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Boxen: Felix Sturm - Khoren Gevor

© dpa

Boxen: Gewonnen, aber wie

Die Formel-1-Prominenz sieht am Nürburgring zu, wie Box-Champion Felix Sturm sich zu einem Punktsieg gegen Khoren Gevor müht.

Khoren Gevor tobte durch den Ring wie ein verwundetes Raubtier. „Ich find’ das richtig scheiße“, brüllte der Profiboxer, der sich betrogen fühlte und immer wieder den Kopf schüttelte. Wenige Augenblicke zuvor war er einstimmig zum Verlierer des Kampfes gegen Felix Sturm am Samstagabend auf dem Nürburgring bestimmt worden. Nach dem Sieg gegen seinen Universum-Stallgefährten bleibt Sturm Weltmeister im Mittelgewicht nach Version des Verbandes WBA.

Einige Prominente, größtenteils aus der Welt des Sports, hatten sich eingefunden, um der Boxshow in den gepolsterten Vip-Boxen vor dem Ring beizuwohnen. Die meisten von ihnen hatten einen recht kurzen Anreiseweg: Angeführt von Formel-1-Papst Bernie Ecclestone hatten sich gleich ein gutes halbes Dutzend aktueller und ehemaliger Grand-Prix-Helden aus der gegenüberliegenden Boxengasse hinüberchauffieren lassen.

Das machte durchaus Sinn, schließlich war der Kampf als Werbeaktion für den neuen, mehr als 250 Millionen Euro teuren Shoppingfreizeitpark an der Rennstrecke anzusehen, zu dem auch die 5500 Zuschauer fassende „Ringarena“ gehört. So lauschte Ecclestone stramm und andächtig der deutschen Hymne vor dem Fight, umringt von Renault-Teamchef Flavio Briatore, Weltmeistervater Anthony Hamilton, Rennpapa Norbert Vettel, Nick Heidfeld, Timo Glock und Keke Rosberg, während Niki Lauda als Komoderator des ZDF unter Beweis stellen konnte, dass er von der Formel 1 mittlerweile nur noch ein bisschen mehr Ahnung hat als vom Boxen. Auch Fußballnationalspieler Lukas Podolski und ein paar mehr oder weniger bekannte Komiker hatten an dem Abend nichts Besseres zu tun. Die größte Aufmerksamkeit erregte der Formel-1-Rekordweltmeister Michael Schumacher, der mit kompletter Entourage die Arena betrat.

Nur kurz nach Schumacher kamen die eigentlichen Hauptpersonen in die Halle, angefeuert von ihren bosnischen respektive armenischen Fangruppen. Weil der gebürtige Bosnier Adnan Catic inzwischen als Felix Sturm für Deutschland boxt, waren die Rollen im Kampf der 30-Jährigen vor dem ersten Schlag klar verteilt: Sturm war der Held, während sein Herausforderer in die Schurkenecke gestellt wurde. Doch Gevor weigerte sich wie Bruce Willis in Pulp Fiction, einfach nur seinen erwarteten Anteil zum Spektakel zu leisten und boxte munter drauflos. So war nach den zwölf Runden eine gewisse Erleichterung zu spüren, dass Sturm seinen Titel behalten durfte.

Wer immer auch gefragt wurde, alle waren sich wie abgesprochen einig, dass Sturm der würdige Sieger war. So befand Michael Schumacher, Sturm habe „die klareren Treffer“ gelandet und sogar Gevors Trainer Fritz Sdunek sah in dem Publikumsliebling den „verdienten Weltmeister, weil er einfach aktiver war“. Die frühere Box-Weltmeisterin Regina Halmich ließ immerhin durchblicken: „Eigentlich hätten es beide verdient gehabt.“ Die drei Ringrichter waren anderer Meinung, einer von ihnen sah Sturm mit deutlichen 117:111 Punkten vorn.

Der neue und alte Titelträger tat sich dennoch ein wenig schwer, sich in Triumphatorpose zu begeben. „Ich hätte nicht erwartet, dass er so hart in diesen Kampf geht“, sagte Sturm mit geschwollenem rechten Ohr und blutiger Lippe und konterte Gevors Tirade mit schwerem Atem: „Um Weltmeister zu werden, muss man schon ein bisschen mehr machen, als nur mit dem Kopf zu schieben.“

In der Tat hatten die beiden Stallkollegen große Teile des Kampfes damit verbracht, mit hochgezogener Deckung wie siamesische Zwillinge mit den Köpfen aneinanderzukleben. Doch wenn, dann war es meist Gevor gewesen, der das Geschiebe aktiv unterbrochen hatte.

Die ersten acht Runden hatte er diktiert und Weltmeister Sturm in der dritten mit einem Wischer sogar kurz zu Boden geschickt – allerdings wurde der Schlag nicht als Treffer gewertet. Der Titelverteidiger blieb bis zur Mitte des Kampfes seltsam passiv und beschränkte sich auf harte Konter.

Trotzdem war es Gevors Trainer Sdunek, der seinen Schützling nach der 10. Runde besorgt fragte: „Willst du noch weitermachen?“ Er wollte, doch es half ihm alles nichts. Bevor Sturm zur Behandlung seines geschwollenen Ohres ins Krankenhaus fuhr, bekam er seinen Gürtel im Ring am Ring, die Prominenz klatschte begeistert, alles war planmäßig verlaufen. Nur Khoren Gevor hatte offenbar niemand etwas davon gesagt. „Ich bin enttäuscht von der ganzen Veranstaltung“, sagte er wütend. „Die haben mich richtig verarscht.“

Christian Hönicke[Nürburg]

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