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Sport: „Boykotte bringen nichts“

Tischtennis-Weltpräsident Sharara über die Politik bei Olympia und die chinesische Dominanz

Mister Sharara, die Olympischen Spiele finden in China statt, wo Tischtennis Nationalsport ist. Wird Tischtennis den größten Moment seit seiner Erfindung erleben?

Es wird sicher ein besonderer Moment, ob es der größte ist, weiß ich nicht. Es gab schließlich auch noch andere wichtige Momente in der Geschichte unseres Sports, denken Sie an die Pingpong-Diplomatie 1971 …

… als Amerikaner und Chinesen Tischtennisspiele als Mittel für ihre politische Annäherung nutzten …

… oder an das Debüt von Tischtennis bei Olympia 1988 in Seoul. Aber natürlich wird Peking ein Meilenstein.

Wie könnten die Spiele in Peking Tischtennis verändern?

Ich glaube nicht, dass die Spiele Tischtennis maßgeblich verändern. Sie werden die Fernsehpräsenz in China noch einmal steigern und natürlich werden sie die Aufmerksamkeit bei Entscheidungsträgern im Sport wie den Offiziellen des Internationalen Olympischen Komitees erhöhen. Aber schon bei den Spielen 2004 in Athen waren bei den Finals alle Spitzenvertreter des IOC in der Halle.

Zurzeit sprechen die meisten über Politik, wenn sie über die Olympischen Spiele reden. Auch Sportverbände kritisieren die Menschenrechtssituation in China wie die chinesische Tibet-Politik. Ist die ITTF vielleicht sogar in einer besonderen Rolle, weil sie China besser kennt als andere?

Die ITTF ist ein Sportverband, wir halten uns aus Regierungspolitik heraus. Das ist die Aufgabe der Regierungen und der Menschenrechtsorganisationen, die sich ja zu diesem Zweck gegründet haben. Deshalb werden wir uns nicht mit einer Stellungnahme an irgendwelche staatliche Stellen wenden. Wir sind völlig gegen Boykotte von jeglichen Sportveranstaltungen, sie bringen nichts. Wir glauben, dass die einzige Wirkung eines Boykotts eine negative für die Athleten ist. Unsere Aufgabe ist aber, die Interessen der Athleten zu schützen.

Wie eng ist die Zusammenarbeit zwischen ITTF und den Chinesen?

Es gibt gute Verbindungen zwischen beiden Seiten. Wir wollen auch versuchen, eine Tischtennis-Akademie an der Peking-Universität aufzubauen, um dort Trainer und Spieler aus der ganzen Welt in ihrer Entwicklung zu unterstützen.

Was müssen die Europäer tun, um den Rückstand auf die Chinesen zu verkürzen?

Jeder nationale Tischtennisverband in Europa, der denkt, er hätte das Zeug dazu, Weltspitze zu werden, sollte einen Plan machen: Wie können wir in einer bestimmten Zeit Weltmeister werden? Er sollte das selbst versuchen, nicht im Zusammenschluss mit anderen Ländern. Dazu haben mehrere europäische Länder das Potenzial: Deutschland, Russland, Frankreich und andere. Doch sie glauben nicht, dass sie es auch tatsächlich schaffen können und verbringen viel Zeit mit Diskussionen über „Gemeinschaftslösungen“. Aber das funktioniert nicht.

Werden die Spiele in Peking vielleicht sogar die chinesische Dominanz verstärken?

Das könnte sein. Die chinesische Dominanz ist das Ergebnis eines sehr guten Systems in China für unseren Sport. Dieses System gibt es schon seit vielen Jahren und wird ständig verbessert. In der Vergangenheit hatten die Chinesen sehr gute technische Fähigkeiten, aber waren unterlegen, was die körperliche Fitness und die Ausrüstung betraf.

Was wird Ihrer Meinung nach in Peking größer sein für die chinesischen Spieler: die Stärke, in ihrem eigenen Land zu spielen, oder der Druck auf sie?

Die Stärke, in ihrem eigenen Land zu spielen und sich dort auch vorbereiten zu können. Ich könnte mir jedoch vorstellen, dass einzelne Spieler unter dem Druck auch zusammenbrechen.

Die Fragen stellte Friedhard Teuffel.

Adham Sharara, 55, ist seit 1999 Präsident des Internationalen Tischtennis-Verbandes (ITTF). Der Kanadier setzte auch die Verkürzung der Satzdauer auf elf Gewinnpunkte durch.

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