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Großes Jubel. In sieben Spielen haben die Montreal Canadiens die favorisierten Boston Bruins in den Play-offs ausgeschaltet.

© AFP

BIG FOUR – DIE US-SPORT-KOLUMNE: Ganz Kanada hofft auf die Canadiens

Die größte Rivalität in der National Hockey League (NHL) ist um ein Kapitel reicher. In sieben Spielen haben die Montreal Canadiens die favorisierten Boston Bruins in den Play-offs ausgeschaltet. Nun könnten die „Habs“ als erstes kanadisches Team seit 1993 den Titel gewinnen. Anteil daran hat auch ein ehemaliger Eisbären-Spieler.

Das Bell Centre in Montreal war am Dienstagabend ausverkauft. Logisch möchte man meinen bei einem siebten Spiel in den Play-offs. 21.000 Menschen in der Heimspiel-Arena jubelten ihren Canadiens zu. Die jagten allerdings nur auf dem Videowürfel über das Eis, denn das alles entscheidende Zweitrundenspiel gegen die Bruins fand rund 500 Kilometer entfernt in Boston statt. Am Ende gewann Montreal 3:1 und steht damit zur Freude von halb Kanada im Finale der Eastern Conference.

Gleich mehrere Faktoren machen den Erfolg der „Habs“ zu einem ganz besonderen. Zunächst ist da die ausgeprägte Rivalität mit Boston. Schon zum 34. Mal standen sich beide Teams in den Play-offs gegenüber, die Bilanz spricht mit nunmehr 25:9 deutlich für die Kanadier. Eng ging es dabei oft zu, das aktuelle siebte Spiel war bereits das neunte in der Historie der Duelle. Dazu kommt die ausgeprägte Abneigung beider Teams gegeneinander, die schon in so manch legendärer Schlacht gipfelte. Und dass die Feindschaft auch in Zukunft gelebt wird, dafür sorgte Bostons Milan Lucic schon beim obligatorischen Handshake nach dem Spiel. „Nächstes Jahr werde ich Dich fertig machen“, flüsterte der 1,96-Meter-Hüne „Habs“-Stürmer  Dale Weise freundlich ins Ohr.

Dass die Canadiens sich gegen die Bruins durchsetzen, damit hatten nicht unbedingt viele Experten gerechnet. Während Boston die reguläre Saison von Anfang bis Ende souverän gestaltete, gab es bei Montreal ein ständiges Auf und Ab. Von Konstanz fehlte lange Zeit jede Spur. Doch dass die Play-offs in der NHL eine komplett andere Veranstaltung sind, deutete sich schon in Runde eins an, als die Canadiens Tampa Bay locker in vier Spielen ausschalteten. Und schnell zeigte sich in  der Serie mit den „Big Bad Bruins“, dass die gar nicht so fürchterlich sind. Denn die Spieler der „Habs“ entzogen sich der körperlichen Überlegenheit des Gegners immer wieder mit ihrer Schnelligkeit. Besonders augenscheinlich wurde das in den beiden letzten Spielen, als Boston dem Gegner sowohl beim 0:4 in Montreal als auch am Dienstag oft nur hinterherlief.

Und plötzlich sind die launischen Canadiens tatsächlich ein Titelfavorit, was der Verfasser dieser Kolumne vor gerade einmal einem Monat noch für sehr unwahrscheinlich hielt. Denn die Mannschaft wirkt auf einmal wie gemacht für die Play-offs. Im Tor steht mit Carey Price der aktuell beste Goalie der Welt. Im Februar führte er Kanada zum Olympiasieg, jetzt spielte er in den beiden Alles-oder-Nichts-Spielen für sein Team überragend und ließ gegen die sonst so dominante Bruins-Offensive nur ein Gegentor zu. Dazu zeigt sich immer mehr, dass die späte Verpflichtung von Stürmer Thomas Vanek via Trade ein Volltreffer war. Der Österreicher traf gegen Boston in sieben Spielen vier Mal. Und endlich scheint auch der hausgemachte Zwist zwischen Coach Michel Therrien und P.K. Subban ausgeräumt. In der Hauptrunde wurde der nie um Worte verlegende Starverteidiger von seinem Trainer schon mal dauerhaft auf der Spielerbank festgesetzt.

Neben Klasse, Schnelligkeit und Teamspirit verfügen die Canadiens in dieser Saison auch über Erfahrung. Dafür steht der Name Daniel Briere. Der frühere Eisbären-Stürmer ist mittlerweile 36 Jahre alt und eigentlich nur noch Ergänzungsspieler in Montreal. Spiel fünf der Serie gegen Boston musste er sogar von der Tribüne aus mitansehen. Doch im finalen Schlagabtausch mit den Bruins zeigte Briere wieder einmal wie wertvoll er sein kann. Das frühe und in der Serie immer vorentscheidende 1:0 bereitete er mit einem perfekten Querpass vor das Tor zu Dale Weise vor. Und als der Gegner in der Schlussphase drauf und dran war, das 2:2 zu erzielen, machte Briere mit seinem – wenn auch glücklich abgefälschten – Treffer zum 3:1 alles klar. Und Briere, der in der kanadischen Provinz Quebec groß geworden ist, bis zu dieser Saison aber nie für die Canadiens gespielt hatte, wählte nach dem Spiel die passenden Worte zum Duell mit dem Lieblingsfeind. „Dieser Sieg ist für mich etwas ganz Besonderes, denn in bin damit aufgewachsen, die Bruins zu hassen.“ Nun durfte er auch helfen, sie zu besiegen.

Bleibt die Frage, was von diesen Canadiens noch zu erwarten ist? Als einziges von sieben Teams aus Kanada schaffte Montreal überhaupt den Sprung in die Play-offs. Nun steht die Mannschaft unter den letzten Vier und ist im Finale der Eastern Conference gegen die New York Rangers zumindest nicht Außenseiter. Im eishockeyverrückten Kanada beginnen die Fans aber schon längst weiterzudenken. Sollte es tatsächlich wieder einmal einen Stanley-Cup-Sieger aus dem Mutterland des Eishockeys geben? Letztmals war dies 1993 der Fall. Auch damals waren es die Canadiens, die den Titel gewannen. Die „Habs“ aus dem Jahr 2014 haben durchaus die Zutaten, die es braucht, um die lange Dominanz von US-Teams als NHL-Champion zu brechen. Das haben sie spätestens mit ihrem Erfolg gegen die Boston Bruins bewiesen.

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