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Sport: Bockiger Teenager

Das einstige Wunderkind Michelle Wie verspielt mit schwachen Auftritten auf und neben dem Golfplatz sein Ansehen

Berlin - Das Mädchen steht in der Ecke und bockt. Es ist eine dieser klassischen Situationen, in die man sich als Jugendlicher so gerne verrennt. Alles ist falsch gelaufen. Nichts hilft mehr, nur die Entschuldigung. „Ich habe wirklich nicht das Gefühl, dass ich mich für irgendetwas entschuldigen sollte“, sagt Michelle Wie jedoch. Vergangene Woche gab die 17-jährige Hawaiianerin bei der Ginn Tribute Championship in der ersten Runde auf, bei einem Stand von 14 über Par nach 16 Löchern – wegen angeblicher Handgelenksprobleme. Doch kurz darauf sah man sie offenbar schmerzfrei trainieren. Das erboste selbst die sonst so ruhige Annika Sörenstam, den Star unter den weiblichen Golf-Profis. „Das ist einfach ein Mangel an Respekt und Klasse, das eine Turnier abzubrechen und dann am nächsten Schauplatz aufzutauchen, um zu trainieren.“ Gut möglich, dass Michelle Wie angesichts der Euphorie ob ihres Spieltalents und der Millionen, die man ihr seit dem Wechsel ins Profilager alljährlich überweist, ihre Lage innerhalb des Damengolfs ein wenig überschätzt. Ihr Ansehen innerhalb der amerikanischen LPGA-Tour jedenfalls ist auf ein Minimum gesunken.

Auch sportlich überzeugt sie derzeit nicht. Das zweite Major der Saison, die LPGA Championship auf dem Platz von Bulle Rock in Maryland, hat am Sonntag nicht sie gewonnen, sondern die Norwegerin Suzann Pettersen. Wie hat mit Mühe den Cut geschafft, weil ihr der Trainer David Leadbetter in der ersten Runde den Driver entzog, um die zuletzt wilden Drives seines Schützlings zu verhindern. Die Katastrophe ließ trotzdem nicht lange auf sich warten. In Runde drei schoss Wie eine 83 und schaffte es auch am Sonntag nicht mehr, vom letzten Platz wegzukommen. „Ich befinde mich gerade in einer Phase der ständigen Verbesserung“, analysierte Wie leicht genervt. „Aber ich werde besser und stärker.“

Die Konkurrenz sieht das etwas anders. Seit Mitte vergangenen Jahres hat Wie bei jedem Einsatz zumindest eine 80er-Runde gespielt. Der Traum vom Weltklassegolf ist erst einmal dahin. Kritik wird stattdessen laut an der ständigen Sonderbehandlung, die das einstige Wunderkind genießt. Am Wochenende kam es zu einer lauten Diskussion mit Tour-Offiziellen, weil Michelle Wie entgegen den Vorschriften nicht nur Coach und Caddie auf der Range neben sich stehen hatte, sondern auch Vater und Mutter. Davor hatten bereits ihre Pro-Am-Partner gemault, die mehrere tausend Dollar für ihre Runde mit Wie bezahlt hatten, fünf Stunden lang aber ein wortkarges, maulendes Mädchen ertragen mussten.

Bei ihren Kolleginnen hat Wie nie große Sympathien genossen. Bis heute hat die 17-Jährige darauf verzichtet, eine Mitgliedschaft bei der LPGA zu beantragen und lieber hochbezahlte Einsätze bei den Herren bestritten. Die Frauen-Tour tröstet sich mittlerweile mit anderen jungen Stars. Das erste Major des Jahres gewann die 18-jährige Morgan Pressel. Ähnliches Potenzial hat auch Paula Creamer (20), die als bisher jüngste Spielerin die 3-Millionen-Dollar-Preisgeldgrenze nach zwei Jahren, zwei Monaten und 19 Tagen auf der Tour passierte.

Angesichts all dieser Erfolge ist Michelle Wie längst in die Defensive geraten. Ihre letzten Patzer gutmachen will sie trotzdem nicht. Eine Entschuldigung steht nicht zur Diskussion. Sie sagt: „Ich muss nach vorne sehen und nur positiv denken.“

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