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Wer übersteht das große Abstiegsfinale?

© Mauritius

Bundesliga-Abstiegskampf: Wer kann sich retten?

Um den VfL Wolfsburg in der Liga zu halten, setzt Trainer Magath auf Drohungen und Psychotricks. Mönchengladbach hat den Konkurrenten die bessere Laune voraus. Eintracht Frankfurt fürchtet dagegen eher die Fans als den Abstieg.

Wolfsburg

Die letzte Drohung von Trainer Felix Magath sorgte für mehr Verwirrung als Motivation. „Ich weiß nicht, was mit dieser Mannschaft passiert“, sagte etwa Grafite und sah ziemlich ratlos aus. Für einen Stürmer, der den VfL Wolfsburg vor dem Absturz aus der Fußball-Bundesliga bewahren soll, hinterlässt der bullige Stürmer einen äußerst betrübten Eindruck. VfL-Chefcoach Magath hat seine Mannschaft mit dem Schreckensszenario auf den 34. Spieltag und die heutige Partie bei der TSG Hoffenheim eingestimmt: Demzufolge müssen die Profis im Fall des Abstiegs ohne Ausnahme in Wolfsburg bleiben. Es sind merkwürdige Methoden und Psychotricks, mit denen der strenge VfL-Chef versucht, das große Unheil namens Zweite Liga doch noch abzuwenden.

Mit einem Sieg in Hoffenheim können sich die Wolfsburger aller Sorgen selbst entledigen und sowohl Eintracht Frankfurt als auch Borussia Mönchengladbach auf Distanz halten. Aber wie gewinnt man bloß mit einer Mannschaft, der jegliches Selbstvertrauen abhanden gekommen ist? Echte Versuche, das eigene Team stark zu reden oder aufzurichten, hat es unter der Regie von Magath eher wenige gegeben. Spielmacher Diego hat er bescheinigt, dass dessen individuelle Klasse im Kampf um den Klassenerhalt wenig bis gar nichts bringe. Dass Torhüter Diego Benaglio seit Wochen vor Nervosität gerade einmal Dienst nach Vorschrift verrichten kann, hat der Trainer in aller Öffentlichkeit bemängelt. Und selbst Nationalspieler Arne Friedrich, der sich in der heutigen Partie nicht mehr seines Stammplatzes sicher sein darf, kam an den Pranger. Magath spekulierte darüber, dass der Verteidiger nach seinem Abstieg mit Hertha BSC im Vorjahr dem nervlichen Druck erneut nicht gewachsen sein könnte.

Bei seinem harten Kurs weiß der 57-Jährige mit Martin Winterkorn den obersten Boss des VfL-Hauptsponsors Volkswagen hinter sich. Beide lassen nichts unversucht, um die Daumenschrauben bei einer Mannschaft anzuziehen, die trotz hoher Investitionen über die gesamte Saison nicht funktioniert hat. Wegen der verkorksten Personalpolitik seines Manager-Vorgängers Dieter Hoeneß kann Magath mangels sinnvoller Alternativen aber kaum Druck auf seine erfolglosen Stammspieler ausüben.

Vom großen Zauber, den Magath mit seiner Rückkehr zum VfL Wolfsburg Mitte März entfacht hatte, ist wenig bis gar nichts geblieben. Gerade einmal 20 Fans verloren sich bei den letzten Trainingseinheiten, zuletzt musste die Mannschaft sogar zum Rapport beim eigenen Anhang antreten. Der Glaube an das Team und die besonderen Fähigkeiten des Meistermachers Magath sind verflogen. Offenbar hatten die VW-Entscheider gehofft, dass allein der Wechsel auf dem Chefposten von Hoeneß zu Magath für mehr Schwung im Verein und mehr Selbstvertrauen bei den Spielern sorgt. Einen möglichen Abstieg des VfL nach 14 Jahren in der Bundesliga nennt Magath für sich persönlich, aber auch für den Verein eine Katastrophe, die es unbedingt zu verhindern gilt. Es wäre sein erster Abstieg als Spieler und Trainer. Der bittere Gang in die Zweite Liga wäre aber auch Beleg dafür, dass es selbst der erfolgsverwöhnte Magath nicht geschafft hat, ein kunterbunt zusammengewürfeltes Team mit zahlreichen Nationalspielern in den Griff zu bekommen. Christian Otto

