zum Hauptinhalt
Diktator der Rennbahn. Bernie Ecclestone kontrolliert die Formel 1 seit fast vier Jahrzehnten.

© Imago

Bernie Ecclestone: Hausmeister vor der Pensionierung

Prozess und Machtbeschneidung: Der Zerfall des Formel-1-Reichs von Bernie Ecclestone ist wieder einen Schritt näher gerückt. Wie lange kann sich der 83-Jährige noch halten?

Von

Die eigentliche Nachricht kam nach der Nachricht. Die Investmentfirma CVC, Mehrheitseigner der Formel 1, veröffentlichte am Donnerstag eine Mitteilung. Bernie Ecclestone leite weiter das Tagesgeschäft, hieß es da, habe aber seinen Vorstandsposten in der Formel-1-Dachgesellschaft abgegeben und sei damit nicht mehr zeichnungsberechtigt für langfristige Verträge. Seine Arbeit stehe zudem unter erhöhter Überwachung. Machtbeschneidung und Kontrolle für den Mann, der die Formel 1 fast vier Jahrzehnte lang als Alleinherrscher regiert hat? Das ist die erste echte Konsequenz der Schmiergeldaffäre um den Formel-1-Chefvermarkter. Die Botschaft ist klar: Kurzfristig kann man noch nicht auf Bernie Ecclestone verzichten. Mittelfristig muss man es.

Dem Bulletin vorausgegangen war die erwartete Nachricht, dass Bernie Ecclestone vor Gericht muss. Wegen Bestechung und Anstiftung zur Untreue in einem besonders schweren Fall muss er sich vor dem Landgericht München I verantworten, der Prozess soll Ende April beginnen. Der Zerfall des Formel-1-Reichs des 83-Jährigen ist wieder einen Schritt näher gerückt.

Zwar beteuerte Ecclestone in der CVC-Vorstandssitzung einmal mehr seine Unschuld. Doch die Münchner Staatsanwaltschaft ist überzeugt, dass er beim Verkauf der Formel-1-Anteile der BayernLB im Jahr 2006 dem zuständigen Bankvorstand Gerhard Gribkowsky 44 Millionen Dollar Bestechungsgeld gezahlt hat. Damit habe Ecclestone erreichen wollen, dass Gribkowsky die Formel 1 an seinen Wunschinvestor CVC und nicht an den Meistbietenden verkauft, um die Macht zu behalten. Ein interessanter Punkt in der Anklageschrift: Gribkowski habe damals persönlich einen großen Teil der Provision für Ecclestone bei der BayernLB selbst besorgt – 41 Millionen, also fast den kompletten Betrag, der dann an ihn zurückfloss. Die BayernLB ließ sich offenbar mit ihrem eigenen Geld ausbooten. Gribkowsky wurde wegen der Annahme des Geldes 2012 zu achteinhalb Jahren Gefängnis verurteilt.

Nun muss sich auch Ecclestone, einer der mächtigsten Männer im Weltsport, wegen der Affäre verantworten – und die Formel 1 schweigt dazu. Die Teams verzichten auf offizielle Stellungnahmen, auch der Automobil-Weltverband Fia hält eine Äußerung nicht für nötig. Das belegt vor allem die Macht, die Ecclestone in der Formel 1 noch immer hat. Er ist der Hausmeister, der alle Schlüssel hat. Im Geflecht unzähliger Tochtergesellschaften blickt nur er durch, einen Stellvertreter oder potenziellen Nachfolger gibt es nicht. Dazu hängen vor allem die kleinen Teams seit Jahren an seinem Tropf, mit kleinen Sonderzahlungen wie unlängst bei Williams hält er sie sich gefügig. Auch das Weltmeisterteam Red Bull gehört zu den Verbündeten des Briten, weil er ihm in Streitfragen meist eher beisteht als etwa die Fia. So meint denn auch Red Bulls Motorsport-Koordinator Helmut Marko: „Es gilt die Unschuldsvermutung. Bis zu einem Urteil können drei bis vier Jahre vergehen. Das sind natürlich keine lustigen Umstände, aber bis zu einem Urteil bleibt er unser Ansprechpartner.“

Andere schweigen womöglich, weil Ecclestone ein paar pikante interne Details kennt. Welcher Weltkonzern würde sich von ihm schon gern in der Öffentlichkeit vorführen lassen? Zwar möchte zumindest Mercedes Ecclestone schon seit längerem loswerden, dennoch suchte man in Stuttgart am Donnerstag erst einmal lange nach einer Sprachregelung. Übrigens nicht beim Formel-1-Team, sondern deutlich weiter oben, in der Konzerns-Presseabteilung selbst. Das zeigt die Tragweite der Affäre. Schließlich hat man sich bei Daimler selbst strikte Compliance-Regelungen auferlegt. Um vor diesem Hintergrund eine weitere Zusammenarbeit mit Ecclestone zu erklären, ist sorgfältige Wortfeilerei notwendig. Am Freitag teilte Daimler schließlich mit, man begrüße Ecclestones Rückzug von seinem Direktorenposten im Vorstand der Formel-1-Holding.

Und so schnell gibt Bernie Ecclestone auch nicht auf. Bis jetzt hat er es stets geschafft, sich durch geschickte Vernetzungen und Deals aus allen kritischen Situationen zu befreien. Dass er das auch diesmal wieder versucht, ist offensichtlich. Niemand sollte glauben, dass plötzlich wieder akute Kaufpläne für den insolventen Nürburgring rein zufällig praktisch zeitgleich mit der Ankündigung des Prozesses aus München publik wurden. So will er wohl gute Stimmung in Deutschland erzeugen, vielleicht sogar die Politik hinter sich bringen – und den rettenden Deal einfädeln.

Auch intern kämpft der Überlebenskünstler weiter. „Wenn sie mich ins Gefängnis sperren, dann wird CVC wohl nichts anderes übrig bleiben, als mich zu entlassen“, sagte er im vergangenen Jahr. Hinter den Worten wird sein Kalkül erkennbar: Wenn er – vielleicht mit einer hohen Zahlung – um eine Gefängnisstrafe herumkäme, könnte er für die Formel 1 weiter tragbar sein. Doch CVC machte bereits deutlich, dass ein Schuldspruch auch ohne Haftstrafe sein Ende in der Formel 1 bedeuten würde. „Sollte bewiesen werden, dass Herr Ecclestone sich eines kriminellen Vergehens schuldig gemacht hat, würden wir ihn feuern“, erklärte CVC-Mitgründer Donald McKenzie.

Zum Prozess hat die Staatsanwaltschaft laut „SZ“ gleich 39 teils prominente Zeugen geladen, darunter auch Ex-Daimler-Vorstand Jürgen Hubbert und den ehemaligen bayerischen Finanzminister Kurt Faltlhauser. Während der Urteilsverkündung im Gribkowski-Verfahren hatte der Vorsitzende Richter Peter Noll bereits gesagt, Ecclestone habe den Banker „ins Verbrechen geführt“. Auch den Prozess gegen Ecclestone wird Nolls Strafkammer führen. Es wird der schwerste Fall des Entfesslungskünstlers der Formel 1.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false