zum Hauptinhalt

Sport: Bis in die Tagesschau

Abstieg, Insolvenz und ein Wettskandal: Die neue Prominenz des Regionalligisten 1. FC Eschborn

Nieselregen, später Schnee, der Geruch von verbrannter Bratwurst und ein laues Testspiel auf einem Kunstrasenplatz – eigentlich die Szenerie für ein Fußballspiel, das nur wirklich hart gesottene Fans besuchen. Am Samstagnachmittag in Darmstadt war es genauso. 100 eingefleischte Fans taten sich das Testspiel zwischen Darmstadt 98 und dem 1. FC Eschborn auf einem Nebenplatz an. Und doch entwickelte der Nachmittag eine gewisse Spannung. Denn der Reiz der Begegnung lag außerhalb des künstlichen Rasens. Und im Mittelpunkt stand Ousseynou Dione. Er ist 1,95 Meter groß, Abwehrspieler in Eschborn und möglicherweise einer der Auslöser für den neuen Wettskandal im deutschen Fußball. 40 000 Euro soll er von einem dubiosen Anrufer angeboten bekommen haben, um das Spiel am 26. November 2005 gegen den FC Augsburg zu beeinflussen. Der Abwehrspieler selbst wollte sich gestern nicht äußern. Vor dem Spiel gegen Darmstadt reagierte er genervt: „Ich sage dazu nichts – das ist doch alles lachhaft.“

Dabei dürfte es ihm gar nicht so nach Scherzen zumute sein, wenn es stimmt, dass für ihn Gefahr bestehe. Ein Beamter des Landeskriminalamtes war sogar extra für ihn zum Testspiel in Darmstadt abgestellt. Sonderlich groß sei die Gefahr nach Auskunft des LKA-Beamten aber nicht. Dieser fasste seinen Auftrag etwas weiter. Nicht nur zum Schutze Diones sei er da, sondern „zur Beobachtung des Umfeldes“. Und da sollte sich nach der Halbzeit einiges tun. Dione musste nach dem Aufwärmen auf der Bank Platz nehmen. „Das war keine Schutzmaßnahme oder Ähnliches, sondern taktisch bedingt“, erklärt Trainer Scheer. Wirklich Interesse zeigte der Trainer an seinem Abwehrspieler aber nicht. Sonst wäre ihm aufgefallen, dass Dione nach der Halbzeit auf einmal verschwunden war.

Registriert haben das die Verantwortlichen erst lange nach dem Spiel, als der LKA-Beamte gerne mal ein paar Worte mit seinem Schutzobjekt gewechselt hätte. Der Trainer regt sich im Gespräch mit einem Lokaljournalisten gerade noch auf über „den übertriebenen Wirbel“, der da jetzt gemacht werde, als der LKA-Beamte ihn zu einem kleinen Vier-Augen-Gespräch bittet. Er zeigt ihm dezent seinen Ausweis, danach verschwinden sie minutenlang in einer Umkleidekabine.

Als sie wieder rauskommen, wollte der Beamte noch wissen, wo Dione denn nun sei. Keiner wusste Bescheid. Weder Spieler noch Betreuer oder Trainer. Während des Spiels vermuteten ihn einige in der Kabine beim Duschen, weil er sowieso nicht mehr zum Einsatz käme. Manche glaubten, er drehe freiwillig ein paar Extrarunden im Schneetreiben. Doch nichts von dem traf zu. Selbst in der benachbarten Kneipe, die Fußball aus der großen, weit entfernten Bundesligawelt auf Leinwand zeigten, wurde er nicht gesehen.

Thorsten Schröder, einer von zwei Vizepräsidenten, hatte auch vor dem Spiel ein kleines Gespräch mit dem LKA-Beamten, über dessen Inhalt beide Seiten Stillschweigen vereinbarten. Dem LKA-Beamten blieb dann nichts anderes übrig, als seinen Mantelkragen hochzuklappen und durch das dichte Schneetreiben zurück zum Parkplatz zu laufen. Im Auto telefonierte er noch minutenlang. Mit wem, bleibt sein Geheimnis.

Der Bedrohte konnte seinem Beschützer zunächst entweichen. Später war aus Vereinskreisen zu erfahren, dass Dione wieder telefonisch erreichbar sei. Der Abwehrspieler habe erst kurz vor dem Spiel gemerkt, dass sein Name öffentlich bekannt geworden sei. Der Rummel sei ihm zu viel geworden, die Kälte habe ein übriges dazu getan. Offiziell aber wollen die Verantwortlichen immer noch nicht bestätigen, dass Dione in irgendeiner Art und Weise in die Vorfälle verstrickt ist.

Dabei könnte er zum großen Helden werden, wenn die Version des 1. FC Eschborn stimmt, dass der betreffende Spieler das Geld abgelehnt und die Sache gemeldet hat. Einen offiziellen Besuch von der Staatsanwaltschaft gab es bei dem Tabellenletzten der Regionalliga Süd indes noch nicht, und das, obwohl der Verein mit seiner Meldung beim DFB den Stein überhaupt ins Rollen gebracht hatte. „Wir stehen mit dem DFB in Kontakt, aber von der Staatsanwaltschaft haben wir noch nichts gehört“, sagt der zweite Vizepräsident Thomas Rose.

Ein paar Ungereimtheiten ergeben sich vor allem aus dem zeitlichen Ablauf der Ermittlungen. Oberstaatsanwalt Thomas Bechtel sprach bisher davon, dass die Ermittlungen erst seit ein paar Wochen laufen und sich auf fünf Spiele aus dem Jahr 2006 beziehen. Die Meldung des 1. FC Eschborn datiert jedoch aus dem November 2005. „Wir sind sehr entspannt“, sagt Eschborns Vizepräsident Thorsten Schröder, „wir haben die Sache gemeldet, damit war es das erst mal für uns.“

Doch im Sommer vergangenen Jahres gab es beim Regionalligisten Eschborn das große Erwachen. Finanzielle Probleme machten sich breit, der Präsident verließ den Klub, seither wird der Verein von den zwei Vizepräsidenten geführt, die sich selbst als Präsidium bezeichnen. Aufgrund dieser jüngeren Vergangenheit war Medienrummel für den krisengeplagten Regionalligisten in den vergangenen Monaten ohnehin normal, sagt Vizepräsident Rose. Aber wie viel seit Freitag über seinen Verein berichtet wurde, überrascht ihn doch. „Dass wir es einmal bis in die Tagesschau schaffen würden, hätte ich auch nicht gedacht.“

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false