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Sport: Bewegender Fußball

Spielfreudige Russen besiegen Schweden 2:0 und treffen nun im Viertelfinale auf die Niederlande

Es war kurz vor halb zehn gestern Abend im Innsbrucker Tivolistadion, da stand den elf schwedischen Spielern plötzlich nur noch der russische Torhüter gegenüber. Seine Kollegen Feldspieler waren allesamt zur Bank gerannt, sie feierten ihr Tor zum 1:0 und wollten gar nicht mehr aufhören. So wichtig war dieses Tor, denn sie mussten ja gewinnen, den Schweden hätte ein Unentschieden gereicht. Erst nach einem energischen Wink von Trainer Guus Hiddink liefen die Russen zurück auf den Rasen und vollendeten ihr Tagwerk vor 30 772 Zuschauern zu einem 2:0 (1:0)-Sieg, der angesichts zahlreicher Konterchancen in der Schlussphase reichlich knapp ausfiel. Am Samstag geht es im Viertelfinale gegen Holland, was für Hiddink, den holländischen Trainer der Russen, vielleicht noch schöner ist als für seine Spieler.

Innsbruck erlebte einen der bewegendsten Abende dieser Europameisterschaft. Weil die Russen so schönen Fußball spielten, die Schweden aber sehr wohl dagegen hielten. Auch nach dem frühen Rückstand, keine Selbstverständlichkeit, denn nichts liegt dieser Mannschaft weniger als der Druck, das Spiel machen zu müssen. Ihr Veteran Henrik Larsson hatte sich eigens das Haar kahl geschoren. Er zeigte sein bestes EM-Spiel und hatte in der ersten Halbzeit Pech mit einem Kopfball an die Latte. Larssons Nebenmann Zlatan Ibrahimovic war lange Zeit kaum anzumerken, dass ihn der schwedische Mannschaftsarzt hatte fitspritzen müssen. Noch immer ist das Knie lädiert. Aber Ibrahimovic war an fast allen gefährlichen Aktionen seiner Mannschaft beteiligt, etwa an den guten Chancen von Ljungberg und Nilsson, beide entschärft von Torhüter Akinfejew.

Doch auch sein Können stand gestern im Schatten des russischen Angriffswirbels. Einmal, kurz vor der Pause, erschien Ibrahimovic das gegnerische Kombinationsspiel so unheimlich, dass er bei einem Eckball zurück in den eigenen Strafraum lief. Wer weiß, wie ungern der schwedische Star von Inter Mailand läuft, noch dazu in der Defensive, der weiß diesen Aufwand einzuordnen.

Das russische Spiel funktionierte nach dem scheinbar simplen und doch so schwer umzusetzenden Prinzip eines Spinnennetzes. Von beiden Außenlinien zogen sich die Fäden immer enger zusammen, bis der Ball in der Mitte bei Roman Pawljutschenko landete, dem zugleich grazilen und robusten Mittelstürmer von Spartak Moskau. So fiel in der 24. Minute auch das 1:0. Semschow spielte rechts steil auf Anjukow, dessen Pass Pawljutschenko fand, der den Ball mit dem rechten Fuß nicht mal richtig traf, aber unerreichbar für Schwedens Torhüter Isaksson in die linke Ecke schoss. Bei einer ähnlichen Situation traf er kurz vor der Halbzeit noch einmal die Latte. Später hatte er ein weiteres Tor auf dem Kopf und eins auf dem Fuß. Nur beim zweiten Tor nach der Pause lief etwas schief. Da vollendete nicht Pawljutschenko, sondern Andrej Arschawin. Für den Stürmer war es nach abgesessener Sperre das erste EM-Spiel.

Der Aufwand lohnte, sportlich und wohl auch finanziell. Angeblich hat der russische Verband 300 000 Euro pro Spieler für das Erreichen der K.o.-Runde ausgelobt, Trainer Hiddink soll sogar eine halbe Million kassieren. Aber wer wollte an diesem Abend schon von Geld reden. Die geschätzt 10 000 russischen Fans waren selig und sangen Weisen aus der Heimat. Die EM hat einen neuen Geheimfavoriten.

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