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Der Norden muckt auf. In Toronto sind sie in diesem Frühjahr im Basketball-Fieber.

© Reuters

BIG FOUR - Die US-Sport-Kolumne: Wie Toronto mit Basketball warm wurde

Die Toronto Raptors wurden lange belächelt, nun kämpft das einzige kanadische NBA-Team um den Einzug ins Finale der besten Basketball-Liga der Welt.

Für Basketballer gibt es in Nordamerika nette Destinationen, Miami im Sonnenstaate Florida etwa ist sehr begehrt. Erinnert sei an LeBron James’ Bekanntgabe seines Wechsels zu den Miami Heat. Er werde seine Talente nach „South Beach“ nehmen, sagte der Superstar seinerzeit. Ebenfalls hoch im Kurs bei den Herren Profis: die Glitzerstadt Los Angeles, das Basketball-Mekka New York oder andere große Märkte wie Chicago, Boston oder Houston. Und dann gab es bis vor kurzem Orte, in denen man als Spieler der National Basketball Association (NBA) besser nicht landen wollte. Orte, an denen es im Winter bitterkalt werden kann. Orte ohne Sandstrand, ohne Basketball-Tradition. Orte wie Toronto in Kanada.

Der achtmalige Allstar Vince Carter hat in der Dokumentation „The Carter Effect“ detailliert geschildert, wie er damals als junger Kerl, im Draft des Jahres 1998, von den Toronto Raptors ausgewählt wurde. „Mir war völlig egal, wohin die Reise gehen würde“, sagt Carter, „aber Toronto? Als ich das gehört habe, war es ein absoluter Schock für mich.“ Die größte Stadt Kanadas ist seit jeher Hoheitsgebiet des lokalen Eishockey-Teams, der Toronto Maple Leafs. „Als ich dort ankam, wurde man als Basketballer belächelt. Keiner hat sich für uns interessiert“, erinnert sich Carter. Die Raptors, erst 1995 gegründet, galten vielen Fans als Kunstprodukt der Liga und ihres Expansionsdrangs. Erst mit Carter und seinen Monsterdunks, die ihm den Spitznamen „Air Canada“ einbrachten, ging es langsam bergauf.

24 Jahre später ist die Franchise eine der sportlich heißesten verbliebenen Aktien im Kampf um den NBA-Titel. In der Nacht zu Donnerstag reisten die Raptors nach Milwaukee, um gegen die Bucks die Finalserie in der Eastern Conference zu eröffnen. Die Mannschaft von Trainer Nick Nurse und Starspieler Kawhi Leonard verlor Spiel eins zwar 100:108, kann aber immer noch Historisches erreichen: schafft sie vier Siege in den maximal sieben Duellen gegen die Bucks, wäre wäre sie die erste kanadische in den NBA-Finals.

Die Fans in Toronto sind entsprechend enthusiastisch unterwegs in diesen Mai-Tagen. Bei Play-off-Heimspielen halten sie seit Wochen riesige Plakate in die TV-Kameras, Aufschrift: „We The North“. Wir im Norden – werden es den US-Amerikanern mal zeigen in ihrer Sportart. Auch der Public-Viewing-Bereich vor der Arena in Toronto, in Anlehnung an den Vereinsnamen liebevoll „Jurassic Park“ getauft, ist stets ausverkauft.

Kawhi Leonard ist der Star der Raptors - und spielt in den Play-offs überragend

Und warum sollen die Raptors-Fans auch nicht optimistisch sein nach diesem Viertelfinale gegen die Philadelphia 76ers? Kawhi Leonard, der Anführer des Teams, setzte einer denkwürdigen Sieben-Spiele-Serie die Krone auf und traf bei ablaufender Uhr einen Verzweiflungswurf, der Toronto in die nächste Runde brachte. Der Ball tanzte regelrecht auf dem Korb hin und her, fünf Mal sprang er auf den Ring, bis er hineinfiel – und in der Halle alle Dämme brachen. Wenn solche Dinger reingehen – was soll dann bitte noch passieren?

Im Basketballrausch. Torontos Kawhi Leonard (Mitte) jubelt nach seinem entscheidenden Wurf gegen Philadelphia.
Im Basketballrausch. Torontos Kawhi Leonard (Mitte) jubelt nach seinem entscheidenden Wurf gegen Philadelphia.

© Frank Gunn/AP

Dass es Kawhi Leonard war, der die Serie erfolgreich finalisierte, dürfte die Entscheidungsträger im Klub bestätigt haben. Vor einem Jahr verpflichteten sie den 2,01-Meter-Mann, der sich bei den San Antonio Spurs zu einem der besten und komplettesten Spieler der Liga entwickelt hatte. Mit seinem langjährigen Spurs-Kollegen Danny Green wechselte Leonard ins Nachbarland – und machte dort weiter, wo er in San Antonio aufgehört hatte. Durchschnittlich erzielt Leonard in den Play-offs dieser Saison überragende 34 Punkte pro Spiel, er gönnt sich nur ganz wenige Verschnaufpausen.

Leonard hat nach seinem Wechsel also Wort gehalten und seinen neuen Arbeitgeber auf ein neues Niveau gehoben. So weit wie in den laufenden Play-offs sind die Raptors zuletzt 2016 gekommen, in der vergangenen Saison war sogar schon in der ersten Runde Endstation. Daraufhin musste Trainer Dwayne Casey gehen, obwohl sein Team eine starke reguläre Saison gespielt hatte – und Kawhi Leonard kam. Bislang sieht es so aus, als würde der Plan der Raptors aufgehen. Mindestens zwei weitere Heimspiele sind ihnen in dieser Saison sicher. Vince Carter hat übrigens schon angekündigt, auf einen Besuch in Torontos Arena vorbeizuschauen. Mal sehen, was aus der alten Eishockeystadt geworden ist.

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