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Mainz live. André Schürrle (l.), Adam Szalai (hinten am Schlagzeug) und Lewis Holty überraschen mit ihrer Dynamik nicht nur auf dem Fußballplatz, sondern auch bei musikalischen Einlagen wie hier im ZDF-Sportstudio.

© Imago

Bundesliga: Mainz 05: Mehr als eine Boygroup

Der Überraschungs-Tabellenführer der Bundesliga will seinen Siegeslauf fortsetzen. Der FSV Mainz 05 erinnert in dieser Saison an das aufstrebende Hoffenheim – am Samstag treffen beide Teams aufeinander.

Bis an die Grenze zum Oktober ist der Mainzer Spätsommerfußball nun schon gerollt, sechs Spiele, sechs Siege – die Fans sind verzückt, die Liga ist verwirrt. Wo soll das noch hinführen?

An diesem Samstag, wenn die TSG Hoffenheim ins Mainzer Stadion an den Bruchweg kommt, könnte aus der Serie schon der erste Eintrag in die großen Statistiksammlungen werden. Mit sieben Siegen als Saisonstart hätten die Mainzer gleichgezogen mit dem FC Bayern und dem 1. FC Kaiserslautern. Der Überraschungs-Tabellenführer der Bundesliga hat in dieser Saison schon einige denkwürdige Spiele gezeigt, zuletzt mit dem 2:1 in München. Hoffenheim ist nun jedoch noch einmal ein besonderer Gegner.

Das liegt nicht nur daran, dass Trainer Thomas Tuchel 2009, bevor er Cheftrainer in Mainz wurde, beinahe zur zweiten Hoffenheimer Mannschaft gewechselt wäre. Er pflegt ein gutes Verhältnis zum dortigen Trainer Ralf Rangnick, der Tuchel schon vor zehn Jahren als Jugendtrainer zum VfB Stuttgart holte. Weil beide sich so intensiv auf ihre Spiele vorbereiten und der Taktik so viel Raum einräumen, ist das Spiel auch ein Gipfeltreffen zweier Fußball-Masterminds. „Hoffenheim hat eine ähnliche Mentalität und ähnliche Prinzipien. Sie haben eine hohe Laufbereitschaft, spielen sehr ballorientiert und sie wollen früh attackieren“, sagt Tuchel. „Hoffenheim kann gut gegen den Ball und sehr giftig spielen. Ich rechne damit, dass das Spiel tempogeladen wird.“ Mit Hoffenheim kommt aber am Samstag zugleich ein abschreckendes Beispiel nach Rheinhessen.

Vor zwei Jahren nahm Aufsteiger Hoffenheim nach einem sensationellen Halbjahr die Herbstmeisterschaft mit – und brach dann ein. Nicht einmal zu einem Platz in einem internationalen Wettbewerb reichte es am Ende noch. Die Frage ist nun, wie lange die Mainzer ihre Serie fortführen können oder ob sie vielleicht nur ein Six-Games-Wonder sind.

Mainz hat eine weit bessere Ausgangsposition als Hoffenheim vor zwei Jahren. Sie sind schon in der vergangenen Saison Neunter geworden und die „Boygroup“ hat in Wetklo, Noveski, Soto oder Karhan auch erfahrene Spieler, die den eigenen Erfolg besser einzuschätzen wissen als vor zwei Jahren die Hoffenheimer, die schon in der Zweiten Liga für viel Geld vermeintlich kommende Stars verpflichtet hatten, die mit dem Hype überfordert waren. Hinzu kommt der Matchplan, den Tuchel für jedes Spiel aufstellt. Dieser Matchplan ist die Innovation dieser bisherigen Saison. Mit dem Matchplan stellt Thomas Tuchel seine Spieler auf jeden Gegner gesondert ein. Nicht das eigene System soll dem Gegner aufgedrückt werden, sondern das eigene Spiel soll reagieren auf Stärken und Schwächen der anderen.

Die Hoffenheimer haben dagegen einen Anspruch, der sich mittelfristig eher am Selbstverständnis des FC Bayern orientiert: Die anderen müssen sich schon nach uns richten. Der Mainzer Matchplan hat zur Folge, dass die Aufstellung sehr unterschiedlich ausfällt, sich also nicht dieselbe Mannschaft Spiel für Spiel aufreibt. Das kann Kraft sparen für die Rückrunde, Kraft, die den Hoffenheimern bei ihrer Art des Powerfussballs damals ausging.

Das Mainzer Spiel ist auch nicht so abhängig von einem Spieler. Nicht, dass das Hoffenheimer Spiel in jener Saison allein auf Vedad Ibisevic zugeschnitten war. Aber als sich der Stürmer nach 18 Toren in der Vorrunde in der Winterpause einen Kreuzbandriss zuzog, fehlte dem Klub ein Spieler, der mit seinen Treffern Spiele allein entscheiden konnte.

Vielleicht machen die Mainzer mehr aus ihrem Siegeslauf, weil sie eines wissen: Sie werden nur eine Saison so zusammenspielen. Der Wechsel etwa von André Schürrle nach Leverkusen nach dieser Saison steht schon fest, Lewis Holtby ist von Schalke 04 nur ausgeliehen. Im Grunde ist es ein Vorspielen von jungen Spielern für die ganz großen Klubs. Das scheint den Mainzern gerade ein Gefühl zu geben, als seien sie große Jungs in einem langen Zeltlager. Thomas Tuchel ist dabei auch eher ein großer Bruder, der die Stimmung fördert, kein strenger Lehrmeister wie Rangnick.

Die Hoffenheimer sehen dank der Millionen ihres Mäzens Dietmar Hopp oben keinen Deckel. Die Mainzer dagegen sind sich bewusst, dass sie nur ein Ausbildungsverein sind. So bodenständig treten sie auch auf – und überrumpeln ihre Gegner dann einfach mit ihrer Leidenschaft.

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