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Sport: Brasilianischer Experimental-Film

Von Klaus Rocca Berlin. Nein, gefeiert hat er nicht.

Von Klaus Rocca

Berlin. Nein, gefeiert hat er nicht. Grund genug hätte er gehabt, nach dem Triumph seiner Landsleute in Yokohama, den er vor dem Bildschirm einer deutschen Fernsehanstalt verfolgte. Doch Camillo de Brito, kurz Nené genannt, ist Profi. Fußballprofi. Und als solcher wusste er, dass er sich am gestrigen Morgen fit präsentieren musste. Vielleicht nicht unbedingt topfit, denn Huub Stevens konnte ja beim Saisoneröffnungs-Training von Hertha BSC nach langer Urlaubszeit keine optimale körperliche Verfassung erwarten. Doch Nené weiß auch, dass er in den nächsten Tagen oder gar Wochen unter besonderer Beobachtung des neuen Hertha-Trainers steht. Schließlich will Nené einen Vertrag beim Berliner Bundesligisten erhalten. Und dazu muss er beim Probetraining einen guten Eindruck hinterlassen.

Erste Pluspunkte hat er bei Stevens gesammelt. Schon vor Wochen. Da fragte ihn Stevens in Nenés Heimatland Brasilien, ob er Lust hätte, in Deutschland zu spielen. Ja, hatte er, am liebsten bei Hertha, wo sein früherer Gegen- und Mitspieler Marcelinho gegen den Ball tritt. Da müsse er aber, so Stevens, ein Probetraining absolvieren, „denn ich habe dich lediglich auf einer Videokassette gesehen“. Nené sagte sofort zu. Das imponierte Stevens. Da akzeptierte einer das Probetraining, der beim Rekordweltmeister einen n hatte, mit Corinthians São Paulo Meister, mit Gremio Porto Allegre Pokalsieger wurde und in der Nachwuchs-Auswahl des Landes spielte.

Und der in Brasilien nach seiner Kreuzbandoperation wieder sehr begehrt war. Umso begehrter, als er ablösefrei zu haben war, nachdem er im Streit mit seinem Klub Gremio Porto Alegre, von dem er noch viel Geld bekommen hätte, ohne Rechtsstreit seinen Spielerpass ausgehändigt bekam. „Aber in Brasilien ist es zu riskant, einen Vertrag zu unterschreiben. Die meisten Klubs sind total überschuldet und können ihre Zusagen nicht einhalten“, begründete der 27-Jährige seinen Blick nach Europa. Hier, wo er 1997 schon einmal bei Sporting Lissabon kickte.

Auch aus der Türkei lagen ihm Angebote vor, doch Nené war auf Hertha fixiert. Weil er von seinem Freund Marcelinho so viel Positives gehört hat. Und weil „Hertha ein Klub ist, mit dem ich Großes erreichen kann“, ließ er dolmetschen. Deutsch versteht er kaum ein Wort, obwohl seine Frau deutsch-italienischer Abstammung ist. Sie und der gemeinsame dreijährige Sohn blieben erst einmal in der Heimat. Man weiß ja nie, was so ein Probetraining bringt.

Deshalb wohnt Nené auch erst mal in einem Hotel. Nicht die ideale Voraussetzung, um sich zu integrieren. Doch Herthas Dolmetscher Maldaner wohnt im selben Hotel, Marcelinho und Alves sieht er täglich beim Training. Gestern, beim Auftakt auf dem neuen Trainingsgelände am Olympiastadion, suchte er stets die Nähe von Alves. Der weiß aus leidvoller Erfahrung, wie es ist, sich in ungewohnter Umgebung zu behaupten.

Ob sich Nené bei Hertha BSC auch am Ball behaupten kann, wird sich bald zeigen. Eher schmächtig ist der 186 Zentimeter große Linksfüßler, Verteidiger wie er sind meist robuster. Doch Stevens ist zuversichtlich: „Wenn er das hält, was er auf der Videokassette zeigt, wird er für uns eine große Verstärkung.“ Nené hörte es nicht. Doch man wird es ihm zutragen. Zur Stärkung seines Selbstbewusstseins braucht er diese Einschätzung nicht. Davon hat Nené genug.

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