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Mit der Gier nach Erfolg. Marc-André ter Stegen (hier in seinem Bundesliga-Debüt gegen Köln) hat Gladbachs Abwehr stabilisiert.

© dapd

Bundesliga-Relegation: Gladbachs Torwart ter Stegen: Mehr Neuer als Kahn

Borussia Mönchengladbach setzt in den Bundesliga-Relegationsspielen gegen den VfL Bochum auf den erst 19 Jahre alten Torhüter Marc-André ter Stegen.

Berlin - In Zeiten höchster Not sucht der Mensch gerne Zuflucht bei höheren Mächten. Bei Borussia Mönchengladbach halten sie es vor dem Ausscheidungsspiel um die Zugehörigkeit zur Fußball-Bundesliga eher mit der Mathematik. Statistisch gesehen liegt die Wahrscheinlichkeit, dass die Gladbacher nach dem 1:0-Hinspielsieg gegen den Zweitligadritten VfL Bochum doch noch absteigen, zwischen null und achtzehn Prozent. Der Klub hat dieser Tage auf seiner Internetseite darauf hingewiesen, dass in 82 Prozent der Fälle die Mannschaft die Relegation für sich entscheiden konnte, die das Hinspiel gewonnen hat. Noch mehr statistische Zuversicht ziehen die Borussen allerdings aus der Tatsache, dass Marc-André ter Stegen bei ihnen im Tor steht. Der junge Mann hat noch nie mehr als ein Gegentor kassiert. Bliebe das auch heute (20.30 Uhr, live in der ARD) in Bochum so, hätte sich der Bundesligist in jedem Fall gerettet.

Danach sah es nicht aus, als ter Stegen Anfang April, kurz vor seinem 19. Geburtstag, zu seinem Bundesliga-Debüt kam. Der Wechsel im Tor, vom fahrigen Logan Bailly zum unerfahrenen Neuling aus der eigenen U 23, schien das letzte Mittel zu sein, das Trainer Lucien Favre noch zur Verfügung stand. Doch was wie ein Akt der Verzweiflung wirkte, stellte in Wirklichkeit ein überschaubares Risiko dar. „Er hat viel Qualität“, sagt Favre über ter Stegen. „Wer das nicht sieht, ist blind.“

In bisher sieben Einsätzen kassierte der U-19-Nationaltorhüter erst drei Gegentore, vier Mal spielte er zu null, unter anderem gegen Borussia Dortmund. „Er ist ein wichtiger Rückhalt“, sagt Borussias Sportdirektor Max Eberl, der ter Stegen für „eines der größten Torwarttalente in ganz Deutschland“ hält. Vor zwei Jahren wurde er – unter anderem mit Mario Götze – U-17-Europameister; spätestens seitdem gilt der gebürtige Gladbacher als Borussias Torwart der Zukunft. Und wenn sich ter Stegen nicht unmittelbar nach Favres Amtsantritt verletzt hätte, wäre die Zukunft wohl schon ein paar Wochen früher losgegangen. „Er ist solide, er ist ruhig“, sagt Favre, „und er ist einfach gut.“

Vom Boulevard wird ter Stegen längst als „Mini-Kahn“ gefeiert. Äußerlich ähnelt er dem früheren Welttorhüter sogar ein bisschen, und auch in seiner Gestik, wenn er mit geballten Fäusten eine Parade feiert, orientiert er sich an Kahns Körpersprache. Ter Stegen bewundert den früheren Münchner für dessen „Gier nach Erfolgen“. Sein Torwartspiel aber liegt eindeutig näher an Manuel Neuer als an Oliver Kahn.

Ter Stegen interpretiert seine Rolle ähnlich offensiv wie Deutschlands aktuelle Nummer eins. Im Hinspiel gegen Bochum klärte er einmal gut 30 Meter vor seinem Tor mit dem Kopf vor Chong Tese; bei hohen Bällen in den Strafraum strahlt er grimmige Entschlossenheit aus, und auch sein Spiel mit dem Fuß ist auf der Höhe der Zeit. Während man bei Vertretern der älteren Torhütergeneration immer noch bis auf die Tribüne die Anspannung spürt, scheint es für ter Stegen die normalste Sache der Welt zu sein, den Ball auch mit den Füßen zu beherrschen. 66 Prozent seiner Pässe brachte er an den eigenen Mann; die Quote von Manuel Neuer (72 Prozent) ist nur unwesentlich besser.

Auch im Kerngeschäft eines Torhüters – dem Bällehalten – kommt ter Stegen auf überdurchschnittliche Werte. Von allen Schüssen auf sein Tor parierte er 86 Prozent. Und selbst im Elfmeterschießen, das heute in letzter Instanz über Auf- und Abstieg entscheiden könnte, hat ter Stegen seine Qualität schon nachgewiesen. Borussias Nachwuchsdirektor Roland Virkus erinnert sich daran, dass sie früher in solchen Fällen immer gesagt hätten: „Unser Torwart ist so gut, der hält einen mehr als der andere.“ Meistens sei das auch so gewesen. „Marc macht es den Schützen sehr schwer. Er bleibt ganz ruhig, bewegt sich erst ganz spät.“

Ruhig bleiben, nicht zucken, wenn die Anspannung ins Unermessliche steigt – es gibt schlechtere Voraussetzungen für das Nervenspiel Relegation.

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