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Sport: Breites Grinsen

Deutschland denkt voller Zuversicht an die EM

In der grell ausgeleuchteten Welt des Fußballs ist die Mannschaftskabine so etwas wie die letzte Zuflucht vor den Blicken der Öffentlichkeit, Enthüllungen aus dem Allerheiligsten gelten sogar als Geheimnisverrat. Am Mittwochabend aber konnten die deutschen Nationalspieler nicht verbergen, was sie nach dem 0:0 gegen Wales in der Kabine getan hatten. Lange nach Abpfiff war niemand von ihnen gesichtet worden, doch kaum war im Fernsehen die Zusammenfassung des Spiels England gegen Kroatien beendet, drängten die deutschen Fußballer ins Freie. Sie hatten in der Kabine das Scheitern der Engländer am Fernseher verfolgt.

Über die Reaktionen drangen nur gefilterte Informationen an die Öffentlichkeit: Torhüter Jens Lehmann, in London beim FC Arsenal angestellt, bedauerte glaubhaft das Fehlen der Engländer bei der Europameisterschaft, Oliver Bierhoff, der Manager der Nationalmannschaft, sagte: „Es belastet und stört uns auch nicht.“ Die vorherrschende Meinung aber war am ehesten dem Gesicht von Clemens Fritz abzulesen. „Wir waren – überrascht“, sagte er. Dann fing er breit an zu grinsen.

Die Deutschen freuten sich eher still, dabei muss das Scheitern der Engländer zumindest Bundestrainer Joachim Löw ganz gut ins Konzept gepasst haben. Löw hatte im Laufe der insgesamt erfolgreichen Qualifikation seiner Mannschaft immer wieder auf die parallelen Schwierigkeiten anderer großer Fußballnationen wie Frankreich, Italien oder England verwiesen. Zuletzt geriet seine Argumentation immer stärker ins Wanken, nachdem sich die anderen Großen doch noch mehr oder weniger souverän für die EM qualifiziert hatten.

Trotzdem wurde Löw nach dem Spiel von einem türkischen Journalisten gefragt, wie denn das EM-Finale Deutschland gegen die Türkei ausgehen werde. „Das ist eine Frage, die geht mir zu weit“, antwortete er. Die EM wird sich wohl als das erwartet schwere Turnier erweisen, bis auf England versammelt das Teilnehmerfeld alle relevanten Nationen, weswegen es schon in der letzten Qualifikationsrunde um die beste Positionierung für die Gruppenauslosung ging – mit dem Ergebnis, dass am Ende alles durcheinander geriet. Mit dem 0:0 gegen Wales verhinderten die Deutschen die Einteilung in den mutmaßlich undankbaren Lostopf eins, dafür landeten sie statt in Topf zwei in Topf drei. Ein Vorteil? Ein Nachteil? „Wir wollen bei der EM bis zum Schluss dabei sein“, sagte Miroslav Klose, „da ist es egal, ob wir starke oder nicht so starke Mannschaften in der Gruppe haben.“

Bis zur 0:3-Niederlage gegen Tschechien vor fünf Wochen durften sich die Deutschen noch als einziger seriöser Anwärter auf den Titel fühlen. Inzwischen haben sie sich selbst ein wenig relativiert. In den letzten vier Spielen blieben sie dreimal ohne Tor, auch im Zweikampfverhalten, der Defensivorganisation und bei Standardsituationen meldete Löw Verbesserungsbedarf an. Doch anders als vor der WM, als die Mannschaft erst auf den letzten Drücker Struktur und Gestalt fand, stürzen derartige Mängel die Nation nicht mehr in existenzielle Verzweiflung.

Neben der Rückkehr der verletzten Führungskräfte Ballack, Frings und Schneider und einem schneidigen Konkurrenzkampf um die Plätze im EM-Kader setzt die Mannschaft vor allem auf die unmittelbare Vorbereitung vor dem Turnier. Dass Löw es vor der WM geschafft hat, aus einem Wackelpudding eine Viererkette zu formen, hat ihm bei seinen Spielern einen fast mystischen Ruf eingebracht. „Wir können vor der EM noch mehrere Wochen zusammen sein“, sagte Philipp Lahm. „Das hilft uns.“ Das ist der Unterschied zu früher: Da hätten sich die Deutschen vor dem Lagerkoller gefürchtet.

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