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Sport: Präsident Kennedy

Nach einer Reihe politischer Niederlagen hat Frank Steffel im Sport eine Heimat gefunden – als Vorsitzender der Berliner Handball-Füchse

Der vergangene Sonntag war nicht schön, und der davor – bloß nicht dran denken! Vor zwei Wochen ist Frank Steffel als Direktkandidat bei der Bundestagswahl durchgefallen, und das im bürgerlichen Wahlkreis Reinickendorf, der für die bürgerliche CDU allen Umfragen zufolge schwer zu verlieren war. Eine Woche später, Berlin-Marathon: Nach 25 Kilometern verkrampft die Muskulatur im Oberschenkel. Steffel macht als Spaziergänger weiter und kommt nach 4 Stunden und 18 Minuten ins Ziel. „Eine indiskutable Zeit“, sagt er, „dabei war ich so gut vorbereitet. Aber den Erfolg kannst du nun mal nicht planen. Nicht im Sport und auch nicht in der Politik.“

Das ist die Erkenntnis des Sonntags, aber im Alltag plant Steffel sehr wohl den Erfolg. Den der Reinickendorfer Füchse. Seit vier Monaten ist er Klub-Präsident und einer von drei Gesellschaftern der ausgegliederten Handball-GmbH. Unter dem Namen Füchse Berlin soll bis 2007 der Sprung in die erste Bundesliga gelingen. In der zweiten Liga, sagt Steffel, „sind die Machtverhältnisse so, dass man den Aufstieg kaufen kann – na ja, fast kaufen kann“. Wenn er als Handball-Lobbyist mit potenziellen Sponsoren spricht, sagt er ihnen: „Hier habt ihr die Chance, bei der letzten Erfolgsgeschichte im Berliner Sport dabei zu sein.“ Im Fußball, Basketball und Eishockey ist Berlin schon erstklassig. Handball ist die letzte der vier Kernsportarten, in der eine Berliner Mannschaft es noch ganz nach oben schaffen kann. Und dann hält er noch einen Vortrag über die Verhältnismäßigkeit des finanziellen Aufwands: „Wenn ihr bei uns ein Jahres-Gehalt des Hertha-Spielers Marcelinho investiert, kommen wir damit schon fast in die erste Liga.“ Der Brasilianer Marcelinho soll bei Hertha knapp zwei Millionen Euro im Jahr verdienen.

Frank Steffel hat einmal mehr gewollt als die Präsidentschaft eines zweitklassigen Handballklubs. Vor vier Jahren trat er bei der Bürgermeisterwahl gegen Klaus Wowereit an. Es war eine Kandidatur unter Murphys Schirmherrschaft, was schief gehen konnte, ging schief. Steffel ließ sich auf ein desaströses Fernsehduell mit seinem Parteifreund Michel Friedman ein. Er wurde bei einem Wahlkampfauftritt auf dem Alexanderplatz fotografiert, wie er sich im Eier- und Tomatenhagel hinter Edmund Stoiber duckte. Heute sagt er, dass „dieses Foto täuscht, ich habe Stoiber mit beiden Händen gestützt und dann als Einziger in dieser feindseligen Atmosphäre eine Rede gehalten“. Egal, Frank Steffel fuhr das schlechteste Wahlergebnis der CDU ein, später verlor er auch noch seinen Posten als Fraktionschef, und mit dem Bundestag hat es nun auch nicht geklappt. Jetzt ist er 39 Jahre alt und präsidiert bei den Füchsen. Will hier ein Gescheiterter im Gespräch bleiben?

Diese Frage hat er erwartet. „Im Zweifelsfall schadet sich ein Politiker nur damit, wenn er so ein Ehrenamt übernimmt“, sagt Steffel. „Alles, was Sie da machen, wird erst mal in einen politischen Zusammenhang gebracht.“ Diese Lektion habe er in seinem Raumausstattungsunternehmen gelernt. „Was glauben Sie, was sich meine Mitarbeiter nach einer Wahl anhören müssen? Wenn die Kundengespräche führen, geht es um die politische Einstellung ihres Chefs, nicht um die Ware.“ Frank Steffel sagt, er halte nichts vom Repräsentieren. Sein Job sei das Kaufmännische, die Schaffung professioneller Strukturen und die Akquise von Sponsoren. „Egal, wie man zu mir steht: Man kennt mich in Berlin, und wenn ich im Vorzimmer eines Vorstandschefs anrufe, ist das was anderes, als wenn da einer sagt: ,Guten Tag, hier ist Bob Hanning von den Füchsen’.“

