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Sport: Besser mit Puffer

Vettel sichert sich die Poleposition in Hockenheim und etwas Abstand zum Rivalen aus dem eigenen Team

Von Christian Hönicke

Ein Röhren ging durchs Motodrom. Sebastian Vettel reckte seinen Finger aus dem Cockpit, immer wieder, dann stieg er aus und jubelte seinen Fans unter den vielen Tausenden auf dem Hockenheimring zu. Der Formel-1-Vizeweltmeister hatte sich gerade in letzter Sekunde die Poleposition für den Großen Preis von Deutschland gesichert, um zwei Tausendstelsekunden. „Das ist praktisch nichts – es wäre interessant, auszurechnen, wie viel zwei Tausendstel in Zentimetern sind“, sagte Vettel mit einem glücklichen Lächeln auf den Lippen. „Ich bin über die Linie gefahren und habe gebetet: Bittebittebitte, lass es genug sein! Als ich den Funkspruch vom Team bekommen habe, war ich unglaublich erleichtert.“ Ähnliche Erleichterung dürfte dem Heppenheimer die Tatsache bereitet haben, dass hinter ihm Fernando Alonso und Felipe Massa starten werden. Das überraschend starke Ferrari-Duo schob sich noch zwischen Vettel und dessen viertplatzierten Teamkollegen Mark Webber. Derzeit ist es vielleicht besser für die beiden Red-Bull-Piloten, einen Puffer zwischen sich zu haben.

Seitdem der interne Streit beim Rennen in Silverstone eskalierte, weil Webber Vettel auf Druck der Teamleitung seinen Frontflügel abtreten musste, herrscht dicke Luft im Hause des Getränkelieferanten. Vor dem heutigen Grand Prix (14 Uhr/live bei RTL und Sky) war der Zoff zwischen dem Australier Webber und dem Deutschen Vettel der Running Gag der Formel 1. Mercedes-Pilot Nico Rosberg etwa hatte sich im Freien Training seinen Frontflügel beschädigt und wurde gefragt, ob er einen neuen bekommen hätte. „Nee, ich habe Michaels genommen!“, schoss es aus ihm heraus und er lachte noch Minuten später darüber.

Dieser Michael, sein Teamkollege Schumacher nämlich, hatte tags zuvor die Red-Bull-Klamotte aus nächster Nähe erleben dürfen: Auf der Pressekonferenz musste er als Puffer zwischen den beiden Parteien sitzen. Vettel hatte mit einem seiner typischen Bonmots zu Beginn versucht, die Sache herunterzuspielen: „Ist doch nicht viel passiert, wir verkaufen immer noch Getränkedosen.“ Webber blieb sachlicher: „Es war kein großes Drama. Ich habe kein Problem mit Sebastian, er hat mir gegenüber in Silverstone nichts falsch gemacht.“ Das ist die offizielle Version – in britischen Medien wurde Webber damit zitiert, nun werde es „ungemütlich“ zwischen Vettel und ihm. In jedem Fall habe er ein paar Diskussionen mit Teamchef Christian Horner gehabt. Inzwischen hätten sich beide ausgesprochen, sagte Webber. Horner habe ihm erklärt, dass er nach dem Flügeldefekt bei Vettel den einzigen verbliebenen Windabweiser eben an das in der WM höher platzierte Auto schrauben ließ, unabhängig vom Fahrer. „Leider wurde ich aufgehalten, und diese Entscheidung ist nicht klar genug auch an Mark kommuniziert worden“, sagte Horner. Sollte so eine Entscheidung unter den gleichen Umständen noch einmal getroffen werden müssen, würde nun Webber den Zuschlag bekommen, da er nun im WM-Titelrennen vor Vettel liege. Es sei ihm völlig egal, ob am Ende „der Australier oder der Deutsche“ gewinne: „Hauptsache, er sitzt in einem Red Bull.“

In Hockenheim erklärte Webber nun, sein bissiger Kommentar („Nicht schlecht für einen Nummer-zwei-Fahrer“) über den Boxenfunk nach seinem Sieg in Silverstone sei „in der Hitze des Augenblicks“ entstanden. Beide Fahrer würden vom Team „sehr gleich behandelt“.

Auch Michael Schumacher hatte sich bemüht, seine Sitznachbarn sehr gleich zu behandeln. Er musste wie ein Kind zwischen den zerstrittenen Eltern Botschaften überbringen. Erst beugte sich Vettel zu ihm, man flüsterte und lachte, ein paar Sekunden später lehnte sich Mark Webber hinüber, man flüsterte und lachte. Das Paar selbst würdigte sich keines Blickes. Allen Aussprachen, warmen Worten und anberaumten Versöhnungspartys zum Trotz wurde klar: Der Riss im Rennstall der WM-Favoriten ist nur notdürftig gekittet. Die Geschichte der Formel 1 lehrt, dass er schon bei der nächsten Kleinigkeit wieder aufbrechen wird. Schon öfter hatte Webber anklingen lassen, dass er sich von Red Bull gegenüber dem hauseigenen Talent Vettel benachteiligt fühlt. „Wir haben hier die gleichen Autos“, sagte Vettel gestern, „aber man kann immer etwas finden, wenn man etwas finden will.“

Bei McLaren gipfelte der Wettstreit zwischen Lewis Hamilton und Fernando Alonso 2007 darin, dass McLaren den sicher geglaubten Titel verlor und Fernando Alonso den Rennstall verließ, weil er sich chronisch benachteiligt fühlte. Mark Webber und Sebastian Vettel müssen es zumindest noch eine halbe Saison nebeneinander aushalten. Es ist also noch Zeit genug für jede Menge Flügelwitze.

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