sie gegen Lok Leipzig verlieren und das Spiel Babelsberg gegen Meuselwitz gleichzeitig unentschieden endet. In dem Fall würden nämlich alle drei noch vorbeiziehen und die Berliner würden absteigen. Und richtig spannend wird's bei einem Sieg von Meuselwitz, dann müssten wir die Taschenrechner rausholen: Denn Hertha und Babelsberg wären dann punktgleich und momentan haben die Berliner ein besseres Torverhältnis von "nur" fünf Treffern. Im Extremfall könnten am Ende sogar beide mit dem exakt gleichen Punkt- und Torverhältnis dastehen. Und als ob das alles nicht kompliziert genug wäre, gibt es sogar die Möglichkeit, dass alle Mannschaften in der Liga blieben, egal was am Samstag passiert: Nämlich dann, wenn Meister TSG Neustrelitz die Relegation für die 3.Liga gegen Mainz II gewinnt.

Oha. Bevor es ernsthafte Kopfschmerzen gibt, sprechen wir lieber mal mit Zecke Neuendorf von der Hertha-Reserve: „Durch die schlechte Hinrunde, muss ich sagen, dass wir dieses Endspiel verdient haben,“ sagt die 39-jährige Hertha-Legende. Hertha BSC hatte bis Mitte November nur ein einziges Spiel gewonnen und es ist fast ein Wunder, dass die Mannschaft nicht schon längst abgestiegen ist. „Wir haben unser Team im Winter verstärkt,“ ist Neuendorfs Erklärung für die Steigerung. Vorher hätte man mit sehr vielen jungen Spielern antreten müssen, im Winter seien dann wichtige Leute wie Thiago Rockemback, Steve Müller, Jerome Kiesewetter und Omid Saberdest oder Langzeitverletzte wie z.B. Steve Breitkreuz zum Team gestoßen. "Es kamen Männer in die Mannschaft, sprich Spieler die Erfahrung hatten, und das hatten wir in de Hinrunde nicht gehabt", sagte Neuendorf.

Anspannung in der Kabine

Mit 39 ist Neuendorf fast 20 Jahre älter als viele der anderen Spieler im Kader und er sieht seine Rolle als viel mehr an als nur die eines Spielers. „Ich bin eine Unterstützung für die Trainer. Wenn du selbst auf dem Platz stehst, bist du näher an den Spielern dran. Ich habe deswegen einen anderen Zugang als ein Trainer oder Co-Trainer. Meine Rolle als Spieler ist nicht so wichtig wie die Aufgabe, den Jungs zu helfen. Ich bin eine Art großer Bruder.“ Das ist auch gerade nötig.

Es muss zwar schon einiges schlecht laufen, bis Hertha BSC II in die Oberliga geschickt wird, aber in den letzten sechs Wochen hat die Mannschaft nur einmal gewonnen. „Die Stimmung ist nicht so positiv wie noch vor zwei oder drei Wochen", meint Zecke. „Es gibt eine gewisse Anspannung in der Kabine, aber letztlich liegt es an uns, wo der Weg hingeht. Und das ist auch das, was Spaß macht.“

Der große Bruder Zecke kann den Jungs von Hertha BSC II offensichtlich viel beibringen. Und er wird sicher alles dafür tun, dass am Samstag kein Matheunterricht nötig wird.

Der Autor: Stephen Glennon kommt aus Irland, lebt seit 2005 in Berlin und ist Mitgründer des englischsprachigen Berliner Fußballmagazins „No Dice.  Für den Tagesspiegel schreibt Glennon immer freitags über den Berliner Fußball. Aktuelle Fotos und Spielberichte aus dem unterklassigen Berliner Fußball gibt es auch unter: www.facebook.com/NoDiceMagazine

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