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Echte Freunde stehen zusammen.

© Marc Besch

Lichterfelder FC: Spagat zwischen Leistung und Spaß

Soziales Engagement oder Talentschmiede, Breiten- oder Leistungssport? In der Jugendarbeit des Lichterfelder FC wird alles unter einen Hut gebracht. Nicht nur deswegen hat der Klub die wohl größte Jugendabteilung Deutschlands.

Nein, nicht Hertha BSC, auch kein anderer für gute Nachwuchsarbeitbekannter Bundesliga-Klub wie etwa der VfB Stuttgart oder Borussia Dortmund können von sich behaupten, die größte Jugendabteilung Deutschlands zu haben. Eine offizielle Erhebung gibt es zwar nicht, doch inoffiziell beansprucht diesen Titel schon länger der Lichterfelder FC 1892 (kurz LFC) aus Berlin für sich.

39 Juniorenmannschaften mit insgesamt über 800 Kindern und Jugendlichen spielen unter dem Vereinslogo des Südberliner Klubs, das ist in der Tat rekordverdächtig. Laut Jugendleiter Andreas Statkiewicz könnten es sogar noch einige mehr sein: "Wir haben zahlreiche Anfragen von Eltern und auch von Trainern, logistisch stoßen wir jedoch an unsere Grenzen". Limitierte Platz- und Hallenkapazitäten im Bezirk Steglitz-Zehlendorf sowie zu wenige Umkleidekabinen auf dem Vereinsgelände am Ostpreußendamm sind hier das Hauptproblem.

Der Andrang spricht für sich, doch was macht der Lichterfelder FC anders als andere Klubs? Die Profivereine in Deutschland setzen meistens schon bei den Jüngsten ausschließlich auf Leistung und haben daher oft nur zwei oder drei Teams pro Jahrgang. Andere Vereine machen in erster Linie Breitensport, versuchen also, Sport und Spaß für so viele Kinder wie möglich anzubieten, ohne dass dabei übergroßer Leistungsdruck oder Erfolgsambitionen im Vordergrund stehen.

In Lichterfelde versucht man, beides unter einen Hut zu bringen und fährt damit schon länger äußerst erfolgreich. So geht es einerseits in die Breite mit bis zu sieben Mannschaften pro Jahrgang, andererseits gehört die erste Mannschaft eines jeden Jahrgangs fast durchgehend zur Berliner Spitze. Mit der zweiten Herrenmannschaft in der Landesliga und der ersten in der Oberliga hat man zudem eine optimale Ausgangsposition, um die jungen Spieler an den Erwachsenenbereich heranzuführen. Kaum eine andere Mannschaft in der Oberliga kann auf so viele Spieler aus der eigenen Jugend verweisen, bei der Zweiten in der Landesliga sind es laut LFC-Vorsitzenden Olaf Fechner sogar 90 Prozent.

Die 1. C-Jugend des Lichterfelder FC ist frischgebackener NOFV-Meister im Futsal und nimmt am Bundesfinale in Bergkamen bei Dortmund teil.
Die 1. C-Jugend des Lichterfelder FC ist frischgebackener NOFV-Meister im Futsal und nimmt am Bundesfinale in Bergkamen bei Dortmund teil.

© Marc Besch

Der Grundstein für diesen starken Unterbau ist das große Engagement bei den Allerkleinsten. Das Projekt "Grashüpfer" lädt Kinder im Alter von drei bis fünf Jahren zu Spiel und Spaß ein. Nicht unbedingt Fußball, es geht vor allem um Bewegungsabläufe. "Wir wollen hier die Kinder in einer spielerischen Bewegungsschulung an Ball- und Teamsport heranführen", erklärt Statkiewicz das Konzept. Dazu werden ausschließlich ausgebildete Trainer eingesetzt, teilweise sogar Sportwissenschaftler, wie der 44-jährige Jugendleiter versichert. Zudem wurden teure Sportgeräte angeschafft, die Eltern zeigen sich begeistert.

Eine weitere Innovation der Lichterfelder Jugendarbeit ist die "Wilde Stunde" für Fünf- bis Achtjährige, bei der einmal pro Woche einfach nur gekickt wird, ohne dass eine Vereinsmitgliedschaft nötig ist oder sonst irgendein Zwang herrscht. Diese Offenheit ist laut Olaf Fechner der große Vorteil, weil Kinder so ganz unverbindlich ausprobieren können, ob Fußball die richtige Sportart für sie ist und ob es ihnen Spaß bringt. "Andere Vereine haben diese Idee inzwischen kopiert, weil sie so erfolgreich ist", so Jugendleiter Statkiewicz stolz. Für die Leistungsschiene haben diese Modelle den zusätzlichen Vorteil, dass Talente sehr früh erkannt und gefördert werden können.

