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Stehend am Boden. Den Herren Gündogan, Mchitarjan und Subotic (von links) ist das Jubeln längst abhandengekommen. Der BVB steckt im Abstiegskampf.

© REUTERS

Borussia Dortmund in der Krise: Hinten wacklig, vorn harmlos: Warum der BVB im Tief steckt

Am Rand zur Zweiten Liga ringen Borussia Dortmund und Trainer Jürgen Klopp um Halt. Deutlich wird, dass der gebeutelten Mannschaft die Stabilität fehlt.

Jahrelang personifizierte Jürgen Klopp den dynamischen Fortschritt von Borussia Dortmund. Zurzeit aber muss sich der zweimalige Meistertrainer sogar Fragen nach einem eventuellen Rücktritt gefallen lassen, so unsinnig diese in der Sache auch sein mögen. Die Eigendynamik des Misserfolgs hat die Mannschaft, die Klopp zu einer deutschen und europäischen Größe geformt hat, und ihren Anführer in Sphären katapultiert, die für den Spitzenklub von gestern terra incognita bedeuten.

Der BVB ist Letzter, das erlebte der Verein zuletzt am 18. August 2007. Damals aber war gerade mal der zweite Spieltag einer Saison vorbei, an deren Ende die Westfalen Tabellen-Dreizehnte waren. Nach dem 0:2 in Frankfurt am Sonntag war schon die dreizehnte Runde vorbei – mit dem niederschmetternden Befund, dass sich die stolzen Borussen als Achtzehnte endgültig neu orientieren müssen. Nun stecken die Dortmunder erst mal wirklich im Abstiegskampf.

„Spätestens jetzt ist Schluss damit, die Abstände zu den Champions-League-Plätzen auszurechnen“, konstatierte Sportdirektor Michael Zorc. Eine Trainerdiskussion wollte er allerdings gar nicht erst aufkommen lassen. „Jürgen stellt sich der Verantwortung. Wir sind einhundertprozentig davon überzeugt, dass wir mit ihm aus der Situation herauskommen“, sagte er. Auch Klopp gab sich nach der bittersten der bisher acht Liga-Niederlagen kämpferisch: „Solange keiner kommt und sagt, dass sie einen haben, der es besser macht, kann ich ja gar nicht gehen.“

Sie haben keinen beim BVB, und sie wollen auch keinen anderen als Klopp haben, der nun vor der schweren Aufgabe steht, seine Mannschaft aus dem Dunkel zurück ins Licht zu führen.

Die harte Prüfung, die auf ihn und seine Spieler ab sofort zukommt, duldet keine Ausreden mehr. Schließlich ist der BVB kein Zufallsletzter, sondern mittlerweile ein Team, dem das Selbstvertrauen in die eigenen Qualitäten mehr und mehr abhandengekommen ist. Symptomatisch dafür waren die beiden Frankfurter Treffer am Sonntag. Aus einem Befreiungsschlag von Russ machte Alexander Meier das 1:0, weil es in dem Moment, als es passierte, keine Dortmunder Torabsicherung gab; aus einem slapstickhaft anmutenden Missverständnis der beiden Weltmeister Ginter und Weidenfeller erzielte Seferovic das 2:0.

Was läuft da chronisch schief und warum überhaupt? Um ganz vorn zu beginnen: Die Borussia, die es in dieser Saison auf immerhin schon 85 Torchancen brachte (6,5 pro Spiel), trifft viel zu selten. 14 Treffer, das ist nach dem Hamburger SV, dem 1. FC Köln und Hannover 96 der viertschlechteste Wert der Liga. Er kennzeichnet zum einen, dass der Abgang von Stürmerstar Robert Lewandowski, der im Vorjahr als bester Schütze des Tabellenzweiten die Torjäger-Kanone eroberte, nicht zu kompensieren war; er deutet aber auch auf die Verkrampfung einer vom Gipfel ins Tal gestürzten Mannschaft, denen die neuen Angreifer Ciro Immobile (kam für 20 Millionen Euro vom FC Turin) und Adrian Ramos (von Hertha BSC für neun Millionen Euro erworben) noch nicht weiterhalfen. Die vermeintlichen Mittelfeldzauberer Shinji Kagawa (für acht Millionen Euro von Manchester United zurückgeholt) und Henrich Mchitarjan hängen aus Angst vor Fehlern bei allem unbestrittenen Eifer seit längerem durch. Da der beste Dortmunder Spieler, Marco Reus, nach Tritten grober Gegenspieler mehrmals in dieser Saison verletzungsbedingt passen musste, fehlt Klopp,auch derzeit, der Mann für die Knalleffekte.

Aber auch die Dortmunder Abwehr krankt. Torhüter Weidenfeller ist weit von seiner Bestform entfernt, wie auch die Außenverteidiger Piszczek und Durm. Der für zehn Millionen Euro vom SC Freiburg verpflichtete Innenverteidiger Ginter wirkt in diesem Ensemble der verunsicherten Stars noch immer sehr scheu. Neven Subotic, sein Nebenmann in Frankfurt, ist nach seinem Kreuzbandriss längst nicht auf der Höhe seiner Möglichkeiten. Weltmeister Mats Hummels schlägt sich in dieser Spielzeit mehr mit seinen Blessuren und Malaisen als mit irgendwelchen Gegenspielern auf dem Platz herum. Im Mittelfeld fassen die lange verletzten Gündogan und Sahin gerade erst wieder Fuß, Kevin Großkreutz ist vor allem mit sich selbst beschäftigt. Derzeit sind allein die Mittelfeldspieler Sebastian Kehl und Sven Bender als verlässliche Größen des BVB einzuschätzen.

So gerät auch ein vermeintlich topbesetztes Ensemble wie das von Borussia Dortmund unter unglücklichen Umständen schon mal in die Bredouille. Tiefer können sie während dieser Saison nun nicht mehr sinken beim achtmaligen Deutschen Meister. Der Blickkontakt zur Zweiten Liga – eine Gelegenheit, von ganz unten wieder nach oben aufzubrechen? „Selbstzweifel sind fehl am Platz“, sagt Sven Bender. „Der Mut muss da sein. Wir können alle kicken, wir können alle kämpfen. Wir müssen das auf den Platz bringen.“ Genau das aber gelingt dem BVB jetzt schon seit Wochen nicht mehr.

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