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Mönchengladbach

Kurz vor dem Anpfiff werden die Fußballprofis von Borussia Mönchengladbach wieder ihr Lied hören. Mit „The Eye of the Tiger“ wollen sie sich einstimmen auf den schweren Gang am letzten Spieltag dieser Bundesligasaison. Die Band „Survivor“ hat das Lied einst als Titelsong für den dritten Teil der Filmsaga um den Berufsboxer Rocky Balboa geschrieben; einen Mann, der zum Mythos wird, tief fällt, wieder aufsteht und seine Gegner letztlich besiegt. Der Song aus „Rocky III“ passt gut als Soundtrack für den Abstiegskampf bei Borussia. Gladbach war angezählt wie ein Boxer vor dem Knockout. Scheinbar chancenlos am Boden liegend, haben die Borussen sich aufgerappelt. Gelingt ihnen ein Sieg in Hamburg, werden sie mindestens die Relegationsspiele gegen den Dritten der Zweiten Liga erreichen, vielleicht sogar Platz 15, der den sicheren Klassenverbleib bedeutet.

„Ich habe immer daran geglaubt, sonst wäre ich jetzt nicht hier“, sagt Trainer Lucien Favre. Als er im März als Nachfolger des überforderten Übungsleiters Michael Frontzeck antrat, gehörte Favre mit seinem Glaubensbekenntnis einer Minderheit an. Was die Mannschaft seither geleistet hat, verblüfft Fans wie Fachleute. Von allen drei Mannschaften, die noch gegen den Abstieg kämpfen, machen die Gladbacher in den vergangenen Wochen den stärksten Eindruck. Sie haben quasi serienweise Matchbälle abgewehrt – zuletzt mit Siegen gegen Dortmund, Hannover und Freiburg.

In den elf Spielen unter Favre ließ die Gladbacher Abwehr nur acht Gegentore zu, in den 22 Partien zuvor waren es 56 Treffer gewesen. Favre hält den Klassenerhalt vielleicht sogar für wahrscheinlich, äußert sich aber vorsichtig. Obwohl sein Deutsch seit seiner Berliner Zeit besser geworden ist, scheut der Schweizer vor Wortwiederholungen nicht zurück. „Wir haben noch nichts erreicht“, sagt er seit Wochen und empfiehlt, nicht auf Wolfsburg oder Frankfurt zu schauen. „Wir müssen gewinnen, seit ich da bin, das ist auch jetzt in Hamburg so.“

Vor diesem Spiel greift er nicht zu Motivationstricks, es würde nicht passen zu dem Mann, der sachlich-fachlich seine Arbeit verrichtet, ohne sich selbst in den Mittelpunkt des Interesses zu rücken. Insofern bildet er einen Gegenpart zu seinen Konkurrenten Christoph Daum aus Frankfurt und Felix Magath aus Wolfsburg. Favre hat seinem Team beigebracht, auf dem Rasen Ruhe zu bewahren und Geduld aufzubringen, auch wenn es nicht gut läuft wie zuletzt in der ersten Hälfte gegen Freiburg; er hat dem Spiel eine klare Struktur gegeben, zugleich aber die taktische Flexibilität gesteigert. Zudem hatte Favre den Mut, in Marc-André ter Stegen einen 18 Jahre alten Torwart als Lösung eines Kernproblems zu präsentieren. Und auf der Zielgeraden nimmt sogar Mike Hanke Fahrt auf und machte jüngst gegen Freiburg als Vollstrecker von sich reden.

Ohne sich ihrer Sache sicher zu sein, wirken die Gladbacher in der Tiefebene der Tabelle besser gelaunt als ihrer Mitbewerber. „Wir haben aus dem wochenlangen Abstiegsszenario Selbstbewusstsein geschöpft“, sagt Sportdirektor Max Eberl. Auch die Fans haben sich anstecken lassen von der Tatkraft der Mannschaft. Rund 8000 Borussen-Anhänger wollen ihre Elf heute in Hamburg anfeuern. Richard Leipold

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Frankfurt

Nur gut, dass zwischen den beiden gepflegten Rasenplätzen im Schatten der Frankfurter Arena ein turmhohes Fangnetz gespannt ist. Sonst wäre die eigens für den Torjäger Theofanis Gekas abgehaltene Übung beim Training von Eintracht Frankfurt wohl zur vollkommenen Blamage geraten, schließlich brachte es der seit Wochen als Versager verunglimpfte Grieche fertig, einen Volleyschuss nach dem anderen wahlweise 15 oder 20 Meter über die Latte zu jagen. Immer hoch in die Maschen. So als befände er sich beim American Football statt beim Fußball.

Selbst Christoph Daum, der im trüben März wie ein Erlöser aus einer anderen Welt begrüßte Trainer, ertrug im sonnigen Mai diese Fehlleistung mit Fassung. „Das geht schon die ganze Zeit so“, klagte der 57-Jährige, „die Quote im Torabschluss liegt bereits im Training deutlich unter der anderer Klubs.“ Und erst recht im Wettkampf: Lächerliche sechs Tore hat die Eintracht 2011 zustande gebracht – und weil sich niemand vorstellen kann, dass die harmlosen Hessen ausgerechnet im letzten Saisonspiel beim Meister Borussia Dortmund zu erstligareifen Tugenden zurückfinden, dürfte Tasmania Berlin seinen Halbrunden-Negativrekord bald los sein.

„Wir sind in einer Situation, in der ich lieber die Klappe halten sollte“, flötete der fidele Daum, und natürlich folgten trotzdem schwallende Ausführungen. Vieles klang dabei nach Abschied: „Ich würde das alles wieder so machen, es hat sich gelohnt … Das Negativerlebnis gehört zu meiner Vita wie Meisterschaften und Europapokalsiege … Ich sehe in Frankfurt Riesenpotenziale, aber darüber zu sprechen ist aberwitzig.“ Der Vielredner dürfte schon bald wieder Privatier in seiner Villa in Köln-Hahnwald sein, schließlich will Daum direkt nach dem Dortmund-Spiel abschließende Gespräche führen, um „einen Konsens herzustellen, der für den Verein am besten ist“.

Sein Abschied ist unvermeidlich. Heribert Bruchhagen lauschte der nutzlosen Motivationsrhetorik seines Retters mit dem Gleichmut eines Dickhäuters. Der Vorstandschef lässt sich fürs Abstiegsfinale nicht blenden. „Wir haben nur Außenseiterchancen“, sagt er Hinter den Kulissen ist vor der Aufsichtsratssitzung am Montag längst klar: Bruchhagen bleibt der Boss, aber ihm wird künftig ein Manager zur Seite gestellt, der Jan Schindelmeiser heißen könnte. Der frühere Hoffenheimer soll das Begehren des Aufsichtsrates erfüllen, „dass einer die Sensoren am Puls der Truppe hat und mehr frische sportliche Kompetenz einbringt“. Und dann ist ja noch ein Trainer zu finden, der möglichst zur unverbrauchten Generation gehören soll.

Frankfurt größte Sorge ist auch nicht die bevorstehende Trainersuche, es sind die eigenen Anhänger. Mit dem unnötigen Abstieg könnte sich Bruchhagen irgendwie arrangieren, nicht aber mit erneuten Verfehlungen der Eintracht-Ultras. Der Vorstand und der Vereinspräsident Peter Fischer haben die 8000 mitreisenden Frankfurter Fans offiziell dazu aufgerufen, am Samstag Vernunft walten zu lassen. „Eine Störung der Meisterfeier wäre der Super-Gau für Eintracht Frankfurt“, sagt Bruchhagen. „Es geht in diesem Spiel auch um unser Image.“ Vielleicht sogar mehr als um den Klassenerhalt. Frank Hellmann

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