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Sport: Boxen: Stolzer Verlierer

Der Kampf endete paradox: Timo Hoffmann hatte keine Runde gewonnen und riss beide Fäuste nach oben, derweil Witali Klitschko, nur den rechten Arm in die Höhe gestreckt, sichtlich müde in seine Ecke trottete. Der Ukrainer gewann den vakanten Europameistertitel im Schwergewicht und trat das Erbe seines kleinen Bruders Wladimir an.

Der Kampf endete paradox: Timo Hoffmann hatte keine Runde gewonnen und riss beide Fäuste nach oben, derweil Witali Klitschko, nur den rechten Arm in die Höhe gestreckt, sichtlich müde in seine Ecke trottete. Der Ukrainer gewann den vakanten Europameistertitel im Schwergewicht und trat das Erbe seines kleinen Bruders Wladimir an. Der deutsche Meister Hoffmann aber eroberte den Respekt des Publikums und der Medien durch seine Kampfmoral. Auch wenn der Außenseiter diese Courage zwölf Runden lang hinter einer Doppeldeckung verbarg. "Die Fans sind umgeschwenkt. Das macht mich stolz, und das war mein großer Sieg", sagte der Verlierer mit überlegenem Lächeln. "Jetzt kennt man Timo Hoffmann in Deutschland." Auf den Eintrittskarten und Plakaten hatte nicht einmal sein Name gestanden.

Das finale Szenario, die Siegerpose des Verlierers, die Mattigkeit des Siegers, stand im krassen Gegensatz zur Einseitigkeit des Kampfes. Zweimal 120:108 Punkte werteten die Kampfrichter Jose Martin Pasamar (Spanien) und der Deutsche Kurt Ströer. Also alle zwölf Runden für Klitschko. Der andere deutsche Punktrichter, Axel Zielke, hatte Hoffmann wenigstens in einer Runde gutgeschrieben: 119:109. Hoffmann bewegte sich, vorwärts zwar, mit dem Tempo eines Elefanten durch den Ring, die Fäuste und Arme wie einen Panzer vor Kopf und Körper. Klitschko schlug mit einem Eifer auf die Doppeldeckung, als würde er nach Schlagzahl bezahlt. Seine Klage: "Timo hat sich nicht geöffnet und mir keine Chance gelassen, ihn hart zu treffen." Sein Trainer Fritz Sdunek nannte andere Gründe für die vermisste alte Schlagkraft. "Witali hat nach seiner Schulteroperation noch nicht effektiv gearbeitet, sehr viel auf die Deckung geschlagen und dabei unnötig viel Kraft gelassen."

Die Frage war: Würde Klitschko die Deckung weichklopfen oder würde er sich müde schlagen. "Ab der achten Runde hat er geschnauft", stellte Hoffmann fest. Die ersten Blessuren in Klitschkos Gesicht nahmen Farbe an, obwohl Hoffmann den beweglichen Gegner bis dahin allenfalls mit dem linken Jab touchiert hatte. Seine rechten Heumacher gingen ins Leere, wenn er sich mit seiner ganzen Masse auf Klitschko warf. Vor der zehnten Runde hob Hoffmann die rechte Faust wie zum Zeichen: So, jetzt komm ich. "Ich wollte nochmal Tempo machen." Tatsächlich landete der 26-jährige einstige Konditor aus Eisleben in dieser Runde seinen besten Schlag, eine Rechte, die Klitschkos Knie kurz einknicken ließen und Blut auf der Lippe hinterließ. "Hier stand Timo kurz vor dem K.o.-Sieg", behauptete sein Manager Wilfried Sauerland sogar, eine Bemerkung mit Heiterkeitserfolg. Dennoch: Für die Champions League im Schwergewicht hat sich Witali Klitschko bei seinem Coemback nicht empfohlen. Er wünscht sich zwar nun Mike Tyson oder Evander Holyfield als nächsten Gegner. Doch Sdunek bremst: "Zwei, drei Aufbaukämpfe braucht Witali schon noch." Und Hoffmann? Der werde im März wieder boxen gegen einen leichteren Gegner, kündigte Sauerland an. Was nichts an dessen hochtrabenden Plänen ändert: "Der Kampf hat Spaß gemacht und ich möchte das Vergnügen mit Witali noch einmal haben. Das nächste Mal schlage ich ihn. Aber die werden sich jetzt nicht mehr zum Rückkampf trauen. Ich werde noch große Kämpfe präsentieren, denn mein Ziel ist es, Europa- und dann Weltmeister zu werden."

Hartmut Scherzer

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