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Der Antastbare. Die Kritik an Joseph Blatter wächst, nur nicht in der Fifa.

© dpa

Blatter bleibt trotz Korruptionsaffäre im Amt: Ruhe im Kanton

Fifa-Präsident Joseph Blatter macht weiter wie bisher und holt sich für die neu gegründete Ethikkommission den deutschen Korruptionsjäger Joachim Eckert an die Seite.

Am Dienstag schoben sich in Zürich ein paar Kumuluswolken vor die Sonne. Am Himmel blieb es ein ruhiger Tag – und beim im Sturm der Entrüstung stehenden Fußball-Weltverband Fifa legte sich der Wind wieder. Allen voran der wegen bekannt gewordener Millionenschmiergelder an Fußballfunktionäre unter Rücktrittsdruck geratene Präsident Joseph Blatter stellte sich stoisch als Blitzableiter in eigener Sache auf. „Rücktrittsforderungen sind wie meteorologische Ereignisse, die gibt es immer wieder“, ließ er bei der Fifa-Exekutive wissen. Die Botschaft des 76-Jährigen war damit in alle Welt hinausgesendet; und für jeden, der Blatter kennt, ist sie nicht neu: Wenn ihr mich loswerden wollt, müsst ihr mich schon hier raustragen.

In der Fifa-Zentrale fand sich am Dienstag keiner, der diese Absicht bekundete. Nicht einmal jemand, der Blatter nahelegte, doch einen ersten Schritt auf diesem Weg zu tun. Selbst Theo Zwanziger, der deutsche Vertreter in der Fußball-Weltregierung, zog es trotz des Rosenkriegs zwischen dem Deutschen Fußball-Bund (DFB) und der Fifa um die angeblich gekaufte WM 2006 vor zu schweigen. Ein Rücktritt Blatters, wie ihn etwa Reinhard Rauball, Chef der Bundesliga und immerhin DFB-Vizepräsident, verlangt hatte? „Ich hatte keinen Auftrag, das zu fordern“, sagte Zwanziger nach der Sitzung. So ist das oft beim seit 14 Jahren amtierenden Alleinherrscher im Fifa-Millionengeschäft: Den Kopf schütteln sie gerne über ihn, die Herren Fußballfunktionäre, auch mal heftig öffentlich, aber wenn es in Zürich zum Schwur gegen den Schweizer kommen soll, herrscht Ruhe im Kanton.

Umweht von Korruptionsvorwürfen war Blatter schon 1998 ins Amt gekommen, damals gab es mit dem europäischen Fußballchef Lennart Johansson einen starken Gegenkandidaten. Angetreten war Blatter mit dem Versprechen, nur zwei Amtszeiten zu absolvieren. 2002 vor der WM in Asien wurde kritischen Funktionären von Blatter das Mikrofon entzogen. Hernach drängte er seine Gegner aus dem Verband oder versöhnte sich mit ihnen, wobei auch mancher hoch dotierte Posten im weiten Fußballkosmos half. 2007 trat Blatter erneut an, nachdem er sich versichert hatte, dass der als WM-Organisator zu weltweitem Glanz gekommene Franz Beckenbauer keine Lust hatte. Im vergangenen Jahr fand sich nun ein Gegenkandidat, dem als Fußballchef von Katar immerhin viel Geld zur Verfügung stand – und der wegen der von ihm gegen allen fußballerischen Sachverstand ans Wüstenland gezogenen Fußball-WM 2022 auch über Einfluss verfügte: Mohammed Bin Hammam. Doch der ließ sich selbst beim Stimmenkauf erwischen und wurde vom plötzlich unter der Ethik-Flagge segelnden Blatter rausgeworfen.

Die Chronik der Ereignisse und Vorwürfe rund um die Fifa in Bildern:

Inzwischen ist Blatters Ziehsohn Michel Platini als möglicher Nachfolger im Visier; er lieferte sich zwar mit Blatter kleinere Scharmützel über die Torlinientechnik, blieb aber bei der EM 2012 farblos genug, um Blatters Kreise nicht zu stören. Der nennt sich selbst einen „glücklichen Präsidenten“ und kokettiert sogar mit einer möglichen Wiederwahl 2015. Blatter hat alle Korruptionsaffären und Machtkämpfe überstanden – auch weil er sich immer danach als Reformer präsentierte. Mit Ethikkommissionen und Transparenzoffensiven, die sich als Scheinrevolutionen entpuppten.

So könnte auch die neueste Aktion ausgehen, die Blatter am Dienstag vorstellte: eine erstmals von der Fifa unabhängige Ethikkommission mit zwei Kammern. Leiten sollen diese der Münchner Richter Joachim Eckert und der US-Staatsanwalt Michael Garcia. Eckert, ein 64 Jahre alter Strafrichter, verhandelte zuletzt Korruptionsverfahren gegen Ex-Manager von MAN und Ferrostaal, zudem spielte er bei der Aufklärung des Bestechungsskandals bei Siemens eine aktive Rolle.

Der deutsche Fußball gab sich damit erst mal zufrieden. Obwohl Rauball von seiner Forderung nach einem Rücktritt Blatters nicht abrücken wollte, sagte DFB-Präsident Niersbach am Dienstag in Berlin, dies sei „keine offizielle Initiative des DFB“. Zudem habe er mit „Freude und Erleichterung“ gesehen, dass Blatter seine Vorwürfe bezüglich der Vergabe der WM 2006 inzwischen relativiert habe. Vielleicht hängt diese Volte damit zusammen, dass der DFB tatsächlich den Brief des inzwischen verstorbenen neuseeländischen Fußballfunktionärs Charles Dempsey gefunden hat, in dem dieser den Deutschen vor der entscheidenden Abstimmung gegen Südafrika im Jahr 2000 seine Stimme zugesichert hatte. „Den Brief kenne ich natürlich“, sagte Niersbach. „Er ist datiert auf den 11. Mai 2000.“

Auch in Berlin ebbte der Wind ab.

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