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Wahl zum Sportler des Jahres: Füchse sind die Mannschaft des Jahres

Die Wahl zum Berlin-Sportler des Jahres ist entschieden. Die Füchse Berlin wurden zur Mannschaft des Jahres gewählt. Wer die anderen Sieger sind, erfahren Sie hier.

Mannschaft des Jahres: Füchse Berlin

Verwundert reiben sich die Konkurrenten beim Blick auf die Tabelle immer noch die Augen. Es geht bereits auf die Saisonhälfte zu, aber die Füchse-Handballer halten beharrlich den zweiten Platz. Einen derart steilen Aufstieg hatte den Berlinern in ihrer vierten Erstligasaison noch niemand zugetraut. Zwar glaubt kaum jemand ernsthaft daran, dass zum Ende der Saison tatsächlich eine Platzierung im Champions-League-Bereich herauskommen könnte, aber an der Qualifikation für den Europacup zweifelt niemand mehr.

"Willkommen zur Jagd" hatten die Füchse einst als ihr Motto ausgegeben, letztlich sorgten sie selbst mit Siegen gegen europäische Spitzenteams wie Kiel und Flensburg dafür, dass sie auf dem Weg dahin auf einen großen Rückhalt vertrauen können. In der Zuschauergunst stehen sie in der Bundesliga mit fast 8000 Fans pro Heimspiel an vierter Stelle. Das Team ist in der Stadt längst angekommen, beliebt im Osten und im Westen gleichermaßen. Die Füchse Berlin knüpfen damit an die Tradition des 1891 im Berliner Stadtteil Reinickendorf gegründeten Vereins an, der seit 1947 den Namen Reinickendorfer Füchse trägt und ab 1966 insgesamt 13 Jahre in der Bundesliga spielte.

Auch international war die Mannschaft in dieser Zeit erfolgreich, aber dennoch sind die heutigen Füchse mit denen von damals nur schwer vergleichbar. 1994 drohte den Handballern sogar das Aus durch Insolvenz. Dass sie heute wieder so beliebt und leistungsstark sind, ist die Erfolgsgeschichte der "Neuzeit". 2005 übernahm Bob Hanning die Aufgabe, einen Neuanfang einzuleiten. Ohne utopische Ziele zu verkünden, auf Ehrlichkeit bedacht, finanziell immer die schwarze Null vor Augen und den Nachwuchs als gleichermaßen wichtig betrachtend, schafften er und sein Team es, zuallererst Vertrauen zu gewinnen. So entwickelte sich eine Fan-Füchse-Berlin-Beziehung, die zwischen den etablierten Vereinen wie Hertha, Eisbären und Alba sehr schnell ihren Platz fand.

Es erwachte die Euphorie für den Handballsport neu, die mittlerweile selbst zum Leistungsfaktor geworden ist. Wenn es einmal bei den Füchsen nicht so gut läuft, dann sind es die Fans in der Schmeling-Halle, dem Fuchs-Bau, die ihr Team nach vorn treiben. Auch deshalb reiben sich die Konkurrenten verwundert die Augen. Der Tabellenplatz und die Begeisterung gehören bei den Füchsen Berlin zusammen. Hartmut Moheit

1 Füchse Berlin 37962 Eisbären Berlin 3482 3 BHC - Damen 2754 4 Hertha BSC 2574 5 ALBA BERLIN 2301 6 Goller/Ludwig 780 7 SCC Berlin 707 8 Spandau 04 667 9 Berlin Adler 598 10 OSC Eisladies 554
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Nach 23,95 Sekunden schlug Britta Steffen an. Zum Sieg reichte das nicht, nur zu Platz drei über 50 Meter Freistil. Aber was heißt schon: nur. Es war immerhin ihre vierte Medaille bei der Kurzbahn-Europameisterschaft im Schwimmen in Eindhoven. Viermal Edelmetall, damit konnte man nicht unbedingt rechnen. Sie hatte erst acht Wochen Training hinter sich, sie hatte vor allem eine 15-monatige Wettkampfpause zu bewältigen, dafür war diese Bilanz im November sehr gut. „Ich habe meine Grenzen aufgezeigt bekommen, aber ich bin sehr zufrieden. Ich bin wieder da“, sagte Steffen.

