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Lehmann

© ddp

Bundesliga: Lehmann-Ausraster kostet Stuttgart den Sieg

Nach dem Sieg in der Champions League hat der VfB Stuttgart den Befreiungsschlag in der Bundesliga verpasst. Die Schwaben verspielten bei Mainz 05 die Führung kurz vor Schluss. Torhüter Jens Lehmann flog wegen einer Tätlichkeit vom Platz - und benahm sich auch danach wieder seltsam.

Um 17.34 Uhr verließ Jens Lehmann die Mannschaftskabine des VfB Stuttgart, er hatte zwei Sporttaschen geschultert, sein Kopf war bedeckt von der Mütze seines Winteranoraks. Der 40-Jährige durchquerte den Pressebereich des Mainzer Bruchwegstadions, trat ins Freie, ging wenige Meter geradeaus – und wurde von den Sicherheitskräften vor dem Vip-Bereich gestoppt. Weiter ging es, hinter der Haupttribüne entlang, der Torwart des VfB Stuttgart irrte ziellos umher, als er von einem Stuttgarter Fan angesprochen wurde. „Kannst du nicht einmal normal sein?“, sagte der Fan. Als Antwort nahm Lehmann ihm mit der rechten Hand die Brille weg – und lief weiter. Erst nach mehrfachem Bitten gab er die Brille zurück.

Lehmann ging weiter, am Teambus vorbei, dann tat sich ein Gitter vor ihm auf, Lehmann fragte einen Helfer, wo er ein Taxi zum Flughafen finden könne. Er wirkte paralysiert, doch es gab kein Entkommen, mehr als ein Dutzend Reporter und Kameramänner verfolgten ihn. Zur Ruhe kam Lehmann schließlich im Stuttgarter Teambus, ein paar Minuten stand er in der Tür, dann wurde diese hinter ihm geschlossen. Zuvor murmelte er noch: „Ich habe nichts gemacht.“ Doch das stimmte nicht.

Jens Lehmann hat sein Team um einen Auswärtssieg in Mainz gebracht, die Negativserie des VfB Stuttgart in der Bundesliga umfasst nun neun Partien in Folge ohne Sieg. Pawel Pogrebnjak hatte die Stuttgarter nach elf Minuten 1:0 in Führung geschossen, dann ging alles gut aus Sicht des neuen VfB-Trainers Christian Gross – bis zur 87. Minute. Da schritt Lehmann in seinem Strafraum auf den Mainzer Stürmer Aristide Bancé zu und trat ihm auf den Fuß, der Mainzer ließ sich theatralisch fallen. Beide waren zuvor bereits aneinander geraten, als Bancé dem Torwart ins Knie getreten hatte und Lehmann sich deshalb sehr lange behandeln ließ. Nun aber wertete Schiedsrichter Wolfgang Stark Lehmanns Aktion als Tätlichkeit, holte die Rote Karte heraus und entschied auf Elfmeter. Eugen Polanski traf in der 90. Minute zum 1:1 für Mainz. Kurz darauf wurde abgepfiffen. „Lehmann auf den Zaun“, sangen die Mainzer Fans, dorthin wird normalerweise der beste Mainzer Profi gerufen.

Dem VfB Stuttgart bleibt die Frage, ob er sich seinen trotzigen, bisweilen renitenten Torwart noch leisten kann. Einen Profi, dessen sportliche Klasse unumstrittenen ist, in dem sich zuletzt aber einiges aufgestaut haben dürfte, weil ihn sein Arbeitgeber mit einer 40 000-Euro-Geldstrafe bedacht hatte. Lehmann hatte die Umstände, die zur Entlassung von Teamchef Markus Babbel geführt hatten, öffentlich kritisiert.

„Unnötig, klar, aber das kann man so pfeifen“, sagte der Stuttgarter Sportdirektor Horst Heldt. Und die Folgen für Lehmann? „Lassen Sie mich bitte eine Nacht drüber schlafen.“ Und die Geldstrafe? „Es ist sein gutes Recht, dies nicht zu akzeptieren.“ Wäre sogar eine vorzeitige Trennung denkbar? „Jens bekommt jetzt erst einmal eine Sperre, sein Vertrag läuft bis 30. Juni 2010“, sagte Heldt.

Fakt ist: Lehmann dürfte sich in Mainz weiter ins Abseits gestellt haben, denn im Raum steht auch noch seine Aussage, wonach er sich für die Bundesliga nicht mehr motivieren könne. Die Causa Lehmann, sagte sein neuer Trainer Gross, sei „eine delikate Situation“. Intensiv analysieren werde er dies gemeinsam mit dem umstrittenen Profi. Den Fußballer Lehmann kenne er ganz gut, den Menschen Lehmann kenne er noch nicht gut. „Ich gehe davon aus, dass er einen wunderbaren Karriereabschluss haben will“, sagte Gross, „aber der Mannschaftserfolg steht über allem.“ Nach großer Versöhnung klang das nicht unbedingt.

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