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Sport: Bremen feiert in München

Mit einem 3:1-Sieg beim FC Bayern gewinnt Werder zum vierten Mal die Meisterschaft

München. Der Abstand zur feiernden Bremer Meute war beträchtlich. Die gesamte Mannschaft war über die Tartanbahn zu den vor Begeisterung rasenden Fans geeilt, samt Ersatzspielern und gesamter Entourage, einige hatten sich schon eilig die heimlich gedruckten Meister-Shirts übergestreift, und alle Beteiligten näherten sich in großen Schritten einem Zustand grün-weiß getränkter Ekstase. Meister geworden beim FC Bayern, dem großen Rivalen, auf dessen ureigenem Terrain, noch dazu durch ein beinahe unverschämt ungefährdetes und brillant herausgespieltes 3:1 das war Anlass genug für einen endlos erscheinenden Moment grenzenloser Ausgelassenheit.

Nur einen schien all das nicht zu betreffen. Thomas Schaaf stand nur einige Schritt weit vom Mittelkreis entfernt, er hatte die Arme vor der Brust verschränkt und schaute sich das Spektakel aus sicherer Distanz an. Ausgelassenheit – warum? Das Spiel war, nüchtern betrachtet, der logische Schlussakt der ablaufenden Saison, und da Thomas Schaaf Dinge in aller Regel nüchtern betrachtet, sah er keinen Anlass, fanatisch umherzuhopsen.

Die 90 vorangegangenen Minuten, in denen die Bremen ihren Meistertitel perfekt machten, waren in der Tat nichts anderes als eine Blaupause der abgelaufenen Saison – eine Miniaturausgabe dessen, womit sich die Bremer im letzten Dreivierteljahr mit spielerischer Eleganz, taktischer Klugheit und unbeirrbarer Gelassenheit eine deutliche Führung in der Tabelle erarbeitet haben. „Die Bremer waren uns in der ersten Halbzeit in allen Belangen überlegen“, sagte Bayerns Vorstandschef Karl-Heinz Rummenigge, „sie waren laufbereiter, aggressiver, taktisch und technisch besser und haben zu Recht in dieser Höhe geführt.“ 3:0 stand es zur Pause, vieles deutete auf eine Demütigung des noch amtierenden Meisters hin.

„Wettbewerbsverzerrung“ höhnten Fans zur Pause in Anlehnung an Uli Hoeneß’ Vorwürfe der Vorwoche, als der Bayern-Manager dem Hamburger SV ob dessen 0:6 gegen Werder fehlende Professionalität vorwarf. Dabei war solche Kritik auch diesmal unbegründet: Die Bremer waren schlicht eine Klasse besser, mindestens.

Es entbehrte nicht einer gewissen Tragik aus Münchner Sicht, dass das Spiel auch aus ihrer Warte eine gewisse Stetigkeit zeigte. Wie schon in Champions League und Pokal, wo Oliver Kahn durch Fehlgriffe zum Ausscheiden beigetragen hatte, leitete er auch dieses sportliche Unglück ein. Als der Nationaltorwart ein harmloses Zuspiel in Empfang nehmen wollte, prallte der Ball von seiner Brust vor die Füße Ivan Klasnics, der flink reagierte und den Ball aus der Drehung ins Tor hob. „Das war sein dritter Fehler in einem wichtigen Spiel, ich denke, dass er damit darüber hinweg ist“, sagte Bayerns Trainer Ottmar Hitzfeld über Kahns Lapsus.

Ihren Höhepunkt nahm die fußballerische Demonstration Mitte der ersten Halbzeit. Das zweite Bremer Tor, eine Lupferstafette mit den Beteiligten Frank Baumann, Fabian Ernst und Johan Micoud, hatte dabei ähnlich hohen ästhetischen Anspruch wie das 3:0 durch Ailton: Der Stürmer schlenzte den Ball aus 20 Metern aus dem Stand ins entfernte Toreck. Das war nach einer guten halben Stunde, die vorzeitige Entscheidung.

Die wie paralysiert auftretenden Münchner fanden nur mühsam zu ihrem Spiel . Die Hoffnung war ohnehin aufgebraucht. Rummenigge war schon zur Halbzeit der Meinung, „den Glückwunsch kann man schon jetzt aussprechen“. Zwar gelang Roy Makaay kurz nach der Pause das 1:3, doch dies war eher als Zeichen Bremer Nachlässigkeit zu werten denn als Münchner Dominanz. Beide Seiten erspielten sich noch einige Chancen, für Spannung sorgte dies nicht mehr. 20 Minuten vor Schluss ergaben sich die Bayern - „Herzlichen Glückwunsch SV Werder Bremen“ blinkte von der Anzeigentafel.

Nach dem Abpfiff lieferten Münchner Vereinsangehörige kistenweise eisgekühlten Champagner in Werders Kabine. Die Bitte der Bremer, die Rechnung zu schicken, wiesen die Bayern ab. Stattdessen ließen sie sanfte Balladen durch die Lautsprecher säuseln, und überließen den Bremern den kompletten Innenraum zum Feiern. Sie wussten, wem dieser Tag gehört. Und diese Saison.

Daniel Pontzen

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