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Sport: Bis zum Anschlag

Den Olympiasieg verdankt Britta Steffen ihrer Konzentrationsfähigkeit – die hat sie sich mühsam erarbeitet

Ian Thorpe, der fünfmalige Olympiasieger aus Australien, hatte ihr noch einen Satz aufgeschrieben. Irgendjemand steckte den Zettel Britta Steffen zu, kurz vor dem Finale über 100 Meter Freistil, früh genug noch, dass sie nicht in der Endphase ihrer Konzentration war, in der sie nichts mehr an sich herankommen lässt. „Nichts ist unmöglich“, hatte Thorpe, die Schwimm-Legende, notiert.

Kurz darauf wurde Britta Steffen Olympiasiegerin.

Nichts ist unmöglich, jetzt nicht mehr. Nicht mehr, seit Britta Steffen aus Berlin sich als Siegertyp angenommen hat. Dieses Gold verdankt sie dem beinharten Training ihres Coachs Norbert Warnatzsch, dieses Gold verdankt sie aber auch Friederike Janofske, einer netten, ruhigen Psychologin aus Berlin, die ihr beibrachte, dass ein schlechtes Rennen nicht gleich eine persönliche Niederlage bedeutet. „Ich habe am Menschsein gearbeitet“, hat Britta Steffen mal gesagt.

Das war aber nur die Grundlage. Das ermöglichte Britta Steffen, dass sie psychische Belastungen besser ertragen kann. Aber das allein reichte nicht, um sie widerstandsfähig genug zu machen, um den Druck auszuhalten, der bei Olympischen Spielen besteht, wenn jeder von einem offen oder versteckt Gold erwartet. Janofske, die schon Franziska van Almsick betreute, hatte der 24-jährigen Steffen vor allem beigebracht, wie die sich auf einen Tunnelblick zurückziehen kann. Fokussiert nur auf dieses Rennen, als hätte sie einen Panzer um sich, an dem alles abprallt.

Man konnte diesen Panzer schon im April sehen, man konnte ahnen, wie dick und effektiv er ist. Damals, bei der Olympia-Qualifikation in Berlin, hatte sie erklärt, dass sie in Peking nicht in der 4-x-200-Meter-Freistilstaffel schwimmen werde. Das sei ihr einfach zu viel. Ein paar Teamkolleginnen kritisierten sie hart. Und Steffen litt unter den Kommentaren, sie litt in einer entscheidenden Phase, kurz vor ihrem wichtigsten Rennen, den 100 Meter Freistil. „Die vielen Anfeindungen hat sie nicht einfach weggesteckt“, sagte Warnatzsch damals.

Ein paar Stunden später schwamm Steffen Europarekord.

Das ist diese unglaubliche Konzentrationsfähigkeit. Steffen ist so sensibel wie ihre Teamkolleginnen, aber sie kann sich im entscheidenden Moment im Höchstmaß aufs Wesentliche konzentrieren. Das ist der Unterschied zu den anderen.

Janofske ist in Peking Teil des deutschen Teams. Und nach dem Rennen sagte sie: „Jede Situation benötigt eine andere Methode. Arbeitet man mit Glaubenssätzen, ist die kognitive Methodik am besten. Hat man es mit unbewussten Ängsten zu tun, ist es gut, tief ins Unbewusste zu gehen. Das macht Britta für sich allein, sie hat unendlich viel für sich gelernt und kann es für sich anwenden.“ Cheftrainer Örjan Madsen sagt bloß: „Ohne sie hätte Britta es nicht geschafft.“

Es gibt viele Entwicklungsschritte bei Steffen. Einer davon war der Moment, als sie die Patenschaft für ein mongolisches Waisenkind übernahm. „Ich habe es gemacht, weil ich erkannt habe, was wirklich wichtig ist“, sagte sie. Da arbeitete sie erst ein paar Monate mit Janofske. Bei der EM 2006 war sie schon stark genug, um Weltrekord zu schwimmen. Aber sie war nicht stark genug, die Rolle einer Selbstbewussten zu spielen. Zwischen ihrem gestammelten „Wahsinn“ und „bin fassungslos“ schob sie plötzlich, mit ernster Stimme, den Satz: „Ich habe all die Menschen, die etwas von mir erwarten, nicht enttäuscht."

In Peking ging sie an den Start und dachte: „Mensch, ich hatte doch schon den Weltrekord, ich muss nicht unbedingt gewinnen.“ Bei vielen wäre das ein reiner Spruch gewesen, gut für die Motivation. Bei Britta Steffen war es eine heilige Botschaft an die eigene Vergangenheit.

Das Rennen von Britta Steffen: Seite 3

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