Sie war eigentlich nie wirklich weg, obwohl sie wegen verschiedener Krankheiten monatelang nicht ins Wasser konnte. Ihr Körper hatte sich eine Auszeit genommen, sie benötigte diese Pause. Es gab ein paar Leute aus ihrer Umgebung, die tuschelten, die sagten, sie komme eigentlich nur zurück, weil sie ihre lukrativen Sponsorenverträge erfüllen wolle. Das hat Britta Steffen, die Doppel-Olympiasiegerin, die Doppel-Weltmeisterin, sehr verletzt. „Ich liebe das Schwimmen“, sagt die 27-Jährige. So jemand instrumentalisiert nicht ihren Sport. Aber für die Masse ihrer Fans, da war sie nie wirklich weg. Die sehen nicht bloß den Sport-Star Steffen, die erkennen auch die Stärken des Menschen Steffen.

Sie schreibt bereitwillig Autogramme, wenn sie nicht gerade hochkonzentriert in der Wettkampfvorbereitung steckt, sie ist nicht zickig, sie schaut jedem Gesprächspartner direkt ins Gesicht, sie sagt, sie hasse Lügen. Die Studentin engagiert sich seit Jahren für benachteiligte Kinder, und im November besuchte sie Europas größten Gnadenhof für Tiere in der Nähe von Salzburg. Sie verließ ihn als Patin für ein Hängebauchschwein. Das alles verschweigt sie nicht, sie geht damit aber auch nicht hausieren, das schätzen ihre Fans. Nur ihre Liebe zu dem Weltklasse-Schwimmer Paul Biedermann hat sie einmal ein bisschen sehr inszeniert, aber geschadet hat ihr das nicht. Ein bisschen gekünstelte Romantik, das verzeiht man ihr gerne. Frank Bachner

1 Steffen, Britta 3535 2 Keller, Natascha 2883 3 Schöneborn, Lena 2584 4 Wolf, Jenny 2117 5 Schulte, Daniela 2077 6 Brandt, Dorothea 1260 7 Subschinski, Nora 963 8 Katzy, Lara 753 9 Mattscherodt, Katrin 721 10 Schenk, Juliane 573

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Patrick Hausding hat ein lebensgroßes Poster von sich in seinem Wohnzimmer. Das klingt ein bisschen affig, das klingt, als würde er sich ständig vor sich selbst verneigen. Aber Patrick Hausding erinnert sich vor allem früher, wenn sich anstarrt. Da war er zu dünn, der Oberkörper war zu schmächtig, die Beine waren zu lang. Nichts deutete darauf hin, dass dieser Schlaks  mal ein Wasserspringer würde, der die Fachwelt begeistert. Oder, anders gesagt, eine Leistung bietet, die er wechselweise als „krass“ oder als „unmenschlich“ bezeichnet. Der 21-Jährige gewann bei der Schwimm-Europameisterschaft 2010 in Budapest in allen fünf Disziplinen eine Medaille. Das hatte noch nie jemand geschafft.

Es gibt eigentlich nur Weltklassespringer vom Brett oder vom Turm, aber beides, das gibt es normalerweise nicht. Die speziellen Anforderungen für Turm und Brett sind viel zu verschieden. Hausding ist 1,80 Meter groß, zu groß eigentlich für schnelle Drehungen, aber er gleicht das aus mit enormer Sprungkraft und sehr guter Technik. „Wie eine Katze, die man aus dem Fenster wirft“, so beschreibt Lutz Buschkow, Sportdirektor und Wassersprung-Experte des Deutschen Schwimmverbands (DSV), die Auftritte von Hausding. Eine Katze, wichtiges Stichwort. Eine Katze fällt immer auf die Füße, sie fällt richtig, heißt das. „Den Patrick kann man mit verbundenen Augen vom Turm stoßen, der weiß immer, wo oben und unten ist“, sagt Buschkow.

