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Boxen: Samuel Peter vs Vitali Klitschko

© ddp

Boxkampf in Berlin: Witali Klitschko ist wieder Weltmeister

Profiboxer Witali Klitschko ist wieder Schwergewichts-Weltmeister des Weltverbandes WBC. Bei seinem Comeback gewann der 37 Jahre alte Ukrainer Samstagnacht in Berlin durch Aufgabe von Titelverteidiger Samuel Peter aus Nigeria nach der achten Runde.

Zwei Stunden nach dem letzten Punch, als der alte Champion in der Umkleide die Beulen kühlte und der neue mit seinem Bruder vier Weltmeister-Gürtel vor sich drapierte, da war es wie früher in der Milchschnittenwerbung. Nur dass es diesmal nicht um links-rechts-am-besten-erstmal-Pause ging, sondern um die immer offene und doch noch nie offiziell gestellte Frage: Wer ist denn nun der bessere der beiden boxenden Brüder Klitschko?

Es bewarben sich zu später Stunde: Witali, der gerade nach vier Jahren Pause ein sensationelles Comeback hingelegt und den Nigerianer Samuel Peter nach einseitigen acht Runden zur Aufgabe gezwungen hatte. Und Wladimir, der als erster Gratulant in den Ring gestürmt und seinem Bruder um den Hals gefallen war.

Der fünf Jahre jüngere Wladimir lehnte sich zurück und begann den Schlagabtausch: „Bruder, sei vorsichtig!“ – „Du hast früher meine Spielsachen geklaut!“ – „Und du hast mir in den Hintern getreten!“ – „Dein Weltmeistergürtel gefällt mir!“ – „Aber ich bin stärker als du!“ Der gespielte Sketch in der weit nach Mitternacht längst menschenleeren Arena am Ostbahnhof war der perfekte Ausklang einer denkwürdigen Boxnacht. Witali und Wladimir haben sich einen Traum erfüllt und sind nun beide gleichzeitig in verschiedenen Verbänden Weltmeister. Sie werden nie gegeneinander boxen, das wäre schlecht fürs Marketing, und außerdem haben sie es der Mama versprochen. Aber gemeinsam sind sie stark genug, die Boxwelt zu beherrschen – was aber auch daran liegt, dass die Boxwelt zur Zeit nicht besonders stark ist.
 
Samuel Peter: Körperlich und intellektuell überfordert

Vielleicht hatte die Boxwelt am Samstag auch nicht ihren besten Tag. Wenn Samuel Peter, schwerfällig, körperlich und intellektuell überfordert, die Zukunft des Schwergewichts sein soll, dann kann sich Witali Klitschko mit seinen gerade erst 37 Jahren auf eine lange Karriere im Ring einstellen. Der gewesene Weltmeister nach Version der WBC trug einen weißen Mantel mit der Aufschrift: „The joy of the Lord is my strength, Hallelujah!“ Gott hatte nicht viel Freude mit dem frommen Faustkämpfer, und das mit dem Halleluja hatte sich Samuel Peter wahrscheinlich auch anders vorgestellt.

Von der ersten Sekunde an war der Titelverteidiger einer im reduzierenden Sinne des Wortes. Vor lauter Verteidigen kam Peter nie zum Angreifen. Wenn er denn eines beherrschte, dann war es die Kunst des Einsteckens. Schon in der ersten Runde wären weniger standfeste Boxer zu Boden gegangen. Immer wieder verzweifelte Peter an Klitschkos linker Führungshand. Sie fand leicht durch die Deckung des Nigerianers, hielt ihn auf Distanz und nahm ihm damit jede Chance, selbst die Initiative zu ergreifen. Ein Stakkato von Wirkungstreffern landete an seinem Kopf, und als der Ringsprecher nach vier Runden gemäß dem Reglement des Weltverbandes WBC den Zwischenstand der Kampfrichter in die Halle rief, hatte Peter jede einzelne Runde verloren.

Daran änderte sich auch in den vier folgenden Runden nichts. Dann hatte der Weltmeister genug und wurde zum Ex-Weltmeister. Unmittelbar nach der Bekanntgabe des zweiten Zwischenstandes schüttelte Peter den Kopf, er hob die Hand, worauf ein Betreuer zum Ringrichter lief. Schluss, aus, vorbei. Peters Manager Ivaylo Gotsev behauptete zwar, der Trainer hätte das Handtuch geworfen, „Samuel ist ein echter Kämpfer, er würde nie aufgeben“. Die Körpersprache des Geschlagenen war eine andere. Schwerfällig wankte er aus dem Ring. Später verzichtete Peter auf einen Besuch der nächtlichen Pressekonferenz. Über Gotsev ließ er ausrichten, er fühle sich nicht besonders gut und wolle sich den Kampf erst einmal auf Video anschauen.

Klitschko: "Schaut euch meine Hände an"

Zurück blieb ein glücklicher Witali Klitschko, der aber auch ein wenig traurig war, weil ihm versagt blieb, was noch jeden Boxkampf krönt: der entscheidende Schlag, der den Gegner in den Ringstaub schickt. „Ich ziehe den Hut vor Samuel, er hat wahnsinnig viel eingesteckt“, sagte der neue Weltmeister. „Schaut euch meine Hände an, sie sind geschwollen, aber er ist einfach nicht k.o. gegangen. Aber ich bin mir sicher, dass ich ihn in einer der beiden nächsten Runden ausgeknockt hätte.“

Wahrscheinlich hat Witali Klitschko, der technisch weniger talentierte der beiden Brüder, nie so gut geboxt wie am Samstag in Berlin. „Er war boxerisch noch eine Klasse stärker als sonst“, befand Trainer Fritz Sdunek. 12 000 Zuschauer in der ausverkaufen Arena feierten Klitschko mit lang anhaltenden Sprechchören, und auch Don King hatte irgendwo im Publikum noch ein ukrainisches Fähnchen gefunden, mit dem er in Richtung Fernsehkamera schwenken konnte..

Jetzt gegen den russischen Riesen Walujew?

Der zwielichtige Promotor mit der Starkstromfrisur wird die Finger mit im Spiel haben, wenn es um Klitschkos Zukunft geht. Der neue Weltmeister fühlt sich „fit und gesund, ich will weiterboxen“. Aber gegen wen? Eine Pflichtverteidigung gegen den Kubaner Juan Carlos Gomez vom Hamburger Arena-Boxstall erscheint wenig reizvoll, ein Kampf gegen Bruder Wladimir ist ausgeschlossen, was die Möglichkeiten zur Eroberung neuer WM-Gürtel einschränkt, weil der jüngere Klitschko gleich drei davon besitzt. Bleibt nur ein Kampf gegen den Weltmeister nach Version der WBA. Das ist der Russe Nikolai Walujew, der sich vor allem mit seinen 2,13 Meter Körpergröße und weniger mit seinem boxerischen Können einen Namen gemacht hat. Don King hält Promotorrechte an Walujews Kämpfen, gerade erst wollte er ihn in eine Zirkusnummer mit dem 45-jährigen Amerikaner Evander Holyfield schicken. Walujew hat abgelehnt.

Witali Klitschko wollte in der Nacht zu Sonntag keine Namen nennen. „Aber natürlich wäre es ein Ziel, alle WM-Gürtel in der Familie Klitschko zu vereinen.“ Das ginge nur über einen Sieg gegen Walujew. Der Traum geht also weiter, auch mit 37 Jahren und dem zweiten Comeback als Weltmeister? „Natürlich“, sagte Klitschko. „Ich träume immer. Ohne Träume wäre das Leben langweilig.“

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