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Sport: Bronzenes Laufabzeichen

Nach starkem Endspurt wird Martina Glagow im Biathlon über 15 Kilometer Dritte

Eine Flasche Wasser hatte Martina Glagow auf dem Podium bereits ausgetrunken, als sie links von ihr eine weitere entdeckte. Sie sprang auf, holte sich das Getränk und begann, noch mehr Wasser in sich hineinzuschütten. Hatte die olympische Bronzemedaille im Biathlon so viel Flüssigkeit gekostet? „Ich muss ja noch zur Dopingkontrolle“, sagte sie und lachte.

Martina Glagow hatte sich im Einzelstartrennen über 15 Kilometer vollkommen verausgabt. Im Zielraum von San Sicario stürzte die zierliche 26-Jährige entkräftet zu Boden. „Ich habe erst nach zwei Minuten gemerkt, dass ich Dritte geworden bin“, sagte sie. Es siegte die Russin Swetlana Ischmuratowa vor ihrer Teamkollegin Olga Pylewa. Beide hatten sich nur jeweils einen Fehlschuss geleistet. Glagow hatte ein Mal mehr vorbei geschossen. „Für mich ist ein Traum in Erfüllung gegangen“, sagte sie, „ich hatte nach dem zweiten Fehler nicht mehr an eine Medaille geglaubt, aber als ich gehört habe, dass es nur zwei Sekunden Rückstand sind, habe ich alles gegeben.“ Im Endspurt rettete sie ihrer Mannschaft die erhoffte erste Frauen-Medaille.

„Wir können jetzt relaxter an die nächsten Aufgaben herangehen“, sagte Glagow, „der Druck war schon ganz schön hoch.“ Ihr Erfolg überdeckte die Enttäuschung über den 17. Platz der favorisierten Kati Wilhelm. „Das war das schlimmste 15-Kilometer-Rennen meiner Karriere“, sagte die Weltcupführende. Fünf Mal hatte sie daneben geschossen, drei Mal allein beim dritten Schießen. „Sie hat nicht realisiert, dass plötzlich Wind aufgekommen ist“, sagte Bundestrainer Uwe Müssiggang. Andrea Henkel lief mit zwei Fehlschüssen auf Rang fünf. „Das Schießen war nicht schlecht“, sagte sie, „damit hätte man auf das Treppchen laufen können. Eine schwächere Laufleistung aber verhinderte eine bessere Platzierung, die Doppelweltmeisterin Uschi Disl belegte nach fünf Fehlschüssen nur Rang 13. „Die Fehler beim Stehendschießen ärgern mich extrem“, sagte sie.

Für Glagow aber ging in San Sicario eine unglückliche Tradition bei Olympischen Spielen zu Ende. „Vor vier Jahren in Salt Lake City haben Michael Greis und ich nur zugesehen bei den Siegerehrungen der anderen“, sagte sie, „und jetzt fahre ich selber in Turin, das ist Wahnsinn.“ Dort bekam sie gestern auf der Medal Plaza ihre erste olympische Medaille überreicht, abends sollte sie noch bei „Waldi und Harry“ in der ARD auftreten. Die größte Freude dürfte ihr aber der Anruf bei ihrer jüngeren Schwester Anja bereitet haben, die gestern ihren 24. Geburtstag feierte. „Sie hat geweint vor Freude“, sagte Glagow, „ich hatte ihr etwas schenken wollen, aber sie hat sich von mir nur eine Medaille gewünscht.“

Die zierliche Polizeiobermeisterin, die auf den Spitznamen „Molli“ hört, ist in der deutschen Mannschaft eine feste Größe. Seit 2001 hat sie insgesamt sechs WM-Medaillen gesammelt. Ihr größter Einzelerfolg ist neben der Goldmedaille von Chanty Mansisk 2003 der Sieg im Gesamtweltcup in der Saison 2002/2003. Die Weltmeisterschaft in Hochfilzen verpasste sie wegen einer starken Bronchitis. In dieser Saison aber hat sie in Anterselva, Italien, und Oberhof auch schon zwei Weltcuprennen gewonnen.

Dennoch hatten die Biathlon-Fans die erste Medaille eher von Kati Wilhelm erwartet, die in dieser Saison bereits vier Weltcuprennen gewonnen hat. „Im Sprint wäre es ein gutes Ergebnis gewesen“, sagte die Biathletin mit den markanten roten Haaren, die bei der Eröffnungsfeier die deutsche Fahne tragen durfte. Zur Hälfte des Rennens hatte sie auf der schweren Strecke von San Sicario mit null Fehlern beim Schießen und einer guten Leistung in der Loipe geführt. „Im Laufen bin ich momentan gut drauf“, sagte sie. Doch dann kam das ominöse dritte Schießen. Zwar hatte sie den aufkommenden Wind bemerkt und das Visier darauf eingestellt. „Doch dann hat der Wind noch einmal leicht gedreht, er kam linkshoch“, sagte Kati Wilhelm. Tatsächlich schlugen drei ihrer Schüsse links vom Ziel ein. „Ich hätte noch einmal nach dem Wind gucken müssen, dann hätte ich vielleicht nur einen Fehler geschossen.“

So war es an der letzten deutschen Läuferin, einen dreifachen Erfolg der Russinnen zu verhindern. Die Plätze eins, zwei und vier gingen sehr zur Freude der zahlreichen russischen Fans auf der Tribüne an ihr Team. Andrea Henkel zeigte sich von dieser Stärke nicht überrascht. „Warum sollen die das nicht machen“, sagte sie, „wir machen das ja auch manchmal.“ Am Donnerstag im Sprintrennen hat das deutsche Team die nächste Gelegenheit dazu.

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