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Bob Hanning, 45, ist seit 2005 Geschäftsführer bei den Füchsen Berlin. Im September kandidiert er beim Bundestag für den Posten des Vizepräsidenten beim Deutschen Handball-Bund (DHB).

© dpa

Bob Hanning im Interview: "Kataris wollten den Klub kaufen"

Füchse-Geschäftsführer Bob Hanning über das Kaufangebot eines katarischen Sportscheichs, Probleme in der Nachwuchsförderung im deutschen Handball und seine Kandidatur als DHB-Vizepräsident.

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Herr Hanning, woran denken Sie zuerst, wenn Sie auf das zurückliegende Wochenende blicken?

An die Abschlussfeier unserer A-Jugend, die am Sonnabend die Deutsche Meisterschaft gewonnen hat. Wir hatten ein Boot gemietet, die Eltern der Jugendlichen waren dabei und einige Lehrer vom Schul- und Leistungssportzentrum Berlin. Es war eine gute Party.

Am selben Tag hat die deutsche Nationalmannschaft die Qualifikation zur EM 2014 verpasst, zum ersten Mal überhaupt. Worin hakt es im deutschen Handball?

Das Scheitern des Nationalteams ist ein Debakel. Wir haben in der Nachwuchsarbeit einiges versäumt. Ich glaube, dass man junge Spieler nicht nur sportlich, sondern auch in ihrer Persönlichkeit entwickeln muss. Sie sollten beim Stand von 25:25 kurz vor Schluss Spaß an einer solchen Situation haben und nicht vor Nervosität verkrampfen. Meine A-Junioren haben mittlerweile gelernt, wie man gewinnt. Sie stehen in kniffligen Situationen als Persönlichkeiten auf dem Feld.

War das Scheitern der Nationalmannschaft also eine Frage der Mentalität?

Das denke ich. Wissen Sie, ich habe meiner A-Jugend bereits vor dem Meisterschaftsfinale ihre Sieger-T-Shirts ausgehändigt. Da stand drauf: Sieger zweifeln nicht, Zweifler siegen nicht. Ich muss mir eben Spieler zusammensuchen, die vom Charakter her meiner Mentalität als Trainer entsprechen. Nehmen Sie bei unseren Profis Iker Romero. Der weiß genau, wie man gewinnt. Nur deshalb haben wir ihn geholt. Und ein solcher Charakter fehlt den Deutschen momentan.

Wie begründen Sie dann die eigentlich gute Leistung bei der WM im Frühjahr?

Martin Heuberger hat es bei der WM geschafft, über das Kollektiv eine Menge zu lösen. Aber wenn einzelne dann nur 80 oder 90 Prozent geben, dann reicht dieses Kollektiv eben nicht mehr. Für das ganz Große brauchst du ganz große Persönlichkeiten. Und die müssen wir in Deutschland wieder entwickeln.

Ähnelt die Krise der Situation im deutschen Fußball zur Jahrtausendwende?

Durchaus, wobei die Fußball-Bundesliga damals nicht die stärkste Liga der Welt war, sondern nur eine von vielen. Das macht es für uns ungleich komplizierter. Handball ist eine sehr physische Sportart, in der man eine gewisse Körperlichkeit braucht, die man mit 18 oder 19 Jahren gar nicht haben kann.

Wie schwer ist es also, in der Bundesliga mutig zu sein und trotzdem auf diese jungen deutschen Spieler zu setzen?

Alle Vereine wollen international spielen und stehen unter einem brutalen Druck. Doch wenn wir nicht mutig sind, werden wir im deutschen Handball nicht weiterkommen. Bei den Füchsen haben wir diesbezüglich schon eine Art Vorreiterrolle.

Glauben Sie, dass das Publikum kritisch reagiert, wenn die Füchse mit jungen Deutschen, aber weniger erfolgreich spielen?

Darauf bin ich sehr gespannt. Anderseits ist das unsere Philosophie, von der wir nicht abrücken werden. Wir hatten vor kurzem katarische Investoren zu Besuch, die den Klub kaufen wollten. Unter wirtschaftlichen Aspekten war das spannend, weil wir unseren Etat über Nacht von fünf auf zehn Millionen Euro verdoppelt hätten. Damit hätten wir die Champions League gewonnen! Aber auch unsere Seele verkauft. Wir wollen kein Spielzeug sein. Es war eine Grundsatzfrage – und wir haben uns dagegen entschieden.

Sie arbeiten ganz offensichtlich lieber mit entwicklungsfähigen Spielern.

Ich sage immer zu ihnen: Leute, ich habe eine Eigentumswohnung und mache im Sommer mein Cabriodach auf – meine Karriere steht. Was ich damit sagen will: Ich brauche sie nicht, um meine eigene Karriere zu planen. Aber ich schenke ihnen meine Zeit und meine Liebe, damit sie sich ihren Traum erfüllen können. Somit ist das Verhältnis zwischen uns sehr vertrauensvoll. Sie bauen auch Mist, wie andere Jungs auch. Aber sie müssen halt auch unseren Verein repräsentieren.

Da stehen Ihnen wahrscheinlich manchmal die Haare zu Berge.

Die müssen mich aber genau so aushalten. Ich verlange sehr viel. Aber Jonas Thümmler und Fabian Wiede erhalten zum Beispiel von mir eine so genannte Benimm-Prämie. Wenn sie den Verein vernünftig repräsentieren, erhalten sie von mir am Saisonende ein gutes Sümmchen. Von dem können sie sich dann ein Auto kaufen oder in den Urlaub fahren.

Ihr Konzept scheint aufzugehen.

Wir haben zwölf deutsche A- oder Jugendnationalspieler im Kader. Soviel wie kein anderer deutscher Verein. Nun muss es uns aber gelingen, all diese Leute in die Spitze zu führen. In den nächsten drei Jahren müssen wir beweisen, dass wir auch auf den Königspositionen im Rückraum und am Kreis ausbilden können.

Was sind nun ab September als möglicher Verbandsvize ihre Zielvorgaben, die Sie mit den Bundesligaklubs treffen wollen?

Das muss im Dialog stattfinden, da will ich keine Forderungen stellen. Ich werde mit den Vereinen reden, wir werden Zielvereinbarungen unterschreiben. Was kann der THW Kiel für den deutschen Handball tun? Wozu bekennt er sich? Und wozu nicht? Am Ende können wir beschließen, was jeder einzelne in den Topf werfen kann. Ich – und alle Beteiligten sollten das auch – möchte dem Handball dienen. Da gibt es in Zukunft keine Chance für Eitelkeiten und falsche Spiele. Wir müssen weg von Problemen, die da sind, hinein in eine lösungsorientierte Zukunft.

Sie haben bereits jetzt einen prall gefüllten Terminkalender. Welchen Posten werden Sie für das neue Amt aufgeben?

Ich würde das Amt als Vizepräsident des Liga-Verbands HBL abgeben. Und die nächste Saison wird definitiv meine letzte als Nachwuchstrainer sein.

Fehlt Ihnen dann nicht etwas?

Ich kann eigentlich gut loslassen. Nur die Situation, wenn ich nicht über alles Bescheid weiß, die macht mich wahnsinnig.

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