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Harter Einsatz. JJ Watt.

© AFP

Big Four - Die US-Sport-Kolumne: Grashalme im Gesicht - die Härte in der NFL nimmt zu

In der National Football League (NFL) ist die Saison noch nicht einmal zur Hälfte vorbei, doch die Verletztenlisten der Teams sind schon wieder lang – weil das Verlangen nach Härte einfach dazugehört. Nun hat es auch einen Deutschen erwischt.

JJ Watt sah mal wieder aus wie John Rambo nach seinem härtesten Vietnam-Einsatz. An der Stirn des 1,96-Meter-Hünen in Diensten der Houston Texans klebten noch die Grashalme, die er mehr oder weniger feinsäuberlich dem Spielfeld entrissen hatte, die Kriegs- respektive Wettkampfbemalung unter den Augen war verschwommen. Und das Pflaster im Gesicht konnte nur rudimentär die Blutung stoppen, die sich Watt gerade zugezogen hatte. Nach dem Spiel gegen die Seattle Seahawks war Watts Nase dermaßen geschwollen, dass vermutlich selbst "Supernasen" wie Mike Krüger oder Thomas Gottschalk neidisch geworden wären. Natürlich nicht unter ästhetischen Gesichtspunkten, sondern aus rein voluminösen Gründen.

Das Bild von James Justin Watt, 24, ist längst zu einem Synonym für die laufende Saison in der US-amerikanischen National Football League (NFL) geworden – beziehungsweise: zu einem Synonym für eine ganze Sportart. Im American Football schänden die Spieler ihre Körper nämlich wie in keiner anderen Disziplin, nicht selten bewegen sie sich dabei auf der Grenze zum Wahnsinn oder überschreiten diese – weil die reguläre Saison mit ihren 16 Spielen pro Team im Gegensatz zum Basketball (82 Spiele) und Baseball (162 Spiele) kurz und die Bedeutung der einzelnen Partien entsprechend groß ist. Da will natürlich niemand fehlen, erst Recht kein Superstar.

Einer der besten und extrovertiertesten Wide Receiver des vergangenen Jahrzehnts trieb es diesbezüglich mit einer legendären Aktion auf die Spitze. 2005 meldete sich Terrell Owens pünktlich zum Super Bowl bei seinem damaligen Team zurück, den Philadelphia Eagles. Dabei hatte er sich nicht einmal sechs Wochen vorher einen komplizierten Beinbruch inklusive diverser Bänderrisse im Knöchel zugezogen. Wie das geht? Ganz einfach. In der Nacht vor dem großen Finale habe er einen Anruf von Gott bekommen, berichtete Owens, vermutlich voll auf Schmerztabletten. Und? "Er wollte unbedingt, dass ich spiele." Aha.

Sportlich brachte die gesundheitsgefährdende Aktion zwar nichts ein, die Eagles verloren das Endspiel gegen die New England Patriots 21:24. Respekt hatte sich Owens in der öffentlichen Wahrnehmung trotzdem verdient. Denn auch das gehört zum Zirkus NFL: die Gier nach Härte, nach schier übermenschlicher Kraft, nach Gewalt. JJ Watt und seine nicht minder angsteinflößenden Verteidigerkollegen von den Houston Texans firmieren in den USA zum Beispiel unter dem ehrfurchtvollen Namen "Swatt-Team" – eine Anlehnung an die amerikanische Poizei-Spezialeinheit SWAT (Special Weapons and Tactics), nur eben mit dem Einsatzgebiet Football-Feld.

Überhaupt finden sich in jeder Zusammenfassung der Spieltag-Highlights Tacklings, die schon beim Zuschauen auf der heimischen Couch schmerzen. "Grundsätzlich hat die Liga in den letzten Jahren viele Versuche unternommen, die Regeln so zu verändern, dass die Sicherheit der Spieler an erster Stelle steht", sagt ESPN-Fernsehexperte Jon Gruden. Illegale Aktionen wie "Face Mask" – also der Griff an den Helm des Gegenspielers – oder das berüchtigte "Helmet-to-helmet"-Tackling werden so scharf sanktioniert wie nie zuvor. "Trotzdem habe ich das Gefühl, dass sich schlimme Verletzungen häufen", ergänzt der ehemalige Head Coach der Tampa Bay Buccaneers, "an jedem Wochenende werden Spieler vom Feld getragen." Obwohl die Saison ihre Halbzeit noch nicht erreicht hat, sind die Verletztenlisten mal wieder mächtig lang.

Ganz besonders schlimm hat es das Team des Deutschen Sebastian Vollmer erwischt: die New England Patriots. Im Sunday Night Game vor zwei Wochen lieferte sich der Klub aus Boston ein denkwürdiges Duell mit den bis dato ungeschlagenen New Orleans Saints (30:27). Allerdings zahlten die Patriots einen hohen Preis für diesen Erfolg: neben dem ohnehin verletzten Superstar Rob Gronkowski verloren sie mit Aqib Talib und Jerod Mayo gleich zwei ihrer besten Verteidiger in einem einzigen Spiel. Und als wäre das nicht schon bitter genug, entschärfte es am vergangenen Sonntag einen weiteren erfahrenen Mann, der als Leibwächter für Quarterback Tom Brady agiert: Sebastian Vollmer selbst. Nach einem Zusammenstoß mit Miamis Randy Starks brüllte der 29-Jährige vor Schmerz so laut, dass die es fast jeder im Stadion hören könnte. Später bestätigten sich die Befürchtungen: Vollmer hatte sich das Bein gebrochen, als sein Gegenspieler auf ihn gefallen war. Kein Wunder – schließlich gehört Starks der Gattung Menschenschrank an. Er wiegt: 138 Kilo.

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