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© AFP

Bittere Tränen: Deutschlands Handballer scheiden aus

Der Weltmeister ist schon in der Vorrunde des olympischen Handball-Turniers in Peking ausgeschieden. Gegen Europameister Dänemark verlor das deutsche Team mit 21:27. Bundestrainer Heiner Brand hatte auf zu viele wichtige Spieler verzichten müssen.

Es waren noch 100 Sekunden zu spielen, eine kleine Ewigkeit im Handball, aber das Gesicht von Dominik Klein drückte bereits Entsetzen aus. Der Linksaußen vom THW Kiel hatte erneut einen Tempogegenstoß vergeben gegen Kaspar Hvidt, diesen Teufelskerl im dänischen Tor. Und nun, da beim Stand von 21:24 die letzte Chance zur Wende vergeben war, kamen Klein die Tränen. Der 24-Jährige setzte sich auf die Bank und weinte auch noch bitterlich, als abgepfiffen war und Deutschlands Handballer 21:27 (12:15) gegen Europameister Dänemark verloren hatten.

„Ich bin sprachlos", sagte Klein im Anschluss. Der Weltmeister ist schon in der Gruppenphase ausgeschieden; das Viertelfinale findet ohne Christian Schwarzer & Co. statt, der erste Olympiasieg seit 1980, als díe DDR triumphierte, ist nicht mehr möglich. „Das ist ein bitterer Tag", sagte Bundestrainer Heiner Brand, der allerdings viel gefasster als seine Spieler wirkte.

Hatte der Gummersbacher doch vorausgesehen, dass die allerhöchsten Ansprüche mit diesem Kader kaum zu verwirklichen waren. „Man muss die Situation realistisch einschätzen", sagte der 55-Jährige. Wenn eine Mannschaft wie die seine auf vier wichtige Spieler im Rückraum verzichten müsse, dem Herzstück jeder Mannschaft, „dann ist halt irgendwann Feierabend. Dann ist irgendwann das Spiel zu Ende". Mit Oleg Velyky und Pascal Hens (beide HSV Hamburg) waren zwei der besten Halblinken der Handballwelt ausgefallen, dazu mit Lars Kaufmann (TBV Lemgo) der bereitstehende Back-Up. Dass nun Michael Kraus (TBV Lemgo), der einzige verbliebene Weltmeister auf dieser Schlüsselposition, die Sache nicht alleine würde richten können, war Brand schon vorher aufgegangen. „Man muss einfach das Gesamtsystem sehen", hatte er in den letzten Tagen darauf hingewiesen. Denn dieses Gesamtsystem stimmte einfach nicht.

Die Probleme lagen im Angriff

Gegen die Dänen, die auf einen starken 6:0-Verteidigungsverbund und einen spektakulären Torhüter Hvidt bauen konnten, zerbröselte das deutsche Aufbauspiel nach gutem Beginn. Der Großwallstädter Oliver Köhrmann, den Brand für den ausgefallenen Routinier Markus Baur (TBV Lemgo) kurzfristig einbauen musste, war in seinem 17. Länderspiel mit der schweren Aufgabe des Spielaufbaus überfordert. Michael Haaß, die zweite Option, entwickelte ebenfalls nicht die nötige Ruhe, um die Angriffssysteme durchzusetzen. Zum Schluss stellte Brand seinen Goalgetter Michael Kraus (sechs Tore) auf die Spielmacherposition und stellte ihm Sven-Sören Christophersen zur linken Seite - keine dieser Varianten war eingespielt. Das konnte nichts werden - trotz des enormen Kampfgeistes, den die Mannschaft an den Tag legte. „Das wird noch was", brüllte Klein, als der Weltmeister einen schon hoffnungslos scheinenden 17:22-Rückstand (51. Minute) noch auf 21:23 (56.) verkürzen konnte. Aber dann verfehlten die deutschen Torschützen im wichtigsten Moment, während die Dänen die entscheidenden Treffer setzten. „Die Probleme lagen sicher in unserem Angriff", resümierte Brand.

Dieses ganze Turnier stand für den Weltmeister unter einem ungünstigen Stern. Erst diese Verletzungen, mit denen die Mannschaft seit Jahren zu kämpfen hat. Dann der Verlust des Mannschaftsführers Baur, der im Mai kurzfristig zurückzog, weil sein Arbeitgeber TBV Lemgo nicht bereit war, seinen Trainer für die monatelange Vorbereitung freizustellen. Dazu dieser überflüssige Schuhstreit, der viele Profis massiv nervte - sie fühlten sich verschaukelt von Ulrich Strombach, dem Präsidenten des Deutschen Handballbundes (DHB), der sein Versprechen, die Schuhe beim neuen Ausrüstervertrag freizuhalten, nicht einhielt. Dazu kam die ungünstige Konstellation für Peking: das Los, das in diese schwere Gruppe B führte.

In fünf Monaten beginnt die nächste Weltmeisterschaft

Es ehrte den Torwart Johannes Bitter (HSV), dass er nach der Niederlage die Gründe dennoch nicht woanders suchte. „Wir haben einfach gegenüber der Vorbereitung, die sehr gut lief, ein paar Prozente liegen lassen. Das müssen wir analysieren", sagte der selbstkritische 25-jährige Torwart, der zu den wenigen positiven Erscheinungen des olympischen Turniers zählte. Neben ihm überzeugte auch Kraus, der bei der EM noch so gescholten wurde, als bester Torschütze des Weltmeisters.

Das restliche Team tat einen Schritt zurück. Die Flügelspieler Torsten Jansen (HSV) und Florian Kehrmann (TBV Lemgo) erreichten nie die Wurfquoten der vergangenen Turniere. Torwart Henning Fritz (Rhein Neckar-Löwen) knüpfte nie an seine überragende Form bei der Weltmeisterschaft 2007 an. Nach dem WM-Titel 2007 und dem 4. Platz bei der EM im Januar 2008 hat das Aushängeschild des Deutschen Handballbundes einen schweren Rückschlag zu verkraften. „Wir müssen schon bald wieder aufstehen", forderte Torwart Bitter. Denn in fünf Monaten beginnt in Kroatien schon die nächste Weltmeisterschaft.

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