zum Hauptinhalt

Boxen: Irgendwann trifft die Rechte

Wladimir Klitschko bleibt Weltmeister - brillant aber war nur das Finish: ein klassischer Knockout.

Der Tiger krabbelte durch den Ring. Nur mühsam brachte er sich auf die Beine, seine Augen aber hatten noch lange keinen Halt gefunden. Weil das auch der Ringrichter sah, beendete er den Kampf nach eineinhalb Minuten der elften Runde. Knapp 14 000 Zuschauer in der Hamburger Color Line Arena johlten vor Freude, die Promis in den vorderen Reihen rührten ihre Hände zum Applaus und Wladimir Klitschko reckte seine Faust. Schließlich legte ihm ein Betreuer die drei albernen WM-Gürtel an, einen um den Bauch, zwei über die Schulter. Ein sicheres Zeichen des Erfolgs – ein erwartetes.

Gut eine Stunde später funkelte eine taubeneigroße Beule unter dem linken Auge des Weltmeisters. Es funkelte um die Wette mit den Augen der Leute des übertragenden Senders RTL, den Samstagnacht beinahe zehn Millionen eingeschaltet und für ein hübsches Geschäft gesorgt hatten . Ein 30-Sekunden-Werbespot während der Rundenpausen kostete stattliche 100 000 Euro, und deshalb war es nicht nur gut, dass der Richtige gewonnen hatte, sondern das er sich dabei auch richtig viel Zeit ließ.

Tony Thompson hieß der Herausforderer des Champions der Verbände IBF, WBO und IBO. Der Mann aus Washington D.C. schaffte es immerhin, den Titelverteidiger seiner stärksten Waffe zu berauben. Der Jab, der schnelle Schlag mit der linken Führhand, den vielleicht besten der Welt, konnte Klitschko nicht anbringen. Thompson ist nur unwesentlich kleiner als der Zwei-Meter-Mann aus der Ukraine und er ist Rechstausleger, was bedeutete, dass dessen lange rechte Führhand der des Champions stets im Weg war. „Tony hat gut verteidigt, ich wusste, dass er unangenehm boxt, aber im Ring habe ich gespürt, dass es heute etwas dauern würde“, sagte Klitschko.

Tatsächlich hatte der Titelverteidiger in den ersten Runde Mühe, die richtige Distanz und den richtigen Rhythmus zu finden, ab Mitte des Kampfes aber wurde er lockerer und entschlossener. Als Thompson in der sechsten Runde ein paar Schläge an Klitschkos Kopf setzte, konterte der 32 Jahre alte Adonis mit schweren rechten Geraden. Ab der zehnten Runde war Thompson nur noch darum bemüht, irgendwie stehend aus dem Kampf zu kommen, auch Klitschko atmete schwer. Nachdem Klitschko seinem Kontrahenten unabsichtlich auf den Fuß gestiegen war, fielen beide übereinander auf den Ringboden. Beide berappelten sich und in der elften Runde versuchte Thompson, mit dem Mute der Verzweiflung ein paar Schläge anzubringen. Auf den Punktzetteln lag er hoffnungslos hinten. Als ein Schlag ins Leere flog, war er für eine Sekunde unachtsam. In diese defensive Unordnung schlug Klitschko seine Rechte an das Kinn, Thompson fiel vorn über.

„Wladimir hat nicht so roboterhaft geboxt wie zuletzt“, sagte Lennox Lewis. Der Brite, der für den amerikanischen Bezahlsender HBO am Ring saß, war der letzte uneingeschränkte Weltmeister im Schwergewicht. Bei Klitschkos schmucklosen Sieg im Februar über den WBO-Weltmeister Sultan Ibragimow sagte Lewis noch: „Wir brauchen ganz schnell einen wirklich guten Kampf, damit wir diesen hier vergessen können.“ Jetzt sagte Lewis: „Ich habe an seinen Augen gesehen, dass er den K. o. will.“

Der Hamburger Auftritt Klitschkos war besser, brillant aber war nur das Finish – ein klassischer Knockout. „Er hat heute einen guten Job gemacht“, sagte Thompson, „ich konnte meinen Plan nicht durchbringen.“

Einen K. o. könne man nicht planen, sagte Klitschko, als der Abend in den Morgen übergegangen war. Seine Schläge habe er mit voller Kraft auf Reise geschickt, aber es bedürfe das richtige Timing um volle Wirkung zu entfalten. „Wenn Plan A nicht funktioniert, greift Plan B.“, sagte Klitschko. Sein Jab stach nicht, dafür saß seine Rechte.

Als nächster Gegner wartet nun Alexander Powetkin auf Klitschko. Der Russe ist Pflichtherausforderer der IBF. Bis dahin wird die Beule aus Klitschkos Gesicht gewichen sein. Schade eigentlich, meinte Wladimir Klitschko lächelnd. Er habe lange kein blaues Auge mehr gehabt, nun hatte er eins. „Jetzt sehe ich aus wie ein Boxer.“

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false