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Exzellente Referenzen besitzt Thomas Kraft auch im Kerngeschäft, dem Bälleabwehren. Die Anhänger des Vereins haben den 23-Jährigen sogar auf Anhieb zum „Herthaner der Hinrunde“ gewählt.

© dpa

Bester Torwart seit Kiraly: Thomas Kraft: Herthas Halt

Thomas Kraft ist Herthas unumstrittene Nummer eins im Tor. Der 23-Jährige ist der beste Transfer der vergangenen Jahre – Uli Hoeneß machte ihn unfreiwillig möglich.

In der vergangenen Woche sah sich Thomas Kraft mit einem seltsamen Ansinnen konfrontiert. Ob er nicht zum 60. Geburtstag von Uli Hoeneß ein paar Worte sagen könne, wurde er von einem Boulevardreporter gefragt. Der Torhüter von Hertha BSC machte ein Gesicht, als wäre ihm gerade eröffnet worden, dass die Erde doch eine Scheibe ist. Kraft sagte natürlich – nichts.

Es ist ja bekannt, dass Uli Hoeneß sich für einen großen Menschenfreund hält, aber wenn der Präsident des FC Bayern München sich einmal in Rage redet, nimmt er auch Kollateralschäden billigend in Kauf. So war es, als er Louis van Gaal zu attackieren meinte – und Thomas Kraft traf. Mit van Gaals Entscheidung, den Nachwuchstorhüter zur Nummer eins bei den Bayern zu machen, „ging die Scheiße los, auf gut Deutsch gesagt“, ätzte Hoeneß. Thomas Kraft hat diesen Satz sehr persönlich genommen.

Am Sonntag ist der Torhüter mit Hertha in der Türkei gelandet. Wintertrainingslager oder die Wiederkehr des Immergleichen. Für Kraft aber wird kein Wintertrainingslager mehr so sein wie das vor einem Jahr in Katar. Es war am zweiten Tag, als van Gaal ihn in Doha auf sein Zimmer bestellte, um ihm kurz und bündig mitzuteilen: „Ich gratuliere Ihnen! Sie sind meine neue Nummer eins.“ Als Kraft vor einer Woche mit seinen besten Freunden Silvester gefeiert hat, hat er sich noch einmal an diesen Moment erinnert, der sein erstes richtiges Jahr als Profi eingeleitet hat. Dass kurz darauf mit van Gaal bei den Bayern im Grunde auch Thomas Kraft entsorgt wurde, war für den jungen Torhüter eine überaus schmerzliche Erfahrung. Für Hertha BSC aber war es ein Glücksfall.

Michael Skibbe ist erst seit ein paar Tagen Trainer des Berliner Bundesligisten, aber seine ersten Eindrücke haben gereicht, um Manager Michael Preetz und seinem Vorgänger Markus Babbel ein großes Lob auszusprechen. Dass sie Kraft zu Hertha geholt haben, sei eine „tolle Entscheidung“ gewesen. Der Torhüter hat von allen Transfers des Sommers eindeutig den besten Eindruck hinterlassen, die Anhänger des Vereins haben ihn sogar auf Anhieb zum „Herthaner der Hinrunde“ gewählt, und seit Gabor Kiraly hat es bei Hertha keinen Torhüter mehr gegeben, der derart unumstritten war wie Thomas Kraft. Er selbst sagt dazu, er sei zufrieden mit seiner Hinrunde, „aber ich hatte mir eigentlich vorgenommen, teilweise noch ein bisschen besser zu sein“.

Kraft strahlt große Selbstsicherheit aus

Das hört sich fast ein bisschen vermessen für einen 23-Jährigen an, weil man lange suchen muss, um Kraft einen gravierenden Fehler nachweisen zu können. Aber darum geht es ihm gar nicht. „Es hat auch nichts damit zu tun, dass ich Fehler suche“, sagt Kraft. Es sind Kleinigkeiten, die ihn beschäftigen, ein schlecht gespielter Ball zum Mitspieler etwa oder „wenn ich mich erwische, dass ich zu wenig spreche“. In Belek, auf dem Trainingsplatz direkt neben dem Mannschaftshotel, sind Krafts Kommandos gut zu hören: „Lauf ihn an!“, „Jetzt raus!“, „Da fehlt einer!“

Thomas Kraft strahlt eine große Selbstsicherheit aus, vor allem wenn man bedenkt, was er im vergangenen Jahr erlebt hat. Er war 22, als er beim FC Bayern unverschuldet zum Politikum wurde und in die Mühlen eines erbitterten Machtkampfes geriet. „Ich bin durch diese Turbulenzen als Persönlichkeit gewachsen“, sagt Kraft heute. „Meine eigene Sicherheit wird immer größer.“

Diese Einschätzung passt zu dem Bild, das Herthas Manager in den Vertragsverhandlungen von ihm gewonnen hat. „Wir hatten in den Gesprächen sehr schnell den Eindruck, dass er sehr ruhig ist, sehr abgeklärt“, sagt Preetz. „Die Situation im vergangenen Jahr war weiß Gott nicht einfach, aber er hat das prima gehandhabt.“

Auch auf dem Platz hat Thomas Kraft sich allerdings umstellen müssen. Er spielt jetzt nicht mehr beim größten Verein Deutschlands, der es gewohnt ist, seinen Gegnern den eigenen Willen aufzuzwingen; Hertha nimmt als Aufsteiger eine eher abwartende Rolle ein und sieht sich ungleich stärker in der Defensive beschäftigt. Bei den Bayern, im Ballbesitzfußball des Holländers van Gaal, sollte Kraft seine Rolle des Torhüters wie ein elfter Feldspieler interpretieren, bei Hertha wird das Spiel des Torhüters etwas stärker auf dessen Kernkompetenz reduziert: das Bällehalten.

Thomas Kraft besitzt auch in dieser Disziplin exzellente Referenzen. Aus der Hinrunde mit den Berlinern sind vor allem einige glänzende Reflexe von ihm in Erinnerung geblieben. Um seine Stellung bei Hertha BSC muss der immer noch junge Torhüter sich jedenfalls keine Sorgen machen. Michael Skibbe wurde am Sonntag gefragt, ob Kraft auch in der Rückrunde Herthas Nummer eins sei. „Ja“, antwortete der 46 Jahre alte Trainer. Einfach nur ja. Manchmal ist jedes weitere Wort schlicht überflüssig.

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