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Entspannt und zufrieden. Unions Reserve ist gut in die neue Saison gestartet.

© No Dice Magazine

Kolumne Berliner Fußball: Hertha II - Union II: Kleine Revolution in der Regionalliga

Während Hertha BSC mit dem Aufstieg in die Bundesliga die Kräfteverhältnisse in der Hauptstadt wieder gerade gerückt hat, deutet sich bei den Reserveteams ein Machtwechsel an. Das kleine Derby gegen Union am Samstag birgt aber nicht nur deshalb viel Spannung.

Zweite Mannschaften sind ein bisschen wie Steuern. Keiner findet sie besonders toll, fast alle würden sie lieber abschaffen, nur weiß keiner so genau, was für ein System wir stattdessen haben könnten. Die Vorteile für die großen Profiklubs sind klar: Die Talente können in der wilden Regionalliga Erfahrung sammeln und sind dementsprechend besser für die Bundesliga vorbereitet. 

Für die Konkurrenten in den unteren Ligen bringt dies aber vor allem Nachteile. Die zweiten Mannschaften der großen Klubs (auch U23-Teams genannt, obwohl es Ausnahmeregelungen das Alter betreffend gibt)  können theoretisch ihre Profis in Anspruch nehmen – und machen das auch, vor allem wenn sie Spielpraxis nach einer Verletzung brauchen. Ist das Wettbewerbsverzerrung oder gerechtfertigte Verwendung von verfügbaren Ressourcen?

Für die Fans in den unteren Ligen ist es auch nicht besonders attraktiv, gegen zweite Mannschaften zu spielen. Die bringen keine oder sehr wenige eigene Fans mit und es gibt keine Stimmung oder richtige Rivalität. Wer will z.B. Stuttgart II oder Dortmund II sehen, wenn man ansonsten z.B. ein packendes Ostderby zwischen Magdeburg und Jena erleben könnte?

Aber was ist, wenn die zweiten Mannschaften von zwei großen Rivalen aufeinander treffen? So wie jetzt am Wochenende in Berlin? Am Samstag spielt Hertha BSC II gegen 1.FC Union II und der neuer Trainer der Union-Reserve, Robert Jaspert, ist im Vorfeld begeistert. „Es wäre falsch zu behaupten, dass es ein normales drei-Punkte-Spiel ist“, sagt der Coach. 

Großer Zuschauerzuspruch und hitzige Derby-Atmosphäre dürfen bei dem Duell im Stadion Lichterfelde (Anstoß 13.30 Uhr) allerdings nicht erwartet werden, weil die beiden Profimannschaften zeitgleich aktiv sind. Die Union-Fans werden in Köpenick beim Zweitligaspiel gegen St. Pauli sein und viele Herthaner werden im Zug nach Wolfsburg für das Bundesligaspiel gegen die Wölfe sitzen (Anstoß 15.30 Uhr).

Der Berliner Polizei kommt es vielleicht entgegen, dass so wenige Fans wie möglich für ein Spiel zwischen Lokalrivalen anwesend sind – so ist es einfach sicherer. Aber andererseits: Kommt schon! Endlich mal könnte bei einem Spiel zwischen Reserveteams tolle Stimmung sein und dann wird das durch die Terminplanung der Profimannschaften weitestgehend verhindert. Schade.

Union II ist gut in die Saison gestartet, Hertha II nicht

Dabei ist die Begegnung am Samstag besonders interessant, weil sich die traditionellen Machtrollen für Union und Hertha bei den Reserve-Teams gerade umgekehrt haben. Union II sitzt ungeschlagen auf Platz 2 der Tabelle, Hertha II ist sieglos und Vorletzter. Keiner hat mehr Tore geschossen als Union (elf in vier Spielen), nur Plauen hat mehr Tore kassiert als Hertha (10).

Der schlechte Start von Hertha II hat allerdings seine Gründe. Nach neun Jahren im Amt hat Karsten Heine seinen Posten als Trainer abgeben müssen. Er wurde durch Jörg Schwanke ersetzt. Außerdem sind die Jungs von der Alten Dame so jung wie noch nie. Die B-Jugend Mannschaft von Hertha verlor vergangenes Jahr knapp das Endspiel um die deutsche Meisterschaft – das 0:1 gegen Stuttgart war bitter, die Spiele insgesamt aber vielversprechend. Trotz des jungen Alters haben fünf der B-Jugendlichen den Sprung direkt in die zweite Männermannschaft geschafft. Dass es für den neuen Trainer und die neue Spieler eine gewisse Anpassungsphase geben muss, ist klar. 

Das gilt eigentlich auch für die Union-Jungs. „Es gibt große Unterschiede zwischen Jugend- und Männerfußball,“ sagt Trainer Jaspert, der nach einer Karriere im Ausland wieder in Berlin. Der 53-Jährige hat in Südkorea, Japan, Libanon, Iran und Liechtenstein trainiert und freut sich nun, wieder zu Hause zu sein. Vor allem auf die vielen Derbys: In der Regionalliga Nordost gibt es mit Viktoria, BAK und Babelsberg mehrere Rivalen aus der Region. Und natürlich die kleine Hertha. Solche Spiele sind „immer was Besonderes“ sagt Jaspert. 

Den überraschend guten Saisonstart seinen Mannschaft will er aber nicht überbewerten. „Ich äußere mich grundsätzlich nicht zu Tabellenständen“, sagt er. „Das ist nur eine Wasserstandsmeldung. Die Saison ist sehr lang und jede Nachwuchsmannschaft muss sich erst mal finden.“ 

Egal, was man über zweite Mannschaften denkt, Fakt ist, dass am Samstag einige der besten jungen Fußballspieler Berlins gegeneinander kicken werden. Die Möglichkeit, den nächsten Björn Jopek, Robert Huth oder Kevin-Prince Boateng zu sehen, wäre doch einen Besuch wert.

Der Autor: Stephen Glennon kommt aus Irland, lebt seit 2005 in Berlin und ist Mitgründer des englischsprachigen Berliner Fußballmagazins "No Dice".  Für den Tagesspiegel schreibt Glennon ab sofort immer freitags über den Berliner Fußball.

Weitere Bilder und Spielberichte von„No Dice” auf Facebook: https://www.facebook.com/NoDiceMagazine

Berlins Topspiel der Woche: Hertha BSC II – 1. FC Union II (Sonnabend, 31.8.2013, 13.30 Uhr im Stadion Lichterfelde).

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