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Witali_Klitschko

© ddp

Boxen: Albtraum aus Nigeria

Das Schwergewichtsboxen präsentiert sich in Berlin als Jahrmarktsveranstaltung. Ein Ortstermin.

In einem anderen Leben und an einem anderen Ort hätte Samuel Peter auch Karriere als Türsteher machen können. Er selbst wäre ganz gerne Fußballspieler geworden, das wollen sie fast alle in Nigeria, und auch der kleine Samuel soll begeistert dem Ball hinterhergejagt sein. Bis eines Tages die Boxer in seine Schule nach Akwa Ibom kamen. Alles erwachsene Männer, sie wollten ein bisschen trainieren auf dem Schulhof, und Samuel hat gefragt, ob er denn mal mitmachen dürfe. Er schlug gleich den ersten k.o., und sein Trainer fand, dass Fußball vielleicht doch nicht die richtige Sportart für den damals Elfjährigen war.

Die Geschichte erinnert ein wenig an den Kubaner Teofilo Stevenson, der seinem Trainer als Jugendlicher auffiel, weil er einen Mitschüler beim Volleyball in vollendeter Kunst verprügelte. Der Kubaner Stevenson war der vielleicht beste Schwergewichtsboxer, der nie als Profi gekämpft hat. Samuel Peter ist immerhin Weltmeister. Am 11. Oktober verteidigt er in Berlin seinen Titel gegen Witali Klitschko. Der hält Peter „für einen der besten Boxer der heutigen Zeit“, aber das will nicht viel heißen in diesen Tagen, da das Schwergewichtsboxen zu einer besseren Jahrmarktsveranstaltung verkommen ist. Witali Klitschko ist 37 Jahre alt und hat zuletzt politische Ambitionen gepflegt, aber für einen WM-Kampf nach Version des World Boxing Council (WBC) reicht es immer noch. Ein Sieg über Peter wäre eine schöne Sache für Klitschko, aber wohl doch eher keine Renaissance des Schwergewichtsboxens.

Klitschkos letzter Kampf liegt knapp vier Jahre zurück. Er hat ihn in Las Vegas gegen den Amerikaner Danny Williams gewonnen und ist dann infolge mehrerer Verletzungen zurückgetreten. Klitschko legt Wert darauf, dass er kein Ex-Weltmeister ist, er führt den Titel eines „Champion Emeritus“, eines Weltmeisters im Ruhestand. Wahrscheinlich wäre die Sache mit dem Boxen längst erledigt, wenn er die Wahl zum Bürgermeister seiner Heimatstadt Kiew gewonnen hätte. Hat er aber nicht. Also noch einmal zurück in den Boxring. Trainer Fritz Sdunek bescheinigt ihm bessere Ausdauerwerte als je zuvor in seiner Karriere.

Neben dem eleganten Klitschko wirkt der 15 Zentimeter kleinere Weltmeister ein wenig plump. Zum PR-Termin der fast fertiggestellten Arena an der Eastside Gallery begleiten ihn zwei Manager, ein Trainer und drei Herren mit Sonnenbrillen und schwarzen Anzügen. „Schön, dass du hier bist, Samuel“, sagt Klitschko, „aber du wirkst ein bisschen nervös. Wozu brauchst du die Bodyguards? Hast du Angst vor mir oder vor Deutschland? Also, Deutschland ist ein sicheres Land, und ich werde dir nichts tun, bevor wir uns im Ring sehen.“ Klitschko spricht Englisch, aber der Weltmeister schaut nur gelangweilt zur Seite. Er sagt nicht viel, spricht dafür aber sehr schnell, und oft verschluckt er eine Silbe, was seinen afrikanischen Akzent nicht eben verständlicher macht. Jedenfalls empfiehlt er dem Publikum, pünktlich in die neue Arena am Ostbahnhof zu kommen, „denn der Kampf wird nicht lange dauern“.

Peters Kampfname ist „Nigerian Nightmare“, und zum besseren Verständnis hat der nigerianische Albtraum ein Video mitgebracht. Es zeigt ihn beim Verprügeln anderer Boxer, zwischendurch ruft Peter immer: „You are next, Witali!“ Die Pointe sind die Szenen aus einem Kampf gegen Klitschkos jüngeren Bruder Wladimir, den Peter vor drei Jahren in Atlantic City dreimal zu Boden schlug.

Was der Clip unterschlägt, ist, dass Wladimir Klitschko diesen Kampf einstimmig nach Punkten gewonnen hat. Interessanterweise hält Samuel Peter seinen künftigen Gegner Witali für den besseren der beiden Klitschkos. Wie passt das zusammen mit der Zuversicht, den Kampf schnell und erfolgreich zu beenden? Bevor der Weltmeister etwas sagen kann, antwortet einer der beiden Manager, dass Samuel Peter vor drei Jahren noch am Anfang seiner Karriere gewesen sei und jetzt ungefähr dreimal so gut boxe. „Wir werden noch oft nach Deutschland kommen“, sagt der Manager – und dass er sich schon auf den anderen Klitschko freue.

You are next, Wladimir!

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