zum Hauptinhalt

Sport: Boris Becker setzt in seinem neuen Leben andere Prioritäten ohne viel Öffentlichkeitswirksamkeit

Das Privatflugzeug gleitet auf dem Weg von München nach Mallorca über die Alpengipfel, da bekennt Boris Becker in seinem Ledersessel, wie leicht ihm Mitte des Jahres der Abschied vom Tennis und der Rückzug ins Privatleben gefallen sei: "Ich muss und will mein Gesicht nicht mehr jeden Tag auf der Mattscheibe sehen", sagt Becker im Verlauf eines Vier-Augen-Gesprächs, das sich um Gott, die Welt, den Tod seines Vaters, die schwere Geburt seines zweiten Sohnes Elias Balthasar, den Streit im deutschen Tennis und seine Zukunftspläne dreht. Er wolle sich "sehr rar machen" in der Öffentlichkeit, kündigte Becker an, "meine Hauptrolle spielt künftig in der Familie".

Das Privatflugzeug gleitet auf dem Weg von München nach Mallorca über die Alpengipfel, da bekennt Boris Becker in seinem Ledersessel, wie leicht ihm Mitte des Jahres der Abschied vom Tennis und der Rückzug ins Privatleben gefallen sei: "Ich muss und will mein Gesicht nicht mehr jeden Tag auf der Mattscheibe sehen", sagt Becker im Verlauf eines Vier-Augen-Gesprächs, das sich um Gott, die Welt, den Tod seines Vaters, die schwere Geburt seines zweiten Sohnes Elias Balthasar, den Streit im deutschen Tennis und seine Zukunftspläne dreht. Er wolle sich "sehr rar machen" in der Öffentlichkeit, kündigte Becker an, "meine Hauptrolle spielt künftig in der Familie".

Becker war der Job beim Deutschen Tennis Bund, seine am Dienstag plötzlich an Carl-Uwe Steeb abgetretene Aufgabe als Teamchef, nicht egal. Aber in diesem besonderen Jahr, zwischen dem Tod seines Vaters und der Geburt des zweiten Kindes, hatte Becker realisiert, "dass es andere Prioritäten in meinem Leben gibt". Weder die letzten Spiele in Wimbledon noch Siege am grünen Tisch gegen störende Funktionäre oder aufbegehrende Jungstars hatten wirkliche Bedeutung für ihn, der sein Familienglück über alles andere stellte. "Die Sehnsucht nach einem intakten Leben mit meiner Frau und meinen Söhnen" beherrsche sein Denken, sagte Becker und betonte, "dieses Denken in den Kategorien des Gewinnens und Verlierens" beeinflusse ihn nicht mehr.

Franz Beckenbauer sei ein guter Freund, sagte Becker, aber beruflich sehe er einen anderen Weg für sich: "Mich interessiert nicht so sehr, wie er, als Galionsfigur und Werbeträger vor der Kamera zu agieren." Er wolle lieber im Hintergrund bleiben und mit seinem Team ein Konzept umsetzen: "Man muss noch nicht einmal wissen, dass Boris Becker dahinter steht. Ich habe nicht mehr die Eitelkeit, dauernd öffentlich aufzutreten und mit meinem Namen hausieren zu gehen." Wenn er eines nicht mehr wolle, dann der "Quotenonkel" sein.

Becker, der seit seinem Rücktritt als Tennisprofi kaum noch öffentliches Profil gezeigt, nur sporadisch Interviews gegeben und gesellschaftliche Auftritte weitgehend gemieden hatte, war verärgert über die publikumsträchtigen Vorstösse von Funktionären oder auch Tenniseltern. Selbst ohne jede eigene Initiative war der Name des Teamchefs in den Schlagzeilen, zumal durch die Hinhalte-Taktik seines ehemaligen Schützlings Nicolas Kiefer. Becker wußte selbst gut genug, "dass ich meine Fehler in dieser Geschichte gemacht habe", doch er glaubte lange, mit einem Gespräch unter Männern die Affäre zu beseitigen. "Immer, wenn ich mit Nicolas persönlich geredet habe, gab es doch nie ein Problem", sagte Becker trotzig und erinnerte sich noch an die Zeiten, als der "Bursche bei mir im Haus wohnte und meine Frau ihm die dreckige Wäsche gewaschen hat."

Wer glaubt, dass Becker zu Tode betrübt

sein müsste über seinen Rückzug als DTB-Teamchef, wird sich täuschen in einem Mann, der längst diskret neue Pläne und Perspektiven entwickelt und auch seine Demission als Spieler mühelos hinter sich gebracht hat. "Boris empfindet das Ganze nicht als Niederlage", heißt es aus dem Umfeld des dreimaligen Wimbledon-Siegers, "der Schmerz hält sehr in Grenzen."

Freunde hatten ihm schon länger geraten, sich nicht mehr in vorderster Front aufzuhalten und eher als eine Art Tennis-Botschafter für sein Heimatland aufzutreten. Das kann Becker jetzt unbehelligt von Fall zu Fall tun. Ausserdem hofft der DTB, dass sein erfolgreichster Spieler auch in Imagekampagnen auftreten und das Produkt Tennis im Marketing vorantreiben wird. Welchen Wert die sporadisch agierende Werbefigur Becker hat, wissen die Manager des Internet-Unternehmens AOL seit den ersten, zaghaften Surfversuchen ihres Partners via Werbespot am besten.

Der Befreiungsschlag aus dem Dickicht des DTB-Klüngels macht für Becker den Weg frei, sich neben seiner Familie auch mehr um seine Firma zu kümmern. Er habe seinen Namen ohnehin viel zu lange beschmutzen lassen durch die öffentlichen Reibereien, heisst es in seinem eigenen Unternehmen, es sei gut, "dass die Sache zu Ende ist." Denn sein Anspruch als Chef der Boris Becker Marketing GmbH ist nicht gering: "Ich will nach oben im Geschäftsleben. Ich will in meinem Rahmen Ideen verwirklichen und Produkte schaffen, wo ich sagen kann: Hey, guter Job, Herr Becker. Auch so kann man Schritt für Schritt ein größerer Spieler im Business werden." Die eigentliche Macht als Meinungsmacher, "der praktisch jedes Forum kriegt", will Becker dagegen nicht oder nur sehr gezielt einsetzen. Der Leimener will als Unternehmer beweisen, dass er mehr kann "als nur Tennis zu spielen". Die Büroarbeit mache ihm "viel Spaß", sagt er: "Und ich bin diszipliniert genug, um immer da zu sein, wenn ich gebraucht werde. Ob morgens um neun oder um halb zwei nachts. Ganz egal, wann das Spiel angesetzt ist. Nur habe ich jetzt andere Klamotten an."

Weit mehr als bei seinem Amtsantritt als Teamchef ist ihm klar, dass er sich für seine Aufgaben als Unternehmer noch neue, bisher nicht gebrauchte Fähigkeiten aneignen muß. Auf die Bemerkung seines Ex-Managers Ion Tiriac angesprochen, als Geschäftsmann müsse man mehr können, als nur in die Kamera zu grinsen und ein Messer abzulecken, sagt Becker: "Ich weiss, dass ich noch nicht die Weisheit für mich gepachtet habe und viel lernen muß. Es gibt keinen Hoppla-jetzt-komm-ich-Becker. So töricht und naiv bin ich nicht, das denken nur andere. Im Moment gehe ich bei Fach-Leuten in eine Art Berufsschule." Schmunzelnd fügt er hinzu: "Aber von diesem Lehrling Becker darf man noch einiges erwarten."

Jörg Allmeroth

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false