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Sport: Blatter zeigt Rot

Der Fifa-Präsident kritisiert die Schiedsrichter und verlangt indirekt die Heimreise des Unparteiischen Graham Poll

Berlin - Joseph Blatter hatte sehr nette Worte parat. Eine großartige WM finde derzeit in Deutschland statt, sagte der Präsident des Weltverbandes Fifa und nahm lächelnd seine Brille von der Nase. Die Atmosphäre im Land, besonders in Berlin, sei so „beeindruckend, wie ich sie zuvor nur in Seoul und Paris erlebt habe“. Sekunden später jedoch war das Zwischenfazit des mächtigsten Mannes im Weltfußball vorbei. Was Blatter anschließend sagte, war alles andere als kuschelig. Der Präsident war sauer.

Es ging um den englischen Schiedsrichter Graham Poll, der am Abend zuvor in Stuttgart geradezu kurios gepfiffen hatte. Poll hatte dem Kroaten Josip Simunic im Spiel gegen Australien (2:2) gleich drei Mal die Gelbe Karte gezeigt: Zunächst in der 61., dann in der 90. Minute, aber vom Feld geschickt hatte er den Abwehrspieler von Hertha BSC erst nach der dritten Karte in der Nachspielzeit, als Simunic meckerte. „Das kann ich nicht verstehen, und das kann ich auch nicht verzeihen“, schimpfte Blatter im Keller des Berliner Olympiastadions. Werde Poll nun von der Fußball-WM ausgeschlossen, wurde Blatter gefragt. Das sei Aufgabe der Schiedsrichterkommission, antwortete Blatter diplomatisch. Am Nachmittag rechne er mit einer Entscheidung. Er denke allerdings, „dass die Schiedsrichterkommission so viel Fingerspitzengefühl hat, um eine richtige Entscheidung zu treffen“.

Im Klartext hieß das nichts anderes als das WM-Aus für Schiedsrichter Poll – und vermutlich auch für dessen Assistenten. „Es waren vier Schiedsrichter auf dem Spielfeld. Wenn einer den Fehler nicht bemerkt, müssen es doch die drei anderen tun“, schimpfte Blatter. Er meinte damit neben den beiden Linienrichtern auch den vierten Schiedsrichter an der Seitenlinie. „Die hätten sagen müssen: Moment! Stopp! Halt! Hier stimmt was nicht!“ Die Folgen hätten gravierend sein können. Hätte nämlich Kroatien, das durch das 2:2 ausgeschieden ist, noch am selben Abend Protest eingelegt, hätte das WM-Spiel wiederholt werden müssen. „Das Resultat bleibt aber bestehen“, sagte Fifa-Mediendirektor Markus Siegler. „Es gab keinen Protest.“

Blatter schickte noch eine weitere Botschaft ins WM-Quartier der Schiedsrichter. Es seien im Laufe des Turniers zwei reguläre Tore gefallen, die die Schiedsrichter nicht gegeben hätten, obwohl der Ball die Torlinie überschritten hatte. „Wir müssen an unserer Goal-Line-Technologie arbeiten“, sagte daher Blatter. Zwei Projekte würden derzeit vorangetrieben: Schon 2005 wurde bei einer Junioren-WM mit Funk-Chips im Ball gearbeitet. Das Ergebnis war „recht gut“, sagte Blatter. „Aber es war nicht der durchschlagende Erfolg.“ Die andere Technologie arbeite mit speziellen, im Pfosten integrierten Kameras. Diese hätten eine optimale Perspektive, weil sie – im Gegensatz zu Fernsehkameras – nicht aus einem schrägen Winkel Bilder liefern würden.

André Görke

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