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Glaubt an seine Spieler. Sozialarbeiter Akkas hat das Projekt initiiert.

© Hubschmid

Hallenfußball: Spiel der harten Jungs

In Kreuzberg soll kostenloser Hallenfußball die Jugendlichen von der Straße holen – und das Miteinander fördern. ,,Kreuzberg kickt“ heißt das Projekt, das Jugendlichen zwischen 16 und 22 Jahren einmal wöchentlich eine Halle zur Verfügung stellt.

Von Maris Hubschmid

Berlin - Der Angriff erfolgt von hinten, das Opfer hat keine Chance. Sven nimmt Ahmet den Ball ab und bringt ihn zu Fall. Der Schiedsrichter pfeift, die Jungen lachen. Sven hält Ahmet die Hand hin und hilft ihm wieder auf. Ein kurzes, gegenseitiges Schulterklopfen noch, dann wird weitergespielt. „Ist ja nur Spaß“, sagt Ahmet. Sven nickt.

Es ist Samstagabend, kurz nach halb sieben in der Reinhardswald-Grundschule in Kreuzberg. Rund 30 junge Männer haben sich hier in Trainingshosen zusammengefunden, unter ihnen Türken, Araber, Bosnier, Italiener und Deutsche. Sie tragen Trikots von Galatasaray Istanbul oder dem ägyptischen Erstligisten Ismaily SC, manche haben Bärte, andere noch echte Kindergesichter ohne jeden Flaum. Viele Unterschiede, aber auch viele Gemeinsamkeiten werden deutlich, als die Spieler sich anfangs im Mittelkreis versammeln. Sie alle leben im gleichen Stadtteil, sie mögen Fußball, sie haben nichts Besseres vor. Und sie kennen Murat Akkas, 27, Jugendbetreuer im Wrangelkiez.

„Kreuzberg kickt“ heißt das Projekt, das Jugendlichen zwischen 16 und 22 Jahren seit Mitte Februar einmal wöchentlich kostenlos eine Halle zur Verfügung stellt. 20 000 Euro pro Jahr investiert das Bezirksamt im Rahmen des Programms „Soziale Stadt“ in das Angebot, das vor allem eines soll: die Kids von der Straße holen. Und aus den Spielhallen, wo sie zunehmend ihre Zeit verbringen. „Erst verzocken sie ihr Geld, anschließend gehen sie nach draußen und suchen nach Möglichkeiten, es sich wieder zurückzuholen“, sagt Ralf Hirsch vom Quartiersmanagement. Unterstützt wird „Kreuzberg kickt“ vom Team des Rugby-Bundesligisten RK03 Weißensee, das einmal im Monat dabei ist. Doch nicht alle Jugendlichen in der Halle laufen Gefahr, abzurutschen: Der 21-jährige Mehmet etwa ist bei einer großen Elektrohandelskette in der Ausbildung, für die er regelmäßig in die Türkei reist. Er fühlt sich, wie er sagt, bereits bestens integriert.

„Mitgehn, mitgehn, mitgehn!“, brüllt einer der Rugbyspieler und meint den 18-jährigen Björn, schmal, dunkelhaarig und seit dem Hauptschulabschluss arbeitssuchend. Eben noch hat Björn erzählt, dass er mit dem System Schule schlecht zurechtgekommen sei, weil er sich nicht gerne sagen lasse, was er zu tun hat. Jetzt geht er mit. Akkas lächelt.

Kritische Anwohner bemängeln, es fehle dem Konzept an einem klaren erzieherischen Auftrag. Projektleiter Akkas hingegen, der als Kind türkischer Einwanderer selber in Kreuzberg aufgewachsen ist, glaubt an das Potential: „Sport ist enorm wichtig für Ausgeglichenheit und soziale Kompetenz.“ Dass von all den Ideen, die auf die Ausschreibung des Bezirksamts hin eingereicht wurden, der Hallenfußball den Zuschlag bekommen hat, hat einen einfachen Grund: Die Jugendlichen wollten es so. Akkas hat sie gefragt, Stimmen gesammelt. „Das Konzept muss denen zusagen, denen es zugute kommen soll“, sagt er. „Sonst bleibt es erfolglos.“

Die allgemein ablehnende Haltung gegenüber pädagogischen Maßnahmen, sie wird auch an diesem Abend deutlich. Als die Rugbyspieler zu Beginn Filmchen vorführen, von Patenschaft, klaren Regeln und einem fairen Miteinander reden, da herrscht merkliche Skepsis unter den Jugendlichen. Als die Präsentation dann aber zu Ende ist, gibt es höflichen Applaus. Und nach einem schweißreichen Turnier sagt Mikel, 18, der darauf hofft, bei der Bundeswehr zum Koch ausgebildet zu werden: „Ich freue mich auf nächstes Mal. Wenn die Rugbyspieler beim Fußball merken, wer die harten Jungs sind.“

„Kreuzberg kickt“ wird am Samstag offiziell eröffnet: 17-21 Uhr, Gneisenaustraße 73-74, www.kiezkicker-wassertor.de

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