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Will den Rücken frei haben – für die Einzel- und Staffelrennen über 100 Meter Freistil. Doppel-Olympiasiegerin Britta Steffen nach dem ersten Training in Barcelona.

© dpa

Britta Steffen: Zwischen Wellenkamm und Wellental

Schwimmerin Britta Steffen möchte sich bei WM in Barcelona ihrer Form von 2009 nähern, als sie zwei olympische Goldmedaillen gewann. Ihr großes Ziel bleibt: "Ich will das perfekte Rennen liefern" - mit dem Trainer ihres Freundes.

Das Schweigegelübde, das sich Britta Steffen bis zum ersten Finalabend am Sonntag auferlegt hat, hielt nach dem ersten Training in Barcelona. Zumindest fast. „Guten Morgen, Morgen, Morgen“, entschlüpfte der Wahl-Hallenserin eine knappe Begrüßung der wartenden Journalisten, nachdem sie im Palau Sant Jordi ihre ersten Bahnen gezogen hatte. Einen Kommentar zur Meldung des Deutschen Schwimm-Verbands (DSV), dass über 50 Meter Freistil nun doch die ordnungsgemäß qualifizierte, im Vergleich zu ihr aber deutlich langsamere Daniela Schreiber neben der Deutschen Meisterin Dorothea Brandt starten wird, gab es von Steffens Seite dagegen nicht.

Schreiber hatte Chefbundestrainer Henning Lambertz einige Tage zuvor noch telefonisch über ihren Verzicht zu Gunsten von Steffen informiert. Doch die Doppel-Olympiasiegerin von Peking, die am Qualifikationstag Ende Mai erkrankt fehlte, wollte die Offerte offensichtlich nicht annehmen. Auch wenn sich Lambertz ebenso wie ihr Heimtrainer Frank Embacher („Wenn Britta schwimmen will, spricht viel für Danielas Verzicht“) klar für sie ausgesprochen hatte.

Nun musste der Schwimmer-Chef also zurückrudern. „Auf Britta Steffen“, ließ Lambertz ausrichten, „warten im Verlauf dieser WM viele Staffel- und Einzelrennen über 100 Meter Freistil.“ Das Hin und Her hatte Steffen durch gute Zeiten in der WM-Vorbereitung selbst befeuert – unfreiwillig zwar, und doch passt die aktuelle Fußnote gut zu ihrer Karriere: stets unterwegs zwischen Wellenkamm und Wellental.

Ganz oben war die 29-Jährige 2008, als sie zwei olympische Goldmedaillen mit nach Hause brachte. Und nach ihren Siegen über 50 und 100 Meter Freistil bei den Weltmeisterschaften in Rom, in bis heute gültigen Weltrekordzeiten, sprach sie über die ultimative Herausforderung: „Nach diesem Triumph will ich jetzt das perfekte Rennen liefern.“

Vier Jahre später steht die Lieferung noch aus. Nach den Europameisterschaften 2010, bei der Steffen aus gesundheitlichen Gründen fehlte. Nach den Weltmeisterschaften 2011, als sie nach ihrem Aus im Vorlauf über die zwei Bahnen Kraul Hals über Kopf aus Shanghai abreiste. Und nach den Olympischen Spielen 2012 in London, die sie zwar bis zum Schluss vor Ort erlebte, nach ihrem Halbfinal-Aus über 100 Meter Freistil aber auch über die halbe Distanz – als Vierte - ohne Medaille blieb.

Noch schweigt Britta Steffen in Barcelona, ihre mittelfristigen Ziele nannte sie dem Tagesspiegel aber schon im vergangenen Oktober. „Mein Aufwärtstrend bei Olympia war vorhanden, nur schauen viele so genannte Experten leider nicht so genau hin“, sagte sie damals und meinte: „Für mich stellt sich jetzt die Frage – kann ich meinen Standard von 2008 und 2009 noch einmal erreichen?“

Britta Steffen: Im Herbst zog sie zu ihrem Freund Paul Biedermann und wechselte zu seinem Trainer

Erreichen will sie neben einem letzten sportlichen Ausrufezeichen aber auch ihr privates Glück. Deshalb zog sie im vergangenen Herbst zu ihrem Freund Paul Biedermann, der bei den Weltmeisterschaften nicht dabei ist, nach Halle (Saale), um die Liaison auf ihre Alltagstauglichkeit zu testen. „Mutig, aber insgesamt gut für sie“ findet Chefbundestrainer Lambertz Steffens Entscheidung, sagt aber auch: „Ich denke, dass sie noch ein bisschen in der Findungsphase ist, was ihre sportliche Karriere angeht.“

Denn mit dem Orts- habe eben auch ein Trainerwechsel stattgefunden. Von Norbert Warnatzsch, Steffens langjährigem Heimtrainer bei der SG Neukölln, zu Biedermanns Coach Embacher. Lambertz beschreibt, ohne werten zu wollen, den unterschiedlichen Arbeitsstil der beiden Männer. „Frank Embacher macht das ein bisschen mehr aus dem Bauch raus, beobachtet die Schwimmerin an sich mehr, reagiert also etwas mehr auf diese emotionale Seite. Norbert Warnatzsch hat es dagegen komplett durchgeplant – sozusagen als hätte man eine Maschine, die man einstellt.“

Und klar ist für den Schwimmer-Chef auch: „Es ist eine große Umstellung, und Britta muss jetzt natürlich schauen: Wie gut komme ich nach Jahren des genauen Plans mit so einer mehr gefühlsorientierten Planung klar. Ich glaube, da müssen sich die beiden noch ein bisschen finden.“ Bei der WM aber, prophezeit Lambertz etwas gedrechselt, habe er keine Bedenken, dass sie ihre Leistungsfähigkeit „wieder ordentlich ausprägen kann“. Nur eben nicht über 50 Meter Freistil.

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