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Sport: „Bundesliga? Nicht wettbewerbsfähig!“

Vorstandschef Rummenigge über arme Bayern, grenzenlose Gehälter und einen erneuerten Europapokal

Herr Rummenigge, Sie haben vorhergesagt, dass es in den kommenden zehn Jahren kein deutscher Verein ins Champions- League-Finale schafft. Keine hoffnungsvolle Prognose vor dem heutigen Viertelfinalspiel gegen den AC Mailand, oder?

Ich wollte die Lage etwas verschärfen.

Warum?

Um zu verdeutlichen, wie es um den europäischen Fußball bestellt ist.

Wie ist es denn um ihn bestellt?

Wir haben jahrelang nur noch über Mehreinnahmen geredet. Aber wo ist denn das Geld hingegangen? Von der linken in die rechte Hand der Spieler! Nehmen Sie den FC Chelsea. Die haben den gleichen Umsatz wie wir, zwischen 220 und 240 Millionen Euro, haben damit aber 200 Millionen Euro Verlust erwirtschaftet. Wie wollen Sie gegen diese von Abramowitsch subventionierte Mannschaft auf einem Niveau antreten? Wir haben keinen fairen Wettbewerb mehr.

Wie stellen Sie sich eine effiziente Kostenkontrolle vor?

Die könnte Bestandteil des Lizenzierungsverfahrens werden.

Und wie lassen sich dabei verdeckte Gehaltszahlungen vermeiden?

Man muss auch den Etatzufluss regeln. Wenn also Abramowitsch noch 100 Millionen Euro reinschmeißt, bläht das den Etat künstlich auf, und die Gehälter bleiben hoch. Vergehen müssten natürlich auch drastisch bestraft werden, zum Beispiel mit einer Relegation der Klubs.

Sie haben jahrelang den FC Bayern bei der Interessenvertretung der Topklubs, der G-14, vertreten. In der hatten sie sich doch bereits 2005 geeinigt, Gehaltsobergrenzen einzuführen ...

Der Plan war, die Personalkosten auf zunächst 75 Prozent des Gesamtetats zu begrenzen. Schrittweise sollte die Grenze auf 60 Prozent gedrückt werden.

Ist der Plan aufgegangen?

Es hat sich keiner daran gehalten. Das war eine Lachnummer.

Haben sich die Bayern daran gehalten?

Unsere Personalkosten liegen bei 42 Prozent. Mein Kollege im Vorstand, Karl Hopfner, hat mal berechnet, dass ein Klub bereits in die roten Zahlen rutscht, wenn er über 53 Prozent seines Etats für Gehälter ausgibt. Demnach schreiben zwei Drittel aller Vereine in Europa Verluste. Gesund ist das nicht, das ist krank.

Sie haben jahrelang die Freiheit des Marktes gepriesen, jetzt fordern sie Regeln. Sie haben der G-14 vorgestanden, jetzt sind Sie Chairman des von der Uefa als Gegenveranstaltung gegründeten Klub-Forums. Woher kommt dieser Wandel?

In der G-14 herrscht Egoismus. Und ein Freund des liberalen Marktes bin ich immer noch, wenn er denn funktioniert. Wenn dieser Markt aber den Wettbewerb zerstört, muss man ihn bändigen.

Setzt sich Uefa-Chef Michel Platini mit seinen Ideen durch, die Champions-League- Plätze der großen Ligen zu beschränken, würde das für die Bayern bedeuten, dass nicht mal Platz drei ausreicht, um an diesem lukrativen Wettbewerb teilzunehmen.

Seine Pläne gehen mittlerweile in eine andere Richtung. Die Idee ist, dass die starken Ligen ihre Plätze behalten dürfen, allerdings sollen sie die Qualifikation unter sich ausmachen. Dann könnten auch Klubs aus Ländern wie Polen, Kroatien oder Georgien in der Champions League spielen. Zurzeit nehmen 15 Nationen teil, dann wären es 19.

An der Dominanz der englischen, spanischen oder italienischen Ligen würde das kaum etwas ändern.

Das wird wohl so sein. Wir werden nur noch von diesen drei Ligen getrieben, die anderen hecheln hinterher.

Der Bundesliga geht es doch gut wie nie zuvor. Das vermitteln zumindest die jüngsten Geschäftszahlen der DFL, also der Deutschen Fußball-Liga, oder?

Wir betreiben nationale Augenwischerei. Die Zahlen sind zwar alle wunderbar, international ergibt sich aber ein völlig anderes Bild. Früher waren wir einmal die stärkste Liga der Welt, heute müssen wir aufpassen, dass uns Rumänien nicht in der Fünfjahreswertung überholt.

Seit 2002 stehen erstmals drei deutsche Klubs im Viertelfinale des Europapokals.

Sportlich ist das eines der besseren Jahre, wirtschaftlich aber ist die Bundesliga nicht mehr wettbewerbsfähig. Sehen Sie sich nur die Einnahmen aus der Auslandsvermarktung an. Die DFL hat ihre Rechte weltweit für 20 Millionen Euro verkauft, bei den Engländern sind es allein in Hongkong 105 Millionen gewesen.

Was hat die Bundesliga falsch gemacht?

Sie hat geschlafen, zehn Jahre lang. DFL-Chef Seifert versucht, den Rückstand nun mit Siebenmeilenstiefeln aufzuholen, und er macht das wirklich gut. Aber ich sage heute voraus: Wir werden alle nicht mehr erleben, dass die Bundesliga die Engländer einholt.

Das Gespräch führten Martin Henkel und Marcus Pfeil.

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