Bob Hanning ist 37 Jahre alt und der Motor des Füchse-Projekts. Er war schon Kotrainer der Nationalmannschaft, in der vergangenen Saison betreute er den Bundesligisten HSV Hamburg, und jetzt will er als Geschäftsführer der Füchse GmbH ausloten, ob Berlin bereit ist für die Handball-Bundesliga. Rein äußerlich bilden sie ein seltsames Duo, der kleine, kräftige Hanning und der große, vom Marathon-Training ausgezehrte Steffel. Sie haben sich im Mai kennen gelernt, am Tag, als der Deutsche Handball-Bund den Füchsen die Lizenz für die neue Saison verweigerte. Hanning schätzt an Steffel, „dass er nicht viel redet, sondern anpackt. Und er schaltet sein Handy nicht abends um zehn aus“. Arbeitsbesprechungen führen die beiden um Mitternacht bei einer Pizza. „Natürlich war mir der Frank über die politische Schiene ein Begriff“, sagt Hanning. „Aber die Füchse sind keine politische Veranstaltung, und Frank hat nie versucht, sie zu einer zu machen. Wollen Sie wissen, wer das Vorwort im Programmheft zu unserem ersten Saisonspiel geschrieben hat?“ Es war Klaus Wowereit.

Die Berliner CDU hat Frank Steffel vor vier Jahren als „Kennedy von der Spree“ in den Wahlkampf geschickt. Das war ein paar Nummern zu groß. Irgendein Werbestratege habe sich das ausgedacht, sagt Steffel und dass er keineswegs die Rolle eines Weltmannes habe spielen wollen. Im Gegenteil, er erfahre seine Erdung in Reinickendorf und sei stolz darauf.

Da ist die Firma an der Holzhauser Straße. Oder der Poloplatz des Frohnauer SC, wo Steffel früher Fußball gespielt und Jugendmannschaften betreut hat. Noch heute wohnt er in Frohnau. Für ein paar Monate ist er auch bei den Füchsen zum Handballtraining gegangen, „aber mein Oberkörper war nicht kräftig genug“. Nein, eine sportliche Kompetenz könne er daraus nicht ableiten, für den sportlichen Kram sei allein Bob Hanning zuständig, „ich gehe auch nicht zu den Jungs in die Kabine, das wäre ein schlechtes Zeichen“. Dieter Hoeneß habe ihm den Rat gegeben, die Kompetenzen auf der Führungsebene klar abzugrenzen. Ausgerechnet der allmächtige Manager Hoeneß, ohne den bei Hertha BSC auf so ziemlich allen Ebenen gar nichts geht.

In den Achtzigerjahren waren die Füchse im Handball mal das, was Hertha jetzt im Fußball ist. Gehobenes Bundesliganiveau, im Europapokal kamen sie bis ins Halbfinale. Dann stieg der Immobilienmakler Bendzko als Sponsor aus, und der Verein stürzte ab. Aus dieser Zeit haben die Füchse immer noch einen guten Namen, aber der zählte wenig, als im Frühjahr die Lizenz weg war. Frank Steffel winkt ab. Das mit der Lizenz sei kein Problem gewesen, „der Hauptverein hatte eine Frist überschritten, weil die Bowlingabteilung ihre Bilanz zu spät vorgelegt hatte und der Finanzprüfer keinen pünktlichen Status erstellen konnte“. Steffel fasst sich an den Kopf. „Das müssen Sie sich einmal vorstellen: Wegen geschätzter 3000 Euro Jahresumsatz der Bowlingspieler wollte man uns die Existenz nehmen.“

Nach der Lizenzerteilung nimmt das Projekt Füchse schnell Fahrt auf. Hanning und Steffel quartieren die Mannschaft in der Max- Schmeling-Halle ein, gewinnen eine Bank als Hauptsponsor, verpflichten den Nationalspieler Christian Rose und als Trainer den ägyptischen Nationalcoach Jörn-Uwe Lommel. In der vergangenen Saison spielten die Füchse vor 100 Zuschauern. Am vergangenen Mittwoch kamen 5300 in die Schmeling-Halle, um die neuen Füchse im Pokalspiel gegen den SC Magdeburg zu beobachten. Bob Hanning hat zu seinem Präsidenten gesagt: „Denk’ noch mal sechs Wochen zurück. Hättest du dir das vorstellen können?“

An diesem Abend ist sie zum Greifen nah, die Sehnsucht der Füchse nach Zugehörigkeit zum Kreis der Berliner Topklubs. Sie spielen in der Halle der Alba-Basketballer und haben die komplette Hertha-Mannschaft eingeladen, in der Halbzeit machen zwei Eishockeyspieler der Eisbären mit beim Siebenmeterwerfen. Frank Steffel verfolgt das Spiel von einem Stehplatz hinter dem Sprechertisch, um den Hals trägt er einen Plastikausweis, der ihm Zutritt zur Tribüne gewährt und zum VIP-Raum. Dass dieser Mann mehr ist als ein Lokalpolitiker auf Sportbesuch, nämlich der Präsident der Füchse, ist in Handballkreisen noch nicht allgegenwärtig. Manager Hanning trägt keinen Ausweis. Ihn kennt hier jeder.

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