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Un’estate Italiana. 8. Juli 1990, Rom, Olympiastadion, 85. Minute.

© Imago

Bücher über die Nationalelf und die WM: Wenn es kracht, Signorina

Ein Chronik von der Werkstatt, eine Collage der wichtigsten Momente der Nationalelf, und eine Porträt-Reihe der größten WM-Figuren: Drei Bücher betrachten Nationalelf und WM von verschiedenen Seiten.

Bernd-M. Beyer/Dietrich Schulze-Marmeling (Hrsg.): Fußball-Weltmeisterschaft. Verlag Die Werkstatt, 418 Seiten, 49,90Euro.

Güldener Schutzumschlag, Hochglanzformat – ist das wirklich ein Produkt aus dem Verlag, dessen Name immer auch Programm gewesen ist? Die Werkstatt ist bisher nicht dadurch aufgefallen, allzu viel Wert auf Äußerlichkeiten gelegt zu haben. Der Inhalt hatte immer Vorrang vor der Form. Und das Schöne an diesem in jeder Hinsicht glänzenden Buch über die Geschichte der Fußball-Weltmeisterschaften ist: Eigentlich hat sich daran nichts geändert. Der schöne Schein ist nicht auf Kosten des Inhalts gegangen, im Gegenteil: Der Inhalt hält immer noch locker mit.

Es ist nicht die erste WM-Chronik, die in der Werkstatt erschienen ist. Doch es ist mit Abstand die bisher imposanteste. Egal, was zur Weltmeisterschaft im kommenden Sommer noch auf den Markt kommen wird (und das ist erfahrungsgemäß eine ganze Menge): Der Band von Bernd-M. Beyer und Dietrich Schulze- Marmeling hat schon jetzt Maßstäbe gesetzt. Grandiose Optik, frische Fotos, renommierte Schreiber, intelligente Texte. Das Ergebnis zeugt von echter Liebe zum Objekt und großer Sachkenntnis. Herausragend klug ist zum Beispiel der Beitrag von David Winner über den holländischen Fußball, mit dem die Weltmeisterschaft 1974 gewürdigt wird. Das ist weit mehr als das chronologische und pflichtgemäße Abarbeiten der WM-Geschichte, das in solchen Chroniken oft Standard ist.

Alexander Laux: Die Nationalelf, Momente für die Ewigkeit. Verlag Delius Klasing, 240 Seiten, 39,90 Euro.

Ähnlich repräsentativ wirkt auf den ersten Blick „Die Nationalelf“ des Hamburger Journalisten Alexander Laux. Doch sein Buch kommt trotz seines üppigen Formats bei Weitem nicht so gravitätisch daher wie die WM-Chronik aus dem Verlag Die Werkstatt. „Die Nationalelf“ ist eine großzügig angelegte Collage aus Bildern, Interviews, Zitaten, die sich gewissermaßen zu einer Chronik der anderen Art fügen. Herausgekommen ist ein, in positivem Sinne, leichtes Buch. Laux hat mit vielen Protagonisten aus fast 115 Jahren deutscher Länderspielgeschichte gesprochen, mit prominenten Vertretern wie Oliver Kahn und Joachim Löw, Philipp Lahm und Uwe Seeler, Karl-Heinz Rummenigge und Horst Hrubesch. Natürlich fehlen die unvermeidlichen Großereignisse – Wankdorf, Wembley, Weißbier-Wutrede – nicht; genauso aber wagt Laux auch einen Blick um die Ecke, hat dort neben unbekannten Fotos auch die kleinen Dinge am Rande entdeckt.

Manches wirkt ein wenig staatstragend, wenn etwa Philipp Lahm sich über sein Dasein als Kapitän auslässt und aus jedem Satz die Würde des Amtes spricht. Auf der anderen Seite findet sich aber auch ein Kleinod wie der Text zum Lied „Wenn es kracht, Signorina“, das die Nationalmannschaft offensichtlich zur WM 1990 in Italien gemeinsam mit Udo Jürgens eingesungen hat – und das heute, völlig zu Unrecht natürlich, weitgehend in Vergessenheit geraten ist:

Wenn es kracht, Signorina,

irgendwann in der Nacht,

haben wir zwei im Bettchen

wieder Wunder vollbracht.

Doch schon bald muss ich gehn,

bitte hör auf zu klagen.

Wenn ich morgen versage,

stellt der Trainer mir Fragen.

Ronald Reng: Die Weltmeister. Verlag Spielmacher, 208 Seiten, 16,80 Euro.

Wenn ein Buch „Die Weltmeister“ heißt, alle deutschen Fußball-Weltmeister porträtiert und vom Autor selbst als „angebrachter Ausdruck unserer Bewunderung für das Besondere“ bezeichnet wird, dann erwartet man erst einmal ein ausladendes Werk in Postergröße. „Die Weltmeister“ von Ronald Reng, im handlichen Postkartenformat, kommt jedoch eher unscheinbar, fast bescheiden daher. In 70 Porträts würdigt der preisgekrönte Autor sämtliche Spieler und Trainer der drei WM-Triumphe von 1954, 1974 und 1990. Es sind keine ausladenden Lebensläufe, sondern biografische Miniaturen, manche gerade mal 15 Zeilen lang. Und trotzdem fördert Reng einige Preziosen zutage, etwa warum Paul Breitner 1974 über sein Tor zum 1:0 im ersten Gruppenspiel gegen Chile zornig grantelte, anstatt sich angemessen zu freuen. Ein Freund hatte ihm am Morgen vor dem Spiel prophezeit, dass er das erste Tor für das bundesdeutsche Team bei der Heim-WM erzielen werde. Weil Breitner energisch widersprochen hatte, ärgerte er sich nun, dass der Freund recht behalten hatte. Reng erzählt solche Anekdoten in lakonischem, beinahe beiläufigen Ton. Manchmal übertreibt er es ein bisschen mit seinem Überschwang und seiner Bewunderung für das Besondere. Da schießt dann Thomas Häßler das entscheidende Tor zur WM-Qualifikation 1990 erst in letzter Minute, obwohl das 2:1 gegen Wales in Wirklichkeit schon unmittelbar nach der Halbzeit gefallen ist. Im besten Fall aber schafft es Reng, sich auf das Wesentliche zu konzentrieren und bei den Porträtierten sozusagen zum Kern ihrer Persönlichkeit vorzudringen.

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