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Die Potsdamerin Maren Mjelde (l) und Jennifer Cramer beim Spiel gegen die Nationalmannschaft Nordkoreas Ende August in Groß Kreutz in Brandenburg.

© dpa

Kolumne Berliner Fußball: Turbine Potsdam und der nimmermüde Herr Schröder

Am Wochenende startet die Frauen-Bundesliga, unser Kolumnist Stephen Glennon wirft deshalb mal einen Blick hinter die Stadtgrenze zu Turbine Potsdam. Dort hat Trainer-Urgestein Bernd Schröder auch nach 42 Jahren im Amt noch ehrgeizige Ziele.

Ich mache mir Sorgen um Jose Mourinho. Vor neun Jahren, als er zum ersten Mal Chef von Chelsea London wurde, sah er jung und frisch und gut aus. Ein attraktiver, charmanter Mann mit einem Gewinner-Lächeln. Zur Zeit sieht er aber nicht so aus. Es scheint logisch, dass neun Jahre von konstantem Druck, immer mehr Trophäen gewinnen zu müssen und immer wieder egozentrische Fußballspieler zu motivieren auch äußerliche Auswirkungen haben. Jetzt ist er grau, faltig und mürrisch. Mittlerweile mache ich mir auch um Pep Guardiola Sorgen. Letztes Jahr hat er Urlaub gemacht, kam aber viel grauer und magerer zurück. Klar, auch durch Deutschlernen kann man deutlich altern, aber ein gutes Zeichen ist das nicht. Ihm zuliebe hoffe ich, dass Bayern München dieses Jahr wieder alles gewinnt. Vielleicht wachsen dann sogar noch ein paar neue Haare auf seiner Glatze. So wie bei Jürgen Klopp.

Vor 42 Jahren, als Guardiola sechs Wochen alt war, wurde die Frauenmannschaft von Turbine Potsdam gegründet und Bernd Schröder übernahm den Posten des Trainers. Das war im März 1971 und Schröder ist heute noch im Amt (1992 wurde er Manager aber er wechselte 1997 zurück zur Trainerstelle). Jetzt ist er 71 Jahre alt, hat in den letzten zehn Jahren unfassbar viele Trophäen gewonnen – 6x Bundesliga, 3x DFB Pokal, 2x Champions League  – und sieht trotzdem nicht viel älter aus als der arme, gestresste Herr Mourinho.

„Der Erfolg von Turbine Potsdam hängt nicht von einer Person ab“, sagt Schröder, und vielleicht ist das ein Grund für seine Langlebigkeit. Er erklärt, dass die Strukturen und Mitarbeiter von Turbine viel wichtiger als der Trainer sind. Vor allem die Mannschaft sei wichtig und die sieht bei den Potsdamerinnen deutlich anders aus als die vom letzten Jahr.

Die Saison 2012/13 war für Turbine außergewöhnlich. Zum ersten Mal seit 2008 hat der Verein keine Trophäe gewonnen und Schröder weiß natürlich genau, woran es lag. „Wir haben letztes Jahr einfach nicht die Charaktere gehabt, die in entscheidenden Situationen zulegen können“, sagt er, und verweist auf das DFB Pokal Endspiel als Beispiel. Nach einem 0:3 Rückstand gegen den VfB Wolfsburg schoss Turbine zwar schnell zwei Tore. Doch obwohl noch eine halbe Stunde zu spielen war, wollte der Mannschaft nicht mehr der Anschlusstreffer gelingen. „Mir hat die eine oder andere Spielerin gefehlt, die die ganze Mannschaft hätte mitziehen können“, beklagt Schröder.

Und wenn Spieler fehlen, dann ist es auch in der Frauen-Bundesliga und bei Turbine Potsdam normal, dass neue verpflichtet werden. Julia Simic („eine Spielerin, die die Mannschaft führen kann“) und Lia Wälti („eine sensationelle Schweizer Nationalspielerin“) sind gekommen. Weitere Neuverpflichtungen waren vor allem deshalb nicht nötig, weil Turbine im letzten Jahr mit unheimlichem Verletzungspech zu kämpfen hatte. Gleich sechs Spielerinnen, inklusive Kapitänin Jenny Zietz und den Youngstern Johanna Elsig und Inka Weseley hatten Kreuzbandrisse. Die sind jetzt alle wieder fit und kampfbereit. „Wir hatten eine Mannschaft, die zu brav war und keine Leadertypen hatte“, sagt Schröder über die Turbine-Mannschaft vom letzten Jahr. Mit Simic und Zietz an Bord, ist das nicht mehr der Fall: „diese Mannschaft ist vielversprechender“, meint Schröder.

Doch auch Abgänge gehören dazu. Weltmeisterin Yuki Ogimi wechselte zu Chelsea. In Potsdam hat sie alles gewonnen, was sie gewinnen konnte und die Zeit war reif für eine neue Herausforderung. Doch die Spielerin, die Schröder am meisten vermissen werden dürfte ist die Torhüterin Alyssa Naeher, die aus persönlichen Gründen zurück in die USA ging.

Bei Turbine müssen hohe Ziele gesetzt werden. Mindestanforderung ist die Qualifikation für die Champions League 2015, dessen Endspiel in Berlin gespielt wird, und der Weg dorthin beginnt am Sonntag gegen Jena. „Das ist ein Ostderby und ich nehme dieses Spiel sehr ernst“, sagt Schröder. Doch es gibt noch einen anderen Weg, sich für die Champions League zu qualifizieren: als Titelverteidiger. Dort wird es für die Potsdamerinnen im Oktober gegen MTK Hungária ernst, schon im Achtelfinale droht allerdings ein Wiedersehen mit Olympique Lyon, Finalgegner von 2010 und 2011.

Es ist schon etwas merkwürdig, dass ein 71-jähriger für ein potentielles Spiel im Jahr 2015 plant. Aber Schröder denkt vor allem an die Zukunft von Turbine Potsdam, nicht an seine persönliche. Das wichtigste ist, dass die Chefstelle besetzt ist, von einem, der sie versteht. „Jemand muss das sagen haben. Im Moment bin ich das, aber irgendwann wird jemand anderes in der Lage sein, unsere Erfahrungen der letzten 42 Jahre weiterzuleben und die Struktur mitzunehmen“, erklärt Schröder.

Wegen dieser Ruhe und Zuversicht mache ich mir keine Sorgen um Bernd Schröder. Stress und Erfolg haben anscheinend keinen großen Einfluss auf ihn. Die Herren Mourinho und Guardiola sollten mal zuhören.

Der Autor: Stephen Glennon kommt aus Irland, lebt seit 2005 in Berlin und ist Mitgründer des englischsprachigen Berliner Fußballmagazins "No Dice".  Für den Tagesspiegel schreibt Glennon ab sofort immer freitags über den Berliner Fußball.

Weitere Bilder und Spielberichte von„No Dice” auf Facebook: https://www.facebook.com/NoDiceMagazine

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