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Strahlender Held. Felix Sturm muss heute gegen Predrag Radosevic beweisen, dass von ihm mehr kommt als großspurige Ankündigungen. Foto: pa/dpa

© picture alliance / dpa

Boxen: Quotenheld in der Warteschleife

Boxer Felix Sturm braucht in der WM-Qualifikation einen überzeugenden Sieg.

Diesmal werde die Welt einen anderen Felix Sturm erleben, prophezeit der Kronzeuge: Viel fokussierter, konsequenter, unerbittlicher als zuletzt. Keinerlei Ablenkung mehr, keine medial wirksamen Pirouetten – einfach nur boxen, so hochklassig er das kann. Nachdem er sich zuvor wohl doch zu sehr vom süßen Leben als rumgereichter Vorzeigeboxer habe ablenken lassen.

Der knallbunte Mikrokosmos der Preisboxer ist voller großspuriger Ankündigungen, die im Ring manchmal wahr werden und manchmal nicht. In diesem Fall jedoch ist die Quelle halbwegs seriös, da es sich um Sturm selbst handelt – jenen ehemaligen Weltmeister im Mittelgewicht, der nach dem Titelverlust im vergangenen September ganz schnell zurückkommen wollte. Und dabei zunächst scheiterte, als er Anfang Februar in Düsseldorf dem Australier Sam Soliman umstritten nach Punkten unterlag.

Welch ein herber Rückschlag für den sonst so selbstbewussten Profi, der sich in der Kölner Südstadt und drumherum gerne als Weltbester seiner Gewichtsklasse verehren lässt. Und diesen Nimbus zurückhaben will, der seine Marke als Quotengarant des Privatsenders Sat 1 stützt – gerade jetzt, im 35. Lebensjahr und nur noch zwei Kämpfe vom vorläufigen Ende des TV-Vertrags entfernt. Da geht es ihm nicht anders als dem Tennisspieler Thomas Haas oder dem Fußballer Miroslav Klose: Die halbe Nation und die gesamte Presse warten nur darauf, Anzeichen für einen Substanzverlust zu entdecken.

Also muss Sturm noch mehr drauflegen im Training, noch wütender auf die Lederpratzen eindreschen, die ihm der bedauernswerte Meistercoach Fritz Sdunek bei jeder Gelegenheit entgegenhält. Der 66 Jahre alte Boxlehrer ist spürbar erleichtert, dass sein Schützling das Körpergewicht diesmal viel früher runtergefahren hat. Das laxe Zocken mit den Kilos hat Sturm zuletzt mehr zugesetzt, als der es zugeben mag. In Düsseldorf ist er von der höheren Schlagfrequenz des 39-jährigen Soliman überrumpelt worden, das hat nicht gut ausgesehen – auch wenn sich im Nachgang herausstellte, dass dieser mit einer sogenannten Designerdroge gedopt war.

Heute Abend wartet in Dortmund mit Predrag Radosevic ein gerade 28 Jahre alter Widersacher auf ihn. Das macht die Sache für Sturm (37 Siege, 2 Remis, 3 Niederlagen) gleichzeitig schwerer und leichter. Der betont höfliche Mann aus Montenegro mag manche Defizite haben, aber ganz sicher keines mit der Kondition. Andererseits wird er nach 27 Erfolgen gegen wenig renommierte Konkurrenten noch immer nicht hoch gehandelt. Außer von der International Boxing Federation (IBF), die ihn merkwürdigerweise gleich hinter Sturm an vierter Stelle in der Rangliste führt. Warum, das wissen allenfalls ihre Funktionäre.

Ein Sieg über die Nummer 76 der unabhängigen Computer-Rangliste, um dann eine garantierte WM-Chance wahrzunehmen: Noch niedriger hätte das Stöckchen, über das Sturm jetzt springen muss, vom Papier her kaum ausfallen können. Die Weltverbände im Boxen sind in diesen Tagen zu allen nett, von denen sie sich gemeinsame Geschäfte versprechen. Unter diesen Umständen ist Felix Sturm allerdings zu einem überzeugenden Sieg verdammt: Er muss nicht nur der IBF, sondern auch dem Vertragssender eine überzeugende Vorstellung bieten, damit es für ihn auf höchstem Preisniveau weiter geht.

Die Zeiten, als Sat 1 ausschließlich auf ihn setzte, sind inzwischen vorbei. In acht Tagen überträgt dieselbe Fernsehstation den Weltmeisterschaftskampf von Robert Stieglitz, dem Magdeburger Supermittelgewichts-Champion der WBO. Das ist keine Änderung der Strategie, wie Sat 1 auf Anfrage versichert, sondern eine Erweiterung. Außerdem liefen in Sachen Sturm bereits „Gespräche, in denen wir gemeinsam die Möglichkeiten ausloten“.

Das klingt ungefähr so, wie Felix Sturm zuletzt geboxt hat: ganz gut, aber nicht gerade fulminant.

Bertram Job

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