Naja, sagt Hausding dann, irgendwie stimmt das schon. Angst jedenfalls, die hat er nur vor „Bienen, Wespen und Mücken“. Wer im falschen Winkel ins Wasser taucht, der hat das Gefühl, dass er gegen eine Betonwand prallt. Bei 20 Meter Höhe würde allerdings selbst Hausding abwinken. Zu hoch. Schon wenn er einmal im Jahr aus Gaudi in der Halle an der Landsberger Allee kurz unterm Hallendach ins Wasser springt, 16 Meter Höhe sind das, da geht ihm ganz schön „die Flatter“. Groß honoriert wird das nicht. Sponsoren interessieren sich nicht für Wasserspringer, fürs Finanzielle ist deshalb vor allem die Bundeswehr zuständig.  Patrick Hausding ist seit ein paar Monaten Sportsoldat. Frank Bachner

1 Hausding, Patrick 2946 2 Harting, Robert 2054 3 Schlangen, Carsten 1778 4 Häner, Martin 1741 5 Grunenberg, Niels 871 6 Huck, Marco 862 7 Sauer, Martin 741 8 Senska, Pierre 740 9 Borrmann, Delf 716 10 Förstemann, Robert 427... Abraham, Arthur 0*

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Als ihm neulich ein Millionenpublikum in der Ringecke wieder einmal zuhören konnte, war es irgendwie anders. Sein Vorzeigeboxer Arthur Abraham verweigerte ihm, seinem Boxtrainer, die Gefolgschaft. Abraham tat nichts im Boxring von Helsinki, was so ziemlich das Gegenteil vom dem war, was sein Trainer von ihm gefordert hatte. Ulli Wegner hatte  es in jeder Rundenpause mit einer anderen Masche probiert, seinen bockenden Boxer aus der Reserve zu locken. Erst kläffte er: „Was du machen sollst, macht der.“ Dann stauchte er ihn zusammen: „Hör auf mit dem Scheiß. Der lacht sich halbtot über dich“. Schließlich packte er seinen überaus stolzen Schützling bei der Ehre: „Wovor hast du denn Angst? Du bist feige!“

Man kennt die vom Fernsehen eingefangenen kurzen Rundenmonologe Wegners seit Jahren. Sie sind inzwischen legendär. Aber so etwas? Es half nichts. Abraham ging wehrlos unter. Und Wegner tat etwas, was er so noch nie gemacht hat. Er kritisierte öffentlichen seinen Boxer. Abraham „sollte sich selbst hinterfragen, warum solche Leistungen zustande kommen“. Und: „Ich habe ihn lange genug gewarnt.“

Hans-Ullrich „Ulli“ Wegner, Jahrgang 1942, Berlins neuer Trainer des Jahres, kann auch anders. Er darf anders. Erfolg begleitet sein Wirken. Er hat zahlreiche Athleten zu olympischen Ehren geführt. Seit 15 Jahren ist er bei den Profis tätig. Hier hat er Sven Ottke, Markus Beyer oder eben Abraham zu Champions geformt. Er ist ein Meister in Sachen Taktik und Trainingslehre. Vor allem aber vereint er zwei gegensätzliche Wesenszüge auf sich: das Väterliche und das Diktatorische. Wegner hat ein untrügliches Gespür dafür, wann er welchem Wesenszug den Vortritt lässt.

Kaum ein Verhältnis ist enger als das zwischen einem Boxer und seinem Trainer. Es verlangt Strenge in der Schinderei und Seelenpflege in der Zeit davor und danach. „Ich möchte meinen Jungs auch für die Zeit nach dem Boxen was mit auf dem Weg geben“, hat Wegner einmal erzählt. Und Arthur Abraham, der sagte mal: „Herr Wegner ist immer für uns Boxer da. Er kennt jeden Trick, kennt jede Laune und lässt dir keine Chance, dich rauszureden.“ Das war lange vor der Niederlage. Nun steht der Boxer am Scheideweg. Für den Fall, dass Abraham aus der Niederlage lernen und als Boxer noch einmal angreifen möchte, benötigt er die Kraft der Einsicht. Abraham hat plötzlich seine Kandidatur zur Wahl des Sportler des Jahres zurückgezogen. Vermutlich ist es ihm zu peinlich. Es hätte ihm aber auch sein Trainer zuflüstern können. Was ein guter Trainer so macht. Michael Rosentritt
1 Wegner, Ulli 4413 2 Sigurdsson, Dagur 3771 3 Babbel, Markus 3600 4 Pavicevic, Luka 1276 5 Lee, Peter John 1086 6 Kretzschmar, Jan 952 7 Ulm, Matthias 881 8 Deutsch, Peter 838 9 Warnatzsch, Norbert 466 10 Goldmann, Werner 449

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