Denn auch das ist der Lichterfelder FC: Nachwuchsschmiede für große Talente aus Berlin. Immer wieder werden erstklassig ausgebildete Jugendspieler aus Lichterfelde an die großen Berliner Vereine abgegeben. Alleine im letzten Jahr wechselten vier Jugendspieler zu Hertha BSC, darunter z.B. Felix Römer, der in der U-15 Nationalmannschaft schon die Kapitänsbinde trug und seit seinem fünften Lebensjahr bei den Lichterfeldern spielte. Auch Shervin Radjabali-Fardi, am letzten Wochenende für Alemannia Aachen gegen die Hertha im Einsatz, sowie Lars Vilsvik, der in der ersten Liga in Norwegen spielt, waren einst beim LFC. Überhaupt ist es oft eher der Verdienst von "Zuarbeitern" wie eben dem Lichterfelder FC, wenn große Klubs wie Hertha BSC Spieler der Marke "aus der eigenen Jugend" hervorbringen, da diese oft einen Großteil ihrer Ausbildung bei anderen Vereinen durchlaufen haben.

Dabei hat Hertha BSC es laut Andreas Statkiewicz sogar etwas verschlafen, mit den kleineren Klubs ausreichend zu kooperieren. "Es gibt andere Profivereine, die sich mehr bemühen" so der Jugendleiter. Der 1.FC Union zum Beispiel sei da im Umgang mit anderen Vereinen besser. "Mehr Absprache, mehr Rücksprache, mehr Zusammenarbeit".

In Lichterfelde fühlen sie sich wohl in der Rolle als Ausbildungsverein. Olaf Fechner findet es auch nicht schade, wenn immer wieder hochtalentierte Jungs den Klub verlassen. Im Gegenteil, schließlich will man die sportliche Entwicklung der Jugendlichen weiter fördern, was ab einem gewissen Punkt nur noch bei Vereinen geht, deren A- und B-Jugendmannschaften bereits in der jeweiligen Bundesliga spielen. "Man ist dann auch stolz, wenn einer es schafft", so der LFC-Vorsitzende, der selbst bereits sämtliche Altersklassen trainierte. Doch nicht immer ist es unbedingt ratsam, zu früh zu einem Profiklub zu wechseln. Die machen den jungen Leuten oft leere Versprechungen und holen sich willkürlich reihenweise Talente zusammen, von denen ein Großteil früher oder später durch das Sieb fällt. Außerdem, meint Fechner, bringe es vielen hochtalentierten Kindern für ihre weitere Entwicklung manchmal mehr, der absolute Superspieler einer Mannschaft zu sein, als anderswo in einem fremden Umfeld nur einer von Vielen.

Wie fast alles im Amateurfußball wird auch die Jugendabteilung des Lichterfelder FC größtenteils vom Engagement zahlreicher ehrenamtlicher Mitarbeiter getragen. Über 100 Trainer und Betreuer sind im Verein, doch lediglich vier Mitarbeiter sind hauptamtlich beschäftigt. Auch Eltern springen oft als Trainer ein oder legen Geld zusammen, um zusätzliche Trainingszeiten in mietbaren Sporthallen zu sichern. Vielleicht ist der Klub auch deshalb so erfolgreich, weil hier allen Eltern und Kindern signalisiert wird, dass es nicht nur um den Sport und Erfolg geht. Soziales Engagement, "die Kids von der Straße holen", mit ihnen auch mal was unternehmen: Dies sind Dinge, die beim LFC ebenso groß geschrieben werden. Auf der Vereins-Homepage ist ein Ehrenkodex (http://www.lfc-berlin.de/Trainer-und-Betreuer.191.0.html) für LFC-Trainer sowie ein umfassender Anleitungskatalog einsehbar.

"Spaß und Freude ist das Allerwichtigste", sagt der Vorsitzende des Klubs, der einerseits familiär, andererseits hochprofessionell rüberkommt. Und zeigt damit, dass auch mit diesem, dem harten Profigeschäft scheinbar widersprechenden Leit-Gedanken durchaus erfolgsorientiertes Arbeiten möglich ist.

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