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Bundesliga: Hertha ist einen Tick zu cool

Hertha scheitert in Stuttgart, weil das Team vor lauter Vertrauen auf die eigene Cleverness die Leidenschaft vergisst.

Maximilian Nicu hatte eine bewegte Woche. Vor wenigen Tagen erhielt der 26 Jahre alte Mittelfeldspieler von Hertha BSC seinen rumänischen Pass in Berlin. Kommenden Samstag wird er für die Mannschaft des Landes seiner Eltern einsatzbereit sein. Leider lag zwischen diesen beiden feierlichen Anlässen ein dienstlicher Termin in Stuttgart. Am Samstag verlor Hertha BSC beim VfB deutlich mit 0:2. Als Maximilian Nicu nach dem Spiel seinen Kommentar abgab, fand er einen hübschen Vergleich. „Wir haben ein bisschen gespielt wie das Wetter – schön, aber kühl.“

Tatsächlich schien die Sonne über der Stuttgarter Arena frühlingshaft, aber leider präsentierte sich die Mannschaft aus Berlin eben leicht unterkühlt und leidenschaftslos, wie es hinterher alle Spieler selbstkritisch bemängelten. Nur war es da schon zu spät. „Wir sind nicht so aufgetreten wie zuletzt“, sagte Nicu und suchte gedankenverloren nach Gründen. Vielleicht habe man das Spiel bei der schwäbischen Gegnerschaft „irgendwie zu selbstverständlich“ genommen. Man werde das Ding schon schaukeln. Tatsächlich sahen die letzten Erfolge der Berliner nie sonderlich berauschend, dafür aber irgendwie logisch und selbstverständlich aus. Die Gegner hatten unternehmen können, was sie wollten, am Ende hieß der Sieger immer Hertha BSC.

Die Berliner Profis sind bei aller Wertschätzung, mit der sie in der Rückrunde nach Siegen über Bayern und Bayer, Cottbus und Gladbach bedacht wurden, stets bescheiden und realistisch geblieben. Sie haben sich nicht verleiten lassen, von der Meisterschaft zu faseln. Man werde das im Vorjahr ausgegebene Saisonziel jetzt nicht ändern, sondern konzentriert weiterarbeiten und von Spiel zu Spiel schauen, sagten sie. Das Träumen überlasse man gern den Fans. Offiziell, wie aber sieht es in den Köpfen der Spieler aus? Vielleicht hatte sich doch etwas in die Hinterköpfe der Spieler eingeschlichen in den vergangenen Tagen. Sicher, die Stuttgarter hatten am Samstag einen wirklich guten Tag erwischt, aber die Herthaner blieben unnötigerweise unter ihren Möglichkeiten. Besonders das Mittelfeld, das zuletzt durch Klarheit und Einfachheit und Aufwand bestach, erreichte nicht Normalniveau – nicht Nicu, nicht Cicero, und gleich gar nicht Raffael. „Die erste Halbzeit haben wir komplett verschlafen“, sagte Pal Dardai, „aber an einem solchen Tag musst du irgendwie ein 0:0 erwürgen.“

Es ist keine Woche her, da wurden die Berliner noch für ihre Coolness, für ihre Reife und Ruhe im Spiel gelobt. Vielleicht haben sie es falsch verstanden. Doch ein bisschen zu viel von alledem schadet ihrem Spiel. Die Mannschaft von Lucien Favre benötigt stets große Einsatzbereitschaft, ihr Spiel ist psychisch und physisch aufwendig. Nur so sind die Berliner in der Lage, die entscheidenden Spielsituationen zu beherrschen – defensiv wie offensiv. Und genau das ist der Mannschaft in Stuttgart zu fast keinem Zeitpunkt gelungen. „Wir sind zu wenig gelaufen und waren in der Balleroberung schwach“, sagte Trainer Lucien Favre am Sonntag. „Wir haben in den letzten Duellen am Limit gespielt, jetzt war das Loch da.“

Dem allgemeinen Trubel der vergangenen zwei, drei Wochen rund um die Mannschaft war Favre energisch entgegengetreten. Er stand sozusagen an der Spitze jener kleinen Bewegung, die sich gegen den allgemeinen Meisterwahn wandte. „Es liegt nur an Details, ob ein Spiel gewonnen oder verloren wird“, hatte er immer gesagt. „Wir müssen uns jedes Spiel und jeden Sieg hart erarbeiten. Wenn man aber nicht bereit ist zu laufen, kannst du es vergessen.“

Die Niederlage in Wolfsburg vor vier Wochen war vor allen Dingen unglücklich zustande gekommen. Diesmal aber waren die Berliner auf dem Platz nicht nahe genug am Gegner dran, bekamen keine Kontrolle über das Spiel und wurden anfällig. Zwar ergaben sich mit der Hereinnahme von Marko Pantelic einige Chancen, aber die Stuttgarter hatten zwei, drei Situationen, in denen es schwer war, nicht ins Tor zu treffen.

Für Herthas Manager Dieter Hoeneß hat gegen Stuttgart der „richtige Funke“ gefehlt. „Der VfB Stuttgart hat mehr getan und verdient gewonnen“, sagte Dieter Hoeneß, „wir sind erst nach dem 0:2 aufgewacht, hatten zuvor zu wenig Bereitschaft, in die Zweikämpfe zu gehen.“ Nun müsse die Mannschaft aufs nächste Spiel schauen und dann „die Dinge wieder abrufen, die uns stark gemacht haben“, ergänzte er.

Jetzt aber reisen Herthas Nationalspieler erst einmal zu ihren Nationalteams, mit Ausnahme von Arne Friedrich. Herthas Kapitän war im Spiel frühzeitig verletzt ausgeschieden, später wurde ein Muskelfaserriss diagnostiziert. Er wird vermutlich zwei Wochen lang ausfallen. Für Hertha gab es in dieser Saison schon Länderspielpausen, die ungelegener kamen als